Direkt zum Hauptbereich

Die Bader, Ärzte und Apotheker

Heimatkundliche Beilage zum Amtsblatt der Bezirkshauptmannschaft Amstetten
Nr. 200 - 1. Oktober 1988 - 17. Jahrgang

Die Bader, Ärzte und Apotheker

(Johann Hintermayr)

Leben, Leiden, Gesundheit und Krankheit sind seit Menschengedenken treue Bundesgenossen.
Die wissenschaftliche Beschäftigung der Benediktiner mit Heilkräutern, ausgehend vom heiligen Benedikt von Nursia, sorgte für die Weiterverbreitung der antiken medizinischen Literatur in weiten Teilen Europas.

Aus den Hellkundbüchern der Antike vermittelten die Mönche während des 8. bis 12. Jahrhunderts viele Vorschriften und Rezepte zur Heilbehandlung leidender Menschen. Es waren nun vorwiegend klösterliche Gärtnereien, die sich mit dem Anbau von Heilkräutern befassten und die ihr Wissen und deren Anwendung bei Krankheiten an die Bevölkerung weitergaben. Auch Pfarren des Mostviertels waren dafür aufgeschlossen, wie vorhandene Literatur in den Archiven Zeugnis gibt.

Die Bader

Das Wissen um den Wert der Hygiene zur Vorbeugung gegen Krankheiten war hierzulande im Mittelalter sehr dürftig. Landauf und landab fehlten die Voraussetzungen für eine dementsprechende Betreuung. Öffentliche Einrichtungen zur Gesundheitspflege breiterer Bevölkerungsschichten gab es lange nicht.
Doch liebten die Menschen des Mittelalters ein warmes Bad, und so entstanden Badestuben, deren wesentliche Einrichtung bestand aus einem Heizkessel und einigen Holzwannen. Der Inhaber solche Reinigungsbäder nannte sich "Bader". In der Regel nahm es sich auch um die Haar und Bartpflege (Barbiere, Balbierer) an. Aber auch Wunden, Knochenverletzungen, Hautkrankheiten und andere mehr behandelte der Bader. Sehr beliebt war der Aderlass und das schröpfen mit Blutegeln.

"Gegen innere Erkrankungen verabreicht man die verschiedenen Hausmittel, meist einen Absud aus getrockneten Blüten, Blättern, Früchten oder Wurzeln; man verstand sich aber auch auf die Zubereitung von Salben. Manche dieser Erfahrungswerte wurden von der modernen Medizin übernommen, andere als wertlos verworfen", stellt Berthold Weinrich fest.

Ethan Tätigkeiten begann der Weg vom Bader über die und Ärzte zu den graduierten Medizinern.
In vielen Gegenden Nichtexistenz der Bader, namentlich ab dem dreißigjährigen Kriege nachweisbar, mancherorts bis ins Mittelalter, wie zum Beispiel in Amstetten, wo eine balneatrix=Baderin um 1324 genannt wird. (Passauer Urbar) Gebäudeobjekte, in denen Badestuben eingerichtet waren, hat man seinerzeit im Grundbuch als "Baderhaus" eingetragen. Dadurch ist heute noch eine Nachforschung in dieser Hinsicht teilweise möglich.

Die Bader unterstanden schließlich einer behördlichen Überwachung, vor erst durch den so genannten Landschaftsarzt, eine Art Landessanitätsbehörde, später durch die jeweiligen Viertelsärzte, die den Bezirksärzten und heute den Amtsärzten entsprechen. Sie hatten den Status von Heilpersonen, denen die ärztliche Behandlung von Kranken oblag, und führten zu Recht die Bezeichnung "Bader und Wundärzte" (Berthold Weinrich).

Ab Mitte des 17. Jahrhunderts trat für den Bader immer mehr die Berufsbezeichnung "Wundarzt" in den Vordergrund, weil die ärztliche Behandlung von kranken Personen, wie anfänglich, so auch weiterhin in der Hand des Baders lag.

Der Fortschritt in der Ausbildung dieser Berufsgruppe zog die Geburtshilfe mit ein und so gab es fortan die neue Doppelbezeichnung "wund Arzt und Geburtshelfer". Dies bezeugen zum Beispiel die Beurkundungen der in Haag gestorbenen Wundäzrte und Geburtshelfer um die Mitte des vorigen Jahrhunderts (S. Eberstaller u. M. Nickl).

Wie aus dem NÖ. Bader- und Ärzteverzeichnis von Dr. Berthold Weinrich hervorgeht, sind darin Mitte des 17. Jahrhunderts bis zur Niederlassung des ersten Arztes in Haag mit universitärer Ausbildung, um 1865, der auch gleichzeitig Magister der Geburtshilfe war, insgesamt elf Bader bzw. Wundärzte namentlich erwähnt.

