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Marktgemeinde Neustadtl an der Donau

Nr. 35 - 1. März 1975 - 4. Jahrgang

Marktgemeinde Neustadtl an der Donau
(Hauptschuldirektor Johann Schuh)

Die Gemeinde Neustadtlan der Donau deckt sich Flächenmäßig mit dem Gebiet, das geographisch unter dem Namen "Neustadtler Platte" bekannt ist. Sie ist im Norden von der Donau umrahmt, und reicht im Süden bis zur Bodenschwelle von Viehdorf. Von West nach Ost erstreckt es sich vom Kollmitzberg bis zum Hengstberg. Die Neustadtler Platte hat Hochplateaucharakter. Sie steigt allmählich von Süden her an und fällt dann jäh zur Donau ab. Der Untergrund besteht aus Granit. Es gibt Stellen, an denen dieser Granit als geschlossener Fels - freilich oberflächlich mürb und verwittert - sichtbar wird. Er gehört der Böhmischen Masse an, deren Südsaum bis gegen Ardagger-Atzelsdorf-Blindenmarkt-Wieselburg verfolgbar ist. Granite und kristalline Schiefer bilden vorwiegend das Felsgerüst im Bereich dieses uralten Grundgebirges. Nähert man sich dem Donautal, wird das Auftauchen von Felskuppen und sogenannten Findlingsblöcken häufiger. Der tief durch die Felsenge zwischen Ardagger und Ybbs sich durchmühende Strom arbeitet die Granitfelsen aus der Verwitterungsrinde heraus.

Die Höhen auf dem Plateau liegen um 500 Meter. Der Markt Neustadtl hat eine Seehöhe von 507 Metern. Die Hochfläche wird von gerundeten Kuppen überragt (Prowerkogel 515 m, Gipfelstein 540 m, Brandstetter Kogel 555 m). Die steilen Hänge zur Donau und die Höhenrücken und Kuppen sind zum Großteil bewaldet; auch auf der Hochfläche selbst gibt es ausgedehnte Waldungen. Der vorherrschende Baum ist die Fichte; im Bereich der Donau finden sich Mischwälder. Die Niederungen und nicht zu steilen Hänge wurden urbar gemacht. Felder, Wiesen und Wälder greifen ineinander und bieten zu jeder Jahreszeit ein anmutiges Bild.

Funde aus der vor- und frühgeschichtlichen und der Römerzeit gibt es nur im Donautal. Ergiebig war in dieser Hinsicht der befestigte und nunmehr gesprengte Haustein inmitten der Donau, etwa gegenüber von St. Nikola; ferner die Insel Wörth; denn vor den Felssprengungen zur Freimachung der Fahrtrinne im vorigen Jahrhundert fror die Donau in kalten Wintern zu und bot damit einen sehr bequemen Stromübergang. - Die Insel Wörth und Nabegg waren im Mittelalter Vorwerke der großen landesfürstlichen Festung Werfenstein auf dem linken Donauufer. Durch die Vorwerke wurde auch das rechte Donauufer kontrolliert, zusamt den Wegen, die aus dem fruchtbaren Alpenvorland ins Donautal führten. Namentlich die Schanzen auf den Hängen von Nabegg sind heute noch gut zu erkennen. - Aus dem frühen Mittelalter stammt der Hausberg beim Höfler (1 km südlich des Marktes). Die Wallanlage mit einem hohlwegartigen Graben rund um die Hügelkuppe ist verhältnismäßig gut erhalten. Die Kuppe trug einst eine kleine Burganlage; das Höfl war der dazugehörige Wirtschaftshof. Gefundene Tonscherben gehören dem 12. Jhdt. an. - Aus dem späten Mittelalter und der Türkenzeit dürften die "Erdställe" stammen. Es sind Erdlöcher, die von den Kellern mancher Bauernhöfe erreichbar waren und wohl als Zuflucht in unruhigen und kriegerischen Zeiten dienten.

