Der Huf- und Wagenschmied - Arbeit und Leben der ländlichen Handwerker des Mostviertels in früheren Zeiten
Nr. 184 - 1. August 1987 - 16. Jahrgang
Arbeit und Leben der ländlichen Handwerker
des Mostviertels in früheren Zeiten
(von Anton Distelberger,
Mostviertler-Bauernmuseum)
3. Der Huf- und Wagenschmied
Über Jahrhunderte hinweg waren die
Schmiede die einzigen eisenbearbeitenden Handwerker in den ländlichen Gebieten.
Im Ybbs- und Erlauftal gab es die großen Hammerschmieden, die u.a.bereits in
einer gewissen Serienproduktion eiserne Werkzeuge und Geräte für die
Landwirtschaft herstellten (z.H. Hacken, Hauen, Sensen, Sicheln, Krampen,
Sappeln), und eine Vorstufe zur industriellen Fertigung darstellten.
Über das ganze Mostviertel verbreitet
waren aber die Werkstätten der Huf- und Wagenschmiede, die in einfacher und
handwerklicher Manier alle anderen Eisenteile herstellten, die die Bauern
brauchten. In jedem Ort gab es früher einen Schmiedemeister. Je stärker aber
Landmaschinen und Traktoren Verbreitung fanden, die Pferde als Zugtiere
einerseits und die handwerkliche Einzelanfertigung von Wägen und Geräten
andererseits an Bedeutung verloren, desto weniger gefragt war naturgemäß der
Schmied. Viele Schmiedewerkstätten von damals existieren heute überhaupt nicht
mehr.
Mancher Schmied hat sich im Lauf der
letzten Generationen auf den Landmaschinenhandel umgestellt und seine Werkstatt
für die Landmaschinenreparatur um- und ausgebaut; andere sind jetzt
Kunstschmiede
und erzeugen Gartenzäune, Geländer u.ä.
Auch in den bestehenden Schmiedewerkstätten hat sich einiges
geändert; nicht mehr Feuer und Hammer
allein sind die wichtigsten Hilfsmittel, sondern vor allem das
Elektroschweißgerät und der Winkelschleifer mit der Trennscheibe.
Auf dem Schild, das ein Schmied auf der
Front seines Hauses hängen hatte, stand sein Name und "Huf- und
Wagenschmied", weil seine wichtigsten Tätigkeiten das Beschlagen der
Pferdehufe und das Bestücken der hölzernen Wägen mit den nötigen Eisenteilen
waren.
Auf jedem Bauernhof gab es zwei oder
mehrere Pferde zum Verrichten der Arbeit. Sie mussten naturgemäß auch viel auf
Straßen und Wegen gehen. Um die Hufe vor übermäßiger Abnützung zu schützen,
wurden
sie mit Eisen beschlagen. Aber auch die
Hufeisen wurden abgenützt, immer wieder wurde ein Eisen locker oder ging
verloren. Außerdem Muss ein Huf, der ja ständig wächst, hin und wieder
geschnitten werden. So musste jeder Bauer des öfteren den Schmied aufsuchen.
Da es ziemlich viel Arbeit ist, zwei
Pferde neu zu beschlagen - der Schmied brauchte einen halben Tag -, war es
notwendig, sich rechtzeitig dafür anzumelden. Zum abgemachten Termin spannte
der Bauer oder der Rossknecht frühmorgens oder zu Mittag die Pferde vor den
Wagen und fuhr also zum Schmied. (Nicht zu vergessen war dabei für diesen eine
Flasche Most und eine Jause).
Dort wurden dann die Pferde ausgespannt
und in der Werkstatt angehängt. Zuerst riss der Schmied die alten Hufeisen
herunter und schnitt den Huf zurecht. Dann schmiedete er neue Eisen, sodass sie
möglichst genau die Form des Hufes hatten, brannte sie glühend auf den Huf auf,
nagelte sie fest, vernietete die Nägel und raspelte den Huf ab. Bei all diesen
Arbeiten am Huf musste der Rossknecht den jeweiligen Pferdefuß abgewinkelt in
die Höhe halten ("aufhalten"), damit der Schmied arbeiten konnte. Das
erforderte oft ziemlich viel Kraft und konnte bei nervösen Pferden auch recht
gefährlich sein.
Da die Pferdefuhrwerke bei Schnee-und
Eisfahrbahn erhöhter Unfallgefahr ausgesetzt waren, wurden im Winter eigene
Hufeisen verwendet. Die Sommereisen hatten an der Unterseite geschmiedete
stumpfe Stollen. Bei den Wintereisen konnte man aber die stumpfen Stollen
auswechseln, und, wenn es eisig war, spitze oder die "H-Stollen"
hineinschrauben, die so lange griffig blieben, bis sie ganz abgetreten waren.