Die Ärzte (Laienärzte und Doktoren)

Die schulische Ausbildung der Ärzte und Apotheker begannen Europa um die Jahrtausendwende in Salerno (Süditalien), wo die "erste laienmedizinische Schule" gegründet wurde. Auf dieser Akademie gaben praktische Ärzte auch das pharmazeutische Wissen der Antike an ihre Studenten weiter.
Erst in der ausgehenden Barockzeit wurden in Österreich durchgehen aus Holland stammenden Arzt Gerard van Swieten bedeutende Fortschritte auf dem Gebiet des Ärztewesens bewirkt.

Er war der Begründer der "Wiener medizinischen Schule" und erreichte eine Reihe von Reformen. So wurde zum Beispiel durch die Verordnung in den Jahren 1770 und 1773 der Tätigkeitsbereich zwischen den Doktoren der Medizin und den Bundärzten abgegrenzt. Danach waren die einen für interne Krankheitenkompetenz, die Wundärzte nur für chirurgische Fälle zuständig. "Dort allerdings" - so sagt B. Weinrich - "wo es keinen Doktor der Medizin gab, war der Wundarzt sogar verpflichtet, nach Möglichkeit auch interne Krankheiten zu behandeln und sich im Zweifelsfalle beim nächsten Kreis- Physicus Rat zu holen während die "Medici", also die Doktoren der Medizin, weder in der Stadt noch am Land den Mundärzten zugehörige Kuren (Behandlungen) wie Aderlassen und Operationen durchführen durften – ausgenommen Notfälle".

Die Ärzteausbildung wurde in der Folge weiter gefördert. Ab 1785 erreichten durch die "Josephinische Akademie" auch die Wundärzte eine universitäre Ausbildung, ohne aber dadurch mit den Doktoren der Medizin gleichgestellt zu werden.

Durch das Reichsanitätsgesetz von 1870 erfolgte die Ausbildung nur noch zu Doktoren der gesamten Medizin (Dr. med. univ.). Es dauerte aber bis ins 20. Jahrhundert, bis schließlich die Tätigkeit der Wundärzte gänzlich von den Doktoren der Medizin ausgeübt wurde.

Die Apotheker

An der wiege des Apothekerberufes standen einst die berühmten Arzt-Apotheker HIPPOKRATES (460-377 v. Chr.), P. DIOSKURIDES (1. Jhdt. n. Chr.) und der römische Arzt GALEN (129-199 n. Chr.), welcher Leibarzt von Kaiser Marc Aurel war.
Die Kenntnisse bzw. Schriften dieser heilkundlichen Philosophen blieben bis weit ins Mittelalter hinein maßgebend. Das Wort Apotheke, worunter man die Wirkungsstätte des ausgebildeten Pharmazeuten versteht, dürfte auf den römischen Arzt GALEN zurückgehen.

Der erste Apotheker in unserem Sinne liegt am Beginn der Neuzeit: Philip Theophrastus Bompastus von Hohenheim (1493-1541) genannt Paracelsus. Er war der erste große Arzt und Apotheker in deutschsprachigen Raum, der nicht nur viele neue Erkenntnisse über das Wesen von Krankheiten gewann, sondern auch der Arzneikunde durch die Einführung chemischer Mittel (zum Beispiel Quecksilber) vollkommen neue Wege wies.

In Niederösterreich ist, wie Dr. K. Ryslavy in seinen Nachforschungen ermittelte, die erste Apotheke in Wiener Neustadt um 1348 nachgewiesen. Als Vorläuferin der Apotheken kann man in Österreich die Arzneipflanzenkammer, in verschiedenen Klöstern und Spitälern (zum Beispiel Kronen-Apotheke in Lilienfeld, ab 1320) bezeichnen.

Mit der Einsetzung von Landschaftsärzten – sie waren Doktoren der Medizin – um die Mitte des 16. Jahrhunderts, entstanden in Niederösterreich die ersten öffentlichen Apotheken. Sie wurden aber vorerst nur in wirtschaftlich und kulturell bedeutenden Zentren gegründet. Es oblag dem Landschaftsarzt, in jedem Landes wird durch einen ausgebildeten Apotheker zur Konzessionsausübung zu bestellen.
Die erste Landschaftsapotheke für das Viertel ober dem Wienerwald wurde vor 1550 in Melk errichtet. Weitere gab es in Baden (1518), Mistelbach an der Zaya (1582), Horn (1597) und in Stockerau (1658).

In unserem Heimatsbezirk Amstetten war Waidhofen an der Ybbs als älteste Stadt mit der Gründung Ihrer Apotheke allen anderen Orten weit voraus. Die alte Stadtapotheke "zum Einhorn" besteht nämlich seit 1598. Ihr folgte die Stifts- bzw. "Lindenapotheke" Seitenstetten im Jahre 1624 (1622?). Die Stadtapotheke in Amstetten "Zum Guten Hirten" steht mit ihrer Errichtung im Jahre 1815 an dritter Stelle.