Otto von Machland, reich begütert im heutigen Mühlviertel, richtete auf seiner Burg Sabenik (Sarmingstein) ein Chorherrenstift ein; Sabenik ist der Vorläufer von Waldhausen. Otto von Machland stattete es reichlich mit Gütern, Zehenten und Pfarrlehenschaften aus. Der Bischof Reginbert von Passau, dem Waldhausen unterstand, gab dem Stift seinerseits 1147 eine Pfarre auf dem Berge "hengist", die erst kurz vorher zur Erschließung des "noch kaum besiedelten Gebietes" gegründet worden war. An den genauen Grenzangaben erkennen wir, dass es sich um die Pfarre Neustadtl gehandelt hat. Die Pfarrkirche wurde jedoch bald darauf verlegt, auf den Platz, den sie noch heute einnimmt, und erhielt damit den Namen "Neue Statt", Neustadtl.

In der Folge kam es zu Rechtsstreitigkeiten um diese Pfarre, da die Pröbste von Ardagger Ansprüche auf sie erhoben. Einem solchen Streitfall verdanken wir die erste Namensnennung: Niwenstat (1215).

Besondere geschichtliche Ereignisse sind aus unserer Gemeinde nicht zu vermelden. An den Bewohnern unseres Ortes und der Pfarre gingen jedoch die großen und einschneidenden politischen Ereignisse und Veränderungen nicht spurlos vorüber. Sie sind uns in zahlreichen Berichten erhalten.

So gehörte Neustadtl zu den 24 Pfarren der Diözese St. Pölten, in denen die Brüder und Schwestern vom Freien Geiste ihr Unwesen trieben (1296). Der Pfarrkirche St. Jakob zu Neustadtl werden die verschiedensten Stiftungen verliehen. Immer wieder hören wir von den Streitigkeiten zwischen Ardagger und Waldhausen und können zwischen den Zeilen lesen, dass dabei die Bewohner unserer Pfarre die Leidtragenden sind. Als 1360 Rudolf von Wallsee zu Seuseneck (Seisenegg) Neustadtl und die Vogtei über die Pfarre erwarb, war die Verbindung Neustadtls zur Herrschaft Seisenegg hergestellt, die mit Unterbrechungen bis zum Ende der Grundherrschaft aufrecht blieb. Für die Platte von Neustadtl wurde 1630 ein eigenes Landgericht aus dem großen Landgericht Seisenegg ausgegliedert. Ein Landgericht besaß die höhere Gerichtsbarkeit mit dem Recht, die Todesstrafe zu verhängen. Obwohl für den Ort kein Marktbrief existiert, gilt Neustadtl seit alter Zeit als Markt. In einem Urbar von 1484 und in einem zweiten aus dem Jahre 1603 werden die Pflichten und Rechte der Untertanen genau angeführt. Der Bauernerhebung von 1597 blieben die Neustadtler fern. Ihr Verhältnis zur Grundherrschaft war stets gut gewesen, und so sahen sie sich sicherlich nicht veranlaßt, an dem Aufstand teilzunehmen. Nach dem Lehrerschematismus aus dem Jahre 1852 soll in Neustadtl schon 1404 eine Schule bestanden haben; jedenfalls ist diese seit dem Jahre 1650 urkundlich nachgewiesen. Kaum ein Menschenalter nach dem Dreißigjährigen Krieg (1679) brach die Pest aus; 32 Personen wurden im Friedhof, der sich damals um die Kirche befand, 14 Personen beim Eingang zum Pfarrhof begraben. Es war dies nicht die erste Heimsuchung durch den Schwarzen Tod; er hatte schon 1452 bei uns gewütet. Die Maßnahmen Josef II. auf dem Gebiet des Kirchenwesens führten zur Lösung der Jahrhunderte alten Bindungen zum Stift Waldhausen. Aus dem Ertrag des Stiftsvermögens stellte der Religionsfond 1400 Gulden zur Errichtung eines neuen Schulhauses zur Verfügung.



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