Nr. 69 – 1. Jänner
1978 – 7. Jahrgang
Gemeinde Wolfsbach
(Teil 3)
(Verfasst von Oberstudienrat Dr. Rosine Schadauer)
Anton Schwetter veröffentlichte etwa ein halbes
Jahrhundert später, 1884, seinen Bericht
über Wolfsbach. Mit Schweickhardt hat er gemeinsam die statistische Erfassung der
wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse und die liebevolle Beschreibung der
Landschaftsformen. Schwetter weist darauf hin, dass die Bewohner „mit Ausnahme einiger Handwerker durchaus
Landbauern sind, welche Feldbau, eine vorzügliche Obst- und Viehzucht treiben“.
Ferner vermerkt er: „Das hier gebaute
Korn ist als Samenkorn unter dem Namen Wolfsbacher Korn ein gesuchter
Handelsartikel“.
Die folgende statistische Erhebung Schwetters unterscheidet
sich von der Schweickhardts dadurch, dass sie die Berufe außer acht lässt,
dafür bietet sie Angaben über „Flächeninhalt“, Wohnparteien (Familien?), Ziegen
und Bienenstöcke. Die Pferde haben an Zahl seit Schweickhardt um fast 100
(303-392) zugenommen, dafür scheinen die Ochsen, die vielfach als Zugtiere
verwendet worden waren, nicht mehr auf.
Wolfsbach
|
Meilersdorf
|
Bubendorf
|
Summe
|
|
Flächeninhalt
|
975 ha
|
1002 ha
|
1114 ha
|
2091 ha
|
Häuser
|
99
|
99
|
97
|
295
|
Einwohner
|
631
|
572
|
617
|
1819
|
Männlich
|
334
|
290
|
312
|
936
|
Weiblich
|
297
|
281
|
305
|
883
|
Wohnparteien
|
129
|
110
|
110
|
349
|
Pferde
|
130
|
156
|
106
|
392
|
Rinder
|
672
|
723
|
687
|
2082
|
Ziegen
|
17
|
20
|
31
|
68
|
Schafe
|
102
|
69
|
95
|
266
|
Borstentiere (Schweine)
|
384
|
386
|
541
|
1311
|
Bienenstöcke
|
28
|
28
|
52
|
108
|
Zwischen den beiden Darstellungen waren tiefgreifende
Änderungen im wirtschaftlichen und sozialen Gefüge Österreichs eingetreten: Die
Bauernbefreiung war 1848 durchgeführt worden. Die 1858 eröffnete Westbahn
grenzt im Süden Wolfsbach gegen Seitenstetten ab, und im Gefolge der
industriellen Revolution hatten die ersten Maschinen ihren Einzug in den Bauernhof
gehalten.
Neue soziale Probleme traten an die Stelle der alten. Die
Fabriken zogen Arbeitskräfte aus der Landwirtschaft ab. Der aufkommende
Kapitalismus machte das Geld stärker als bisher zum Wertmaßstab für Wohlstand
und soziales Prestige. Das finanziell schwache Bauerntum sah sich vor neue
Schwierigkeiten gestellt. ES bemühte sich daher um eine Anhebung der Erzeugung
und der Preise für seine Produkte. Diesem Bemühen stand hemmend gegenüber die
drückende Konkurrenz des landwirtschaftlichen Exports aus Ungarn.
Die Bauernbefreiung hatte auch ihre negativen Auswirkungen.
Mit der Grundherrschaft war auch eine Schutzfunktion verbunden gewesen, die
sich in Katastrophenfällen, wie Brand, Viehsuchen, Hagelschlag, bewährt hatte.
Diese Funktion war nun erloschen, und neue Einrichtungen waren noch nicht an
ihre Stelle getreten. So wird verständlich, dass gerade in der Zeit nach 1848
auffallend viele Bauern ihre Höfe verlassen mussten.
Eine Verbesserung dieser Situation trat erst ein, als sich
die Bauern politisch im Bauernbund organisierten, Genossenschaften für den
Absatz der landwirtschaftlichen Produkte sorgten und Raiffeisenkassen Geld zu
erschwinglichen Zinsen zur Verfügung stellten. In Wolfsbach wurde 1889 die
Raiffeisenkasse unter dem Obmann Johann Schadauer, Bürgermeister von
Meilersdorf, gegründet. Ein immer mehr sich ausdehnendes Versicherungswesen
schuf Abhilfe in Katastrophenfällen.
Ursprung und
Entwicklung des Schulwesens, Musikpflege
Schon 1700 existierte eine einklassige Schule in Wolfsbach.
