Nr. 105 - 15. Jänner 1981 - 10. Jahrgang
Das Brauchtum im Lebenslauf - einst und jetzt (Teil 1)
(verfasst von Oberstudienrat Dr. Rosine Schadauer)
1. TAUFE und FIRMUNG
An die drei wichtigsten Ereignisse im Menschenleben - Geburt, Vermählung, Tod - knüpfen sich zahlreiche, oft uralte Bräuche. Sie wurzeln im engen Bereich der Familie.
Wurde ein Kind erwartet, dachten die Eltern "ehzeitig" ans "G'vatterbitten". So wählten sie unter ihren "Freunden" (Verwandten) ein Paar ehrsame, hausgesessene Leute aus. Eine Zurückweisung war nicht zu befürchten. Aus der Taufe zu heben galt nämlich als "das gute" oder "das christliche Werk". Durch die Patenschaft baute man sich "einen Staffel in den Himmel". Mindestens so viele Gödenkinder wollte man haben, dass sie den Paten einst zu Grabe tragen konnten.
Der Vater bat im allerschönsten Gewand die Gödenleute zur Taufe. Noch um 1850 trug er dabei den "Gödenstecken", das war ein Rohrstock mit einem Silber- oder Beinknopf, mit sich. Bevor er selbst eintrat, warf er diesen im Hause des Gevatters zur Stubentür hinein; bei einem Knaben dreimal, bei Zwillingen mehrere, ja viele Male. Dazu sagte er: "... I waar halt da von weg'n's G'vatterbitt'n". Beim Weggehen ließ er den Gödenstecken in des Gevatters Stube zurück - eine stumme Bekundung der Bereitschaft zu baldigem Gegendienst. Die Gevattersleute nahmen den Vater als besonderen Ehrengast auf und bewirteten ihn mit dem bei dieser Gelegenheit üblichen "Oaringschmalz".
Dem Täufling wurde vom Paten das "Krösengeld" (Chrisamgeld) mit "eingefascht" (eingebunden), in der Regel ein Silberstück und einige kleine Kupfermünzen, welche bei der Taufe mitgeweiht wurden. Die Beigaben sollten bewirken, dass das Kind leicht und früh lernte. Das Krösengeld galt als unantastbare Grundlage aller späteren Ersparnisse. Es wurde in der Krösenbüchse aufbewahrt. Dorthin legte die Mutter auch ein Stück der Nabelschnur, weiter ein Amas-Dedl (Agnus Dei), das ist ein geweihtes irdenes Medaillon oder sonst ein Heiligenbildchen. Das Taufmahl ("Kindlmahl") wurde im Elternhaus des Täuflings gehalten. Neben den Paten waren dazu auch Nachbarsleute und nahe "Freunde" (Verwandte), häufig auch der Pfarrer und der Schullehrer (Mesner) geladen. Eine Verpflichtung der Gevattersleute war die "Zutrag" oder das "Weisel", das "Sechswochenbrod" (Semmeln, Zwieback, Candiszucker), womit der Sauglappen des Kindes ("Sutzel", "Zutzel") gefüllt wurde.
Im Laufe des ersten oder zweiten Lebensjahres schenkten die Paten dem Kind das "Wutzelgewand". (Kleidchen, Hemdchen, Häubchen). Die letzte Gabe - sie wurde zwischen dem 6. und 12. Jahr gereicht - war das "Codlg'wand" und einiges Geld. Da das "Patenhemd" als "Hochzeitshemd" gedacht war, wurde es entsprechend groß geschnitten. Starb das Patenkind vor dem "Abg'wanden" - in dieser Zeit der hohen Kindersterblichkeit nicht selten - so hatten die Patenleute die Begräbniskosten zu tragen.
Die Zuwendungen der Paten und ihre persönliche Teilnahme am Wohl des Patenkindes dankten ihnen die Eltern mit besonderer Auszeichnung bei jeder Gelegenheit. So nahmen die Paten beim Hochzeits-, Primiz- oder Totenmahl ihres Patenkindes die ersten Ehrensitze ein. Ein Mann musste jedes Mal, wenn er an seines Gevatters Haus vorbeiging, den Hut abnehmen.
Das eingetaufte Kind sah man von vielerlei Gefahren bedroht: Eine Hexe konnte es mit einem "Wechselbalg" vertauschen oder eine "Trud" es aussaugen. Ein auf die Wiege gezeichneter "Trudenfuß" sollte es davor schützen. Daher machte man aus dem "Heidenkind" möglichst rasch ein "Christkind". Nicht selten findet man in Taufbüchern die Eintragung .. am .. geboren und am selben Tage getauft. Eine große Gefahr sah man auch darin, dass das Kind "verschrien", "verschant" oder "vermeidet" wurde, und man wendete dagegen allerlei Mittel an.