Der Hufschmied wurde erst zu seinem Beruf
zugelassen, wenn er eine gewisse tierärztliche Ausbildung erfahren hatte. Die
erhielten unsere jungen Hufschmiede in Wien. Die zweite Hauptarbeit der
Schmiede war das Beschlagen der Wägen sowie der Schlitten, Schubkarren, Eggen
etc. Wenn der Wagner beispielsweise einen Wagen aus Holz fertiggestellt hatte,
musste er noch die Stellen, die starkem Verschleiß (z.B. der Räder) oder
besonderer Belastung ausgesetzt waren, mit Eisen verstärken, und manche
Verbindungen wurden überhaupt aus Eisen hergestellt. Der Schmied richtete die
Eisenteile nach der Form des Holzes, wo sie aufgesetzt wurden, zu, brannte sie
glühend auf das Holz auf, nagelte sie fest und befestigte sie schließlich noch
mit Eisenbändern. Diese wurden ebenfalls in glühendem Zustand festgezogen, wozu
er Zangen in verschiedenen Größen benutzte. Auch bei den Schmieden gab es so
manchen Meister seines Handwerks, der nicht nur die Dauerhaftigkeit seiner
Produkte im Auge hatte, sondern sein Eisen auch wunderbar zu verzieren wusste,
indem er ihm eine schöne Form gab und verschiedene Muster hinein-hämmerte.
Neben dem Beschlagen der Pferde und der Wägen hatte der Schmied
noch viele andere Dinge zu tun. Er spitzte und schärfte die Pflug-schare,
schmiedete Beschläge für Türen und Tore, Verriegelungen, Schlösser, Fensterkreuze,
sowie Keile zum Holzspalten und auch die verschiedenen Ketten, die der Bauer
brauchte. Es war eine Kunst, eine wirklich gute Kette zu machen, da jedes Glied
mit Hilfe des Feuers allein verschweißt werden musste. Dazu musste das Eisen so
stark erhitzt werden, dass es beinahe floss. Das erforderte einiges Feingefühl,
weil es spritzend verbrennt (eigentlich verbrennt der Kohlenstoff, der im Eisen
enthalten ist) und somit unbrauchbar ist, wenn es nur noch unwesentlich heißer
wird. Dann wurden die weiß-glühenden Eisenteile mit dem Hammer
zusammengeschlagen, wobei man "Schweißblättchen" oder -staub dazwischen
gab, um eine gute Verbindung zu erreichen. (Dabei handelt es sich um ein
Reduktionsmittel - z.B. Borax-, das die im Feuer oxidierte Oberfläche des
Eisens, die ein festes Verschweißen verhindern würde, rückverwandelt.) Um
wieviel einfacher ist es doch heute, mit einer Schweißelektrode eine Naht zu
ziehen!
Eine weitere Besonderheit in der Arbeit
der Schmiede war das "Aufstacheln" (von "Aufstählern") von
Werkzeugen. Die Bauern und Handwerker waren zu großer Sparsamkeit gezwungen und
warfen daher ihr
abgearbeites Werkzeug (Hacken usw.) nicht
weg, um sich neues zuzulegen, sondern brachten es zum Schmied damit er im Feuer
ein neues Stück Stahl daranschweißte, hinausschmiedete, scharfmachte und
härtete und sie auf billige Weise wieder gutes Werkzeug erhielten.
In der Blütezeit der Mostviertler Bauern
(ca. 1870 - 1900) entstanden bei vielen Vierkantern sogar eigene Hausschmieden.
Jeder "bessere "Bauer ließ sich seine eigene Schmiede beim Haus
bauen. Es gab dann Schmiede die "auf die Stör gingen", wie das
bei" anderen Handwerkern auch üblich war, d.h. dieser Schmied hatte
zuhause keine eigene Werkstatt, sondern er ging zu den Bauern, um dort einige
Tage zur Arbeit zu bleiben. (Ein Schmied hatte etwa 30 Hausschmieden zu
betreuen.). Die Bezahlung dieser Handwerker erfolgte lange Zeit nur in Form von
Kost und Quartier und Lebensmitteln. Damit konnten sie Frau und Kinder, die in
ihrem kleinen Häuschen lebten, ernähren. Erst später wurde auch etwas Geld
bezahlt.
Im "Mostviertler Bauernmuseum"
ist so eine voll eingerichtete Hausschmiede zu sehen. Es gibt darin natürlich
eine Esse, einen großen Blasbalg über der Decke, der getreten werden musste,
den Amboss mit vielen verschiedenen Gesenken (Formen, in die das glühende Eisen
geschlagen wird, sodass es die jeweilige Form annimmt) und Gesenkhämmern, viele
verschiedene Zangen, handgeschmiedete Gewindeschneideisen, handgeschmiedete
Schraubenschlüssel sowie einen Beschlagtisch mit dem Werkzeug zum Beschlagen
der Pferde u.v.a.m. Besonders interessant ist auch ein Bild darin, ein
Scherenschnitt von einem Hufschmied aus dem Jahr 1897, das zeigt, wie er ein
Pferd beschlägt. Darunter steht ein Spruch, der sehr viel über die Mentalität,
die Lebenseinstellung dieser Leute, aussagt, wie bescheiden und zufrieden sie
meist waren:
"Mit frohem Mut und heitrem Sinn leb'
ich so dahin,
und freu mich alle Tag, dass ich ein
Hufschmied bin."
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