Die "St. Michael Apotheke" in Haag wurde nicht ganz 50 Jahre später, 1863, also vor 125 Jahren als die vierte unseres Bezirkes gegründet.
Anlässlich des 125-Jahr-Jubiläums hat Mag. pharm. Hans-Michael König heuer seine Apotheke in der Höllriglstraße 1 innen und außen vorbildlich neu gestaltet.

Literaturhinweise:

KERNBAUER Alois: Zur pharmazeutischen Ausbildung in Österreich, in ÖAZ, 41. Jg., Folge 22/1987
RYSLAVY Kurt: die Apotheken Niederösterreichs, St. Pölten 1983
WEINRICH Berthold: Wie aus dem Bader ein Doktor wurde – Geschichte des Arztberufes in Niederösterreich. In: "Morgen" des NÖ Fond Klosterneuburg 1985

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Übersicht aller Ausgaben - Heimatkundliche Beilage zum Amtsblatt der Bezirkshauptmannschaft Amstetten

Hier erhalten Sie eine Übersicht über die Ausgaben die "Heimatkundliche Beilage zum Amtsblatt der Bezirkshauptmannschaft Amstetten". Einzelne Beiträge (hellblau hinterlegt) können hier online angesehen werden. Alle Ausgaben können bei Bedarf in der Niederösterrichischen Landesbibliothek eingesehen werden. Weitere Literatur zum Mostviertel gibt es hier. Nr Datum Titel Autor 1 1972-05-01 Zum Geleit WHR. Dr. G. forsthuber 2 1972-06-01 Großes heimatkundliches Bildungsquiz 3 1972-07-01 Die reine Fichtenkultur ist eine schlechte Vorsorge für die kommenden Generationen Prof. Peter Schutting 4 1972-08-01 St. Agatha - Eisenreichdornach Dr. Leopoldine Pelzl 5 1972-09-01 Fritz Steiner Dir. Dr. Ernst Werner 6 1972-10-01 Die große St. Georgskapelle in St. Georgen am Reith VD Franz Rautter 7 1972-11-01 Der Kollmitzberger Kirtag - Ein Jahrmarkt mit 800 jähriger Tradition Mag. Dr. Heimo Cerny 8 1972-12-01 Aufführungen unbekannter Kompositionen im Promulgationssaal des Stif

Türkenbelagerung 1683 im Mostviertel - Spurensuche

Kurzer Überblick über die Situation im Jahr 1683 Am 7. Juli 1683 überschritten die Türken mit ca. 300.000 Mann die Grenze Niederösterreichs. Zwischen St. Pölten und Wilhelmsburg hatten sie ein 20.000 Mann starkes Lager aufgeschlagen, das als Stützpunkt für ihre Raubzüge diente, die sich bis in das Mostviertel und dort sogar hinunter bis zum Gebirge erstreckten. Während Großwesir Kara Mustapha vom 14.7. bis 6.9.1683 Wien mit ca. 200.000 Mann eingeschlossen hielt, drangen türkische Raubscharen ins Hinterland vor und verbreiteten auf ihrer Suche nach Reichtümern vielerorts Schrecken und Verwüstung. Sie waren dabei nicht nur auf der Suche nach wertvollen Kleinodien, sondern vor allem Menschen konnte man zu dieser Zeit gewinnbringend verkaufen. Auf ihren Plünderungszügen wurde geraubt, gemordet und niedergebrannt. Es fielen auch viele langsame, ältere Menschen und sogar Kinder den Gräueltaten zum Opfer. Manche wurden erst nach Tagen oder Wochen in Wäldern entdeckt und bestattet. Viele M

Taufe und Firmung - Das Brauchtum im Lebenslauf im Mostviertel einst und jetzt

Heimatkundliche Beilage zum Amtsblatt der Bezirkshauptmannschaft Amstetten Nr. 105 -   15. Jänner 1981 -   10. Jahrgang Das Brauchtum im Lebenslauf - einst und jetzt (Teil 1) (verfasst von Oberstudienrat Dr. Rosine Schadauer) 1. TAUFE und FIRMUNG An die drei wichtigsten Ereignisse im Menschenleben - Geburt, Vermählung, Tod - knüpfen sich zahlreiche, oft uralte Bräuche. Sie wurzeln im engen Bereich der Familie. Wurde ein Kind erwartet, dachten die Eltern "ehzeitig" ans "G'vatterbitten". So wählten sie unter ihren "Freunden" (Verwandten) ein Paar ehrsame, hausgesessene Leute aus. Eine Zurückweisung war nicht zu befürchten. Aus der Taufe zu heben galt nämlich als "das gute" oder "das christliche Werk". Durch die Patenschaft baute man sich "einen Staffel in den Himmel". Mindestens so viele Gödenkinder wollte man haben, dass sie den Paten einst zu Grabe tragen konnten. Der Vater bat im allerschönsten Ge