Die Fraisen suchte man durch einen unter den Kopf gelegten "Fraisbrief" oder auch durch "Abbeten" zu stillen. War das Kind getauft, so sah man es weniger bösen Einflößen ausgesetzt. Das Chrisam wurde erst am dritten oder neunten Tag vom Kopf des Täuflings gewaschen ("abgebadet", daher "Chrisambad"). Kinder lächeln oft im Schlaf, "weil die Englein mit ihnen spielen".
Man vertraute darauf, dass ein Haus, in dem ein kleines Kind schläft, vom Blitz verschont wurde. Daher legte man bei Gewittern die Kinder, besonders die kleinsten, schlafen.
Stirbt eine Mutter im Wochenbett, so kommt sie "von Mund auf" (sogleich) in den Himmel, denn "in den sechs Wochen steht ihr der Himmel offen". Für die allzu gescheiten Kinder, die "Kreuzköpfl", befürchtete man frühen Tod. Besonderes Glück hingegen erhoffte man für die Neusonntagskinder: die an einem Sonntag geboren wurden, an dem der Mond "neu wurde". Neusonntagskinder sehen mehr als andere Sterbliche, blicken in die Zukunft . . . finden Schätze und haben in allen ihren Unternehmungen Glück.
Während man bei der Wahl der Taufpaten gern im Bereich der engeren Verwandtschaft blieb, zog man bei der Suche nach den Firmpaten den Kreis weiter. Noch immer waren Verwandte bevorzugt, aber unter sie mischten sich auch Freunde, Nachbarn und wohlhabende Leute, die durch die Übernahme der Patenschaft, besonders bei armen Familien, ein gutes Werk tun wollten. Ich kannte eine Frau, zu deren Begräbnis man 74 Patenkinder lud und dabei noch bedauerte, dass man nicht alle kenne, es wären an die hundert gewesen.
Die Firmpaten schenkten ein Gebetbuch und einen Rosenkranz, Wohlhabende eine silberne oder gar eine goldene Uhr, Kleidungsstücke oder einen Anzug, bisweilen ein silbernes Essbesteck. Wurden ledige Leute als Firmpaten gewählt, beschenkte das Patenkind sie bei ihrer Hochzeit mit einer schön geschliffenen Weinflasche oder Trinkgläsern.
Vergleichen wir das Brauchtum, das sich einst an Geburt, Taufe und Firmung knüpfte, mit dem heute noch gepflegten, so fällt uns zunächst eine merkliche Verarmung auf. Ihre Gründe sind vielfältig: Nicht nur das Schwinden des Aberglaubens (er lebt in neuen Formen kräftig weiter), sondern auch tiefgreifende Veränderung der Lebensverhältnisse und Verlust an religiöser Substanz. Da die Kinder zunehmend in Krankenhäusern geboren werden, wurden sie dort auch häufig getauft. In der jüngsten Zeit ist von kirchlicher Seite durch eine erneuerte Liturgie eine erfreuliche Entwicklung eingetreten: Die Taufe wird wieder in der Pfarrkirche gespendet, und zwar an einem dafür bestimmten Sonntag im Monat. Die Bedeutung des Taufaktes und die festliche Gestaltung der Feier bewirken, dass über die Familien der Täuflinge hinaus die Pfarre stärker teilnimmt, als dies bisher der Fall war, und so ein echtes Gemeinschaftserlebnis entsteht. Die Firmungen werden in zahlreichen Landpfarren gefeiert, sodass die Firmlinge das Sakrament in der Heimatkirche oder in der näheren Umgebung empfangen können. In einer Zeit wirtschaftlichen Wohlstandes werden die Patenkinder reich mit Geschenken bedacht.
Nach der Taufe werden die Paten zu einem festlichen Mahl eingeladen. Noch immer ist es u.a. Brauch, die Patenkinder zu Ostern mit einem Osterkipfel und bunten Eiern und zu Allerheiligen mit einem Heiligenstrietzel zu beschenken. Die Taufpaten schenken nicht nur Taufandenken (Taufbrief, Gold- oder Silbermünzen) und Babykleidung, sondern auch die Taufkerze. Sie soll auch bei der Erstkommunion und bei der Vermählung entzündet werden, ja selbst als Sterbekerze dienen. In unserer Zeit haben Geschwister häufig verschiedene Taufpaten. Früher gab es nur einen Taufpaten oder eine Patin in einer Familie. Bei einer größeren Kinderschar übten sie willig ihr Ehrenamt oftmals aus. Reicher Kindersegen wurde mit Gelassenheit angenommen. Man sagte sich vertrauensvoll: "schickt der Herrgott a Haserl, so gibt er auch a Graserl."
Alle Artikel über Brauchtum im Mostviertel:
Kommentare
Kommentar veröffentlichen