Der Zeitpunkt ihrer Entstehung ist nicht näher bekannt. Die Schulpflicht war
noch nicht gesetzlich verankert. Dass die zunächst einklassige Schule schon
1735 vergrößert wurde, dürfte darauf zurückzuführen sein, dass immer mehr
Eltern vom Bildungsangebot Gebraucht machten.
Zwischen 1770 und 1780 wurde die einklassige Schule zu einer
zweiklassigen erweitert und 1828 durch einen Zubau um ein merkliches vergrößert
und zweckmäßiger gestaltet. Dass besonders ältere Menschen nicht selten des
Schreibens noch unkundig waren, zeigt ein Kauf- und Übergabsvertrag vom 28.
Juli 1945. Sowohl die übergebenden Eltern wie der für den minderjährigen Sohn
und Erben aufgestellte Kurator sind noch „Kreuzelschreiber“.
Der junge Übernehmer leistete selbst seine Unterschrift.
Noch immer also erfasste die Schule nicht alle Kinder, obwohl das erste
grundlegende Schulgesetzt in Österreich, die Theresianische Schulreform von
1774, die allgemeine Schulpflicht festlegte. Das Reichvolksschulgesetz vom 14.
Mai 1969 legte die allgemeine Schulpflicht endgültig und rechtswirksam fest und
erweiterte die Lehrfächer durch Naturkunde, Zeichnen und Turnen. 1876 wurde
eine dritte Klasse eingerichtet.
Das erste Schulhaus ist nicht bekannt. 1877 übersiedelte die
Schule vom heutigen Karyhaus, Nr. 6, in das neuerrichtete Schulhaus auf dem
Pfarrplatz. Die heutige Schule, mit deren Bau 1965 begonnen wurde, liegt am
südlichen Ortsende, in gemessener Entfernung von der Straße. Sie verfügt im
Süden und Westen über ausgedehnte Turnplätze.
Mit Beginn des Schuljahres 1968/69 wurde eine Hauptschule
Wolfsbach errichtet.
An der alten Volksschule wirkten schon im vorigen
Jahrhundert und noch viele Jahrzehnte danach zwei Lehrerpersönlichkeiten, die
als Volksbildner im besten Sinne des Wortes eingeschätzt werden dürfen: Johann
Puschl und Florian Schöberl. Sie machten sich besonders um die Pflege der Instrumentalmusik
und des Gesangs verdient. Ihnen ist es zu danken, dass bis heute und mit
größerem Erfolg diese beiden Künste gepflegt werden:
Es kam 1922 zur Gründung eines Salonorchesters des
Männergesangsvereins mit ca. 16 Mann. Daraus entwickelte sich nach dem Zweiten
Weltkrieg das „Wolfsbacher Streichorchester“ mit 35 Mitgliedern, das 1949 die „unvollendete“
von Schubert aufführte. Seit 1923 besteht der „männergesangsverein Wolfsbach“;
der Kirchenchor führte Messen von Schubert und Haydn auf. Elisabeth Sturm,
ausgebildet am Brucknerkonservatorium Linz, erbringt vorzügliche Leistungen bei
Konzerten. Sie ist ebenso wie die „Wolfsbacher Geigenmusik“, 1970 gegründet,
wiederholt im Rundfunk zu hören. Die Geigenmusik wirkte auch in dem Farbfernsehfilm
mit „‘s Kind ist überall – ein weihnachtlicher Bilderbogen durch Österreich“.
Er wurde am Heiligen Abend 1972 ausgestrahlt.
Das sind Leistungen, wie sie wohl selten eine ländliche
Gemeinde dieser Größenordnung erzielt!
Postwesen
Schon früh besorgten pferdebespannte Postkurse und Menschen
als Lastträger den kleinen Verkehr zwischen den Landorten. Als Annahme- und
Abgabestellen der Güter dienten Gasthöfe. Ein Wolfsbacher, der Poststücke
befördern lassen oder eine größere Reise antreten wollte, konnte dies von dem
10 km nördlich vom Ort gelegenen Markt Strengberg aus tun. Dort war schon 1689
ein Postgebäude errichtet worden, in dessen Stall 40 – 60 Pferde zum Wechseln
bereitstanden.
Seit der Errichtung der Westbahn wurden nicht mehr Strengberg
im Norden, sondern die Stationen und Haltestellen zwischen Stadt Haag im Westen
und Aschbach im Osten für den Personen- und Güterverkehr benützt.
