Direkt zum Hauptbereich

Unsere Agrarwirtschaft im Wandel der letzten 50. Jahre (Teil 2)

Nr. 139 - 1. November 1983 - 12. Jahrgang

UNSERE AGRARWIRTSCHAFT IM WANDEL DER LETZTEN FÜNFZIG JAHRE
(verfasst von Museumsleiter Amtsrat Johann Hintermayr, Haag)

2. Teil

Die Feld- und Heuarbeit

Die Feldarbeit beginnt von ehedem mit den ersten Frühjahrstagen und endet kurz vor dem Wintereinbruch. Mehr als früher werden nun die Sommergetreidearten bevorzugt. Es sind das jene Futtermittelsorten, deren Saat nicht im Herbst, sondern erst im Frühjahr in den Ackerboden gelangt. Als Wintergetreide hat lediglich der Weizen nicht allzu viel an Anbaufläche verloren. Dagegen starb der Roggen gebietsweise bereits aus. So hat sich auch die seinerzeitige Getreideerntearbeit, die Schnittzeit, zeitlich verändert. Begann doch allerorts der Schnitt anfangs Juli mit dem Winterroggen - denn "Kilian führt die Schnitter an" -‚ dem dann in der Regel nach zwei bis drei Wochen die Weizenernte folgte; dies trifft heute nur mehr vereinzelt zu. Erstens wird nicht mehr "geschnitten", wie früher mit der Sense, sondern in einem Vorgang gemäht und gedroschen, und zweitens verschiebt sich wegen des Zuwartens bis zur Todreife das Abernten mit dem Mähdrescher um einige Wochen. Weil sich nun der Körner- und Silomaisanbau seit rund zwanzig Jahren stark eingebürgert hat, verlagert sich anteilsmäßig die frühere Schnitt- und Druschzeit vom Sommer um die nunmehrigen Maisanbauflächen auf den Herbst. Der Silomais wird Ende September bis anfangs Oktober, der Körnermais manchmal erst in den Novembertagen abgeerntet.

So wie vor mehreren Generationen bleibt man in der Regel bei uns weiterhin bei der Stallfütterung, das heißt, dass die Rinder tagsüber nicht auf den Wiesen weiden. Daher werden die Wiesen gemäht und das Futter - in der Vegetationszeit vorwiegend Grünfutter, in der übrigen Zeit Heu und Silofutter - wird den Tieren in den Stall gebracht.

Für die Schweinemast hatte man bis in die siebziger Jahre noch relativ viel Kartoffeln verwendet. Anstatt, wie es früher üblich war, die Kartoffeln nach der Ernte im Keller zu lagern, hatten in der Nachkriegszeit viele Betriebe die für Futterzwecke gedachte Menge im Herbst gedämpft und in eigenen Silos aufbewahrt. Inzwischen liegen diese mangels Kartoffelanbau brach. Dafür nehmen die Gärfutterbehälter zu.

Bei vielen Höfen wird ein Teil des Wiesengrases einsiliert. Es ist dies ein ziemlich rascher Arbeitsvorgang, denn nach einem kurzen Vortrocknen des gemähten Grases erfolgt die Lagerung im Silo. Dadurch verringert sich der Heuernteanfall, und man ist in dieser Hinsicht weniger auf anhaltende Sonnentage angewiesen. Allgemein war das Heuen noch in der Zwischenkriegszeit eine große Prozedur, angefangen vom händischen Mähen über das Zerstreuen der Heumand, das Wenden, das "Scheubelrechen" und das "Schöbern", bis zum nochmaligen Wenden und dem "Heuzammtuan" am zweiten Tag. Schließlich war das "Fachtlfassn" auch noch sehr arbeitsaufwendig. Bei größeren Wiesenflächen waren hierzu vier bis sechs Personen nötig. Heute vereinfachen die Mähmaschine, der Heuwender, der Greifer oder das Gebläse und besonders der Ladewagen die Heuernte.