1867 wurde das Postamt Wolfsbach als Postexpedition mit
Fahrpost begründet, 1883 wurden ein Postsparkassendienst und 1913 ein Telegraf
und ein Telefon eingerichtet. Seit 1969 ist das Telefon durch die
Automatisierung in den Selbstwählverkehr einbezogen.
Motorisierung
Die große Wende und den ungeheuren Fortschritt nicht nur im
Personen- und Güterverkehr, sondern auch in der Landwirtschaft brachten der
Explosions- und der Elektromotor.
In Wolfsbach waren 1938 fünf Autos angemeldet. Traktoren gab
es überhaupt noch nicht. Nach dem Stillstand der Entwicklung während des
Zweiten Weltkrieges stieg die Zahl der Motorfahrzeuge zuerst nur zögernd, dann
aber sprunghaft an. Derzeit sind mehr als 350 Autos und mehr als 380 Traktoren
zugelassen.
Die beiden Weltkriege und die Besatzungszeit:
Der erste Weltkrieg (1914-1918) brachte alle Leiden mit sich,
die mit einem Völkerringen dieser Dimension verbunden sind. 47 Gefallene und 16
Vermisste waren zu beklagen. Wenn auch die vorwiegen bäuerliche Bevölkerung
meines Heimatortes vor dem schlimmsten Hunger bewahrt blieb, war doch überall
durch die Lieferpflicht bei Vieh und Getreide Schmalhans Küchenmeister, vor
allem in den oft kinderreichen Familien der Kleinhäusler, Arbeiter und
Angestellten. Eine große Anzahl russischer Kriegsgefangener sollten die Lücken
füllen, die durch den Kriegsdienst der Männer entstanden waren. Die Qualität
der Grundnahrungsmittel wurde immer schlechter, durch die Inflation der
Nachkriegszeit stiegen die Preise ins Ungemessene. So stieg der Preis für ein
Ei von früher 5 Heller auf 2000 – 3000 Kronen im Jahre 1922. Dem Mangel an
Kleingeld suchte die Gemeinde durch Ausgabe von Notgeld zu begegnen. Das
Wolfsbacher Notgeld – ein Gutschein im Wert von 10 Hellern – zeigt in schöner
graphischer Ausführung das Relief des Ritters von Meilersdorf auf seinem
Grabmal im linken Kirchenschiff.
Fleißige Sparer waren um ihre Ersparnisse gebracht worden,
ein Verlust, der besonders die bäuerlichen Dienstboten hart traf.
Die politische Zerrissenheit und Unruhe zwischen den beiden
Weltkriegen wurde auch in Wolfsbach spürbar. Am Ende stand der Zweite Weltkrieg (1939-1945), der die Schrecken des ersten bei
weitem übertraf. An vielen Fronten erfüllten Wolfsbacher ihre harte Pflicht.
Nach Jahren des Wartens, Hoffens und Bangens stand die traurige Bilanz fest:
Wolfsbach musste 83 Gefallene und 38 Vermisste, insgesamt 121 Kriegsopfer,
beklagen; das sind 58 mehr als im Ersten Weltkrieg.
Im Jahre 1966 wurde den Toten der beiden Weltkriege ein
neues Denkmal errichtet, weil das alte aus dem Jahre 1921 zu einer Behinderung
des Verkehrs auf dem Pfarrplatz geworden war. In der kleinen Eingangshalle vor
dem Tor in die Kirche, „Bettellaube“ genannt, sind auf einer Wandtafel die
Bilder der Gefallenen angebracht. Die Familie Fuchs hat 5 Söhne verloren.
Vor- und unmittelbar nach Kriegsende erlitten Menschen in
Wolfsbach auf grausame Weise den Tod, z.B. durch Bombardierung von
Eisenbahnzügen im Bahnhof St. Peter in der Au. Am Christtag 1944 fielen im
Bereich von Bubendorf/Loosdorf eine große und zwei kleine Sprengbomben auf
freies Feld, sie verursachten keine menschlichen Verluste. Der Gedenkstein
eines Massengrabes auf dem Friedhof hält die traurige Tatsache fest, dass in
den letzten Kriegstagen 14 Konzentrationslager-Häftlinge von den sie
begleitenden SS-Wachmannschaften auf den Straßen von Wolfsbach ermordet wurden.
Die Russeninvasion erfolgte am Fest Maria Himmelfahrt (10. Mai 1945). Sie
kostete vier Menschen das Leben. Bis Ende Oktober waren 3000-5000 Russen hier
stationiert.
Trotz der drückenden Last der Besatzung wurde bald nach
Kriegsende der Aufbau einer Landwirtschaft begonnen, der eine rasche Anpassung
an eine völlig neue Situation ermöglichte. Der Mangel an Arbeitskräften, verursacht
durch die Abwanderung in die Industrie und andere Berufe, hatte eine immer
rascher voranschreitende Mechanisierung und die Beschränkung auf einen oder
zwei Erwerbszweige zur Folge: Es sind dies: Milchwirtschaft, Stiermast, Schweinemast
und Hühnermast (ca. 30 Betriebe). Der Traktor verdrängte dabei das Pferd zu
Gänze.
In Zusammenhang mit der tiefgreifenden wirtschaftlichen
Umwidmung der Räume im Bauernhof erfolgten einschneidende Veränderungen in
Haus, Stallungen und Hof, die letzten Strohdächer verschwanden. Bei der
Durchführung der Neu-, Um- und Zubauten, bei der Ausstattung der Wohnräume,
zumal der Stube, wurde in dem meisten Fällen trotz Zugeständnissen an das
zeitbedingte Nützliche und Bequeme der aus der Überlieferung gewachsene gute Geschmack
gewahrt.
Die Entwicklung der
Gemeinde Wolfsbachbietet nach 1945 folgendes Bild:
Die seit Beginn der Industrialisierung im vorigen
Jahrhundert fortschreitende Landflucht führte zu einer Schrumpfung der
Bevölkerung in der ursprünglich rein agrarischen Gemeinde:
1837 zählte Wolfsbach 2030 Einwohner, 1884 waren es 1819,
1951 noch 1727, 1961 1757, 1971 nur mehr 1721. In den letzten Jahren schwankte
die Zahl zwischen 1720 und 1730. Es trat also eine Stabilisierung ein. Von den
1434 Erwerbstätigen sind nur mehr 735 in der Landwirtschaft tätig. 689 üben ein
ländliches Gewerbe aus, sind Arbeiter oder Angestellte in Betrieben
benachbarter Gemeinden oder verrichten Dienstleistungen (Stand von Ende 1976).
Diese nichtbäuerliche Bevölkerung hat seit Kriegsende ca. 70 Eigenheime
errichtet.
Die Gemeinderatswahlen von 1945-1970 ergaben zwischen 17 bis
17 Mandate für die ÖVP und 1 Mandat für die SPÖ. Die letzte Wahl (1975) brachte
2 Mandate für die SPÖ. Die Statistik für Sterbefälle zeigt ein Schwanken
zwischen einem Maximum von 30 Toten im Jahre 1967 und einem Minimum von 14
Toten im Jahre 1973. Die Geburtenziffer hat bedauerlicherweise eine fallende
Tendenz. Von 53 Geburten im Jahre 1962 fiel die Zahl fast ständig auf 23 im
Jahre 1976.
Um die Entwicklung von Wolfsbach in den letzten Jahrzehnten
machten sich besonders drei Persönlichkeiten verdient, die im Jahre 1896
geboren wurden: Med. Rat Dr. Viktor Koref, der 35 Jahre (1926-1961) mit vorbildlicher
Gewissenhaftigkeit, aufopferungsvoll und selbstlos die Kranken betreute. „Sein
Leben war reich, weil es reich war an Liebe“. Geist. Rat F. Hugo Berndl, OSB. Versah
fast 40 Jahre (1937 bis zu seinem Tod 1976) als Pfarrer von Wolfsbach sein Amt
hingebungsvoll „in Demut, Friedfertigkeit und Geduld“ – ein treuer Diener
seines Herrn. Bürgermeister Josef Sturm, Landwirt, stand ein Vierteljahrhundert
(1945-1970) in schwierigster Zeit (zeitweise 5000 Mann Besatzungstruppen) der
Gemeinde vor. Ein Mann, der klugen Überlegung und des Ausgleichs, aber
tatkräftig zugleich, hat er auch in schwierigster Situation Rat gewusst und
Hilfe zu geben verstanden.
Die beiden tüchtigen Feuerwehren, Wolfsbach (gegründet 1897)
und Meilersdorf (gegründet 1912), zählen 150 Wehrmänner. Anerkennenswert sind
auch alle Aktivitäten im religiösen und sozialen Bereich, deren Initiatoren der
Pfarrkirchenrat und das Katholische Bildungswerk sind. Den Geist echter
Kameradschaft pflegen der Kameradschaftsabend und der Kriegsopferverband.
Seinen bisherigen Abschluss fand das Aufbauwerk dieser
schlichten Landgemeinde durch die Verleihung eines eigenen Wappens, die der
Herr Landeshauptmann Andreas Maurer in einer Festfeier am 10. April 1973
vollzog.
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