Weit verbreitet waren die Heinzen ("Kleehülfer") und die Vierböcke ("Heukrax'n"). Klee und Heu wurden auf den Hülfsprißeln aufgeschichtet und so von Bodennähe und Feuchtigkeit bewahrt und durchlüftet. Speziell im Herbst, wenn die Sonnenbestrahlung täglich schwächer wurde, machte man von dieser Lufttrocknung öfters Gebrauch, und man konnte einer schlechten Witterung getrost entgegensehen. Der Klee oder das Heu verschlechterte sich dabei keineswegs. Weil diese Trocknungsart ziemlich zeitaufwendig und kaum mechanisierbar ist, wird davon immer weniger Gebrauch gemacht.

Die Dienstboten

Anfangs des 20. Jahrhunderts waren annähernd 50 Prozent der Erwerbstätigen in der Land- und Forstwirtschaft beschäftigt. Inzwischen sank der Anteil österreichweit bis auf neun Prozent. In die Zeitspanne dieser Rückschau fällt die Chance zur eigenen Hausstandsgründung für nie nicht selbständige Bevölkerung. Dies ermöglichte einerseits der technische Fortschritt, der die landwirtschaftliche Handarbeit durch den Maschineneinsatz ersetzte, und andererseits fanden die in der Landwirtschaft frei werdenden Kräfte nun im gewerblichen und industriellen Bereich günstigere Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten vor. Der Umstellungsprozess wurde ab 1938 durch die stark forcierte Rüstungsindustrie beschleunigt. Damit setzte die erste Landflucht ein, die sich aber nach dem Krieg durch die allgemein gute Beschäftigungslage infolge des Wiederaufbaues noch steigerte. In Haag gab es zum Beispiel im Jahr 1981 nur mehr einige Dienstboten.

Bestimmte Tätigkeiten der Dienstboten waren regional ziemlich einheitlich geregelt. Neben dem Schweizer oder der Schweizerin, die nur für die gesamte Arbeit im Rinderstall (wie füttern, melken, reinigen, Pflege der Jungtiere) verantwortlich waren, hatte der Hausknecht eine gewisse Vorrangstellung. Er war von den Dienstboten die erste Kraft, sozusagen der Polier des Betriebes. Zur Arbeitseinteilung wurde er von den Bauersleuten miteinbezogen. Bei Abwesenheit des Landwirtes regelte der Hausknecht den besprochenen Arbeitsablauf. Dies drückte sich selbst auch beim täglichen Tischgebet aus, wo ihm anstatt des verhinderten Chefs die Vorbeterstelle oblag. So war es auch er, der die Zeit der Mittagspause bestimmte; mit seinem Erheben vom Tisch nach dem Essen begann unausgesprochen für alle der Ruf zur weiteren Tagesarbeit.

Die Jüngsten unter dem Dienstpersonal begannen ihre "Berufslaufbahn" mit vierzehn Jahren als Stallbub oder als "Kuchlmadl". In der Regel kannten sie schon viele Arbeitsvorgänge aus der Mitarbeit während der Schulzeit. Der Stallbub wurde mehr dem Arbeitsbereich des Rossknechtes zugeteilt, das Küchenmädchen diente zur Mitarbeit der Bäuerin in Küche und in anderen hauswirtschaftlichen Bereichen. In einzelnen Höfen besorgte das junge Mädchen auch den Milchtransport vom Hof in den Markt mit einem Hundegespann. Für derartige Kleinfuhrwerke, wie für das "Marktfahren", spannte man nicht gern ein Pferd ein; hierzu ein Pferd zu verwenden hätte man als unwirtschaftlich bezeichnet. Das allgemein bekannte Wort "Ross verrecken - großer Schrecken, Weibersterben - kein Verderben" spiegelte sich im hohen Stellenwert des Pferdes.



Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Übersicht aller Ausgaben - Heimatkundliche Beilage zum Amtsblatt der Bezirkshauptmannschaft Amstetten

Hier erhalten Sie eine Übersicht über die Ausgaben die "Heimatkundliche Beilage zum Amtsblatt der Bezirkshauptmannschaft Amstetten". Einzelne Beiträge (hellblau hinterlegt) können hier online angesehen werden. Alle Ausgaben können bei Bedarf in der Niederösterrichischen Landesbibliothek eingesehen werden. Weitere Literatur zum Mostviertel gibt es hier. Nr Datum Titel Autor 1 1972-05-01 Zum Geleit WHR. Dr. G. forsthuber 2 1972-06-01 Großes heimatkundliches Bildungsquiz 3 1972-07-01 Die reine Fichtenkultur ist eine schlechte Vorsorge für die kommenden Generationen Prof. Peter Schutting 4 1972-08-01 St. Agatha - Eisenreichdornach Dr. Leopoldine Pelzl 5 1972-09-01 Fritz Steiner Dir. Dr. Ernst Werner 6 1972-10-01 Die große St. Georgskapelle in St. Georgen am Reith VD Franz Rautter 7 1972-11-01 Der Kollmitzberger Kirtag - Ein Jahrmarkt mit 800 jähriger Tradition Mag. Dr. Heimo Cerny 8 1972-12-01 Aufführungen unbekannter Kompositionen im Promulgationssaal des Stif

Türkenbelagerung 1683 im Mostviertel - Spurensuche

Kurzer Überblick über die Situation im Jahr 1683 Am 7. Juli 1683 überschritten die Türken mit ca. 300.000 Mann die Grenze Niederösterreichs. Zwischen St. Pölten und Wilhelmsburg hatten sie ein 20.000 Mann starkes Lager aufgeschlagen, das als Stützpunkt für ihre Raubzüge diente, die sich bis in das Mostviertel und dort sogar hinunter bis zum Gebirge erstreckten. Während Großwesir Kara Mustapha vom 14.7. bis 6.9.1683 Wien mit ca. 200.000 Mann eingeschlossen hielt, drangen türkische Raubscharen ins Hinterland vor und verbreiteten auf ihrer Suche nach Reichtümern vielerorts Schrecken und Verwüstung. Sie waren dabei nicht nur auf der Suche nach wertvollen Kleinodien, sondern vor allem Menschen konnte man zu dieser Zeit gewinnbringend verkaufen. Auf ihren Plünderungszügen wurde geraubt, gemordet und niedergebrannt. Es fielen auch viele langsame, ältere Menschen und sogar Kinder den Gräueltaten zum Opfer. Manche wurden erst nach Tagen oder Wochen in Wäldern entdeckt und bestattet. Viele M

Taufe und Firmung - Das Brauchtum im Lebenslauf im Mostviertel einst und jetzt

Heimatkundliche Beilage zum Amtsblatt der Bezirkshauptmannschaft Amstetten Nr. 105 -   15. Jänner 1981 -   10. Jahrgang Das Brauchtum im Lebenslauf - einst und jetzt (Teil 1) (verfasst von Oberstudienrat Dr. Rosine Schadauer) 1. TAUFE und FIRMUNG An die drei wichtigsten Ereignisse im Menschenleben - Geburt, Vermählung, Tod - knüpfen sich zahlreiche, oft uralte Bräuche. Sie wurzeln im engen Bereich der Familie. Wurde ein Kind erwartet, dachten die Eltern "ehzeitig" ans "G'vatterbitten". So wählten sie unter ihren "Freunden" (Verwandten) ein Paar ehrsame, hausgesessene Leute aus. Eine Zurückweisung war nicht zu befürchten. Aus der Taufe zu heben galt nämlich als "das gute" oder "das christliche Werk". Durch die Patenschaft baute man sich "einen Staffel in den Himmel". Mindestens so viele Gödenkinder wollte man haben, dass sie den Paten einst zu Grabe tragen konnten. Der Vater bat im allerschönsten Ge