Nr. 172 - 1. August 1986 -15. Jahrgang
Das Stift Ardagger
(von Karl Kneissl)
Viele Menschen kommen nach Stift Ardagger, um sich an der Schönheit
dieses Gotteshauses zu erfreuen. Wunderbar fließen die verschiedenen Baustile
ineinander. Wirkt im Romanischen der Stein schwer lasttragend, so zwingt die
Gotik den Blick empor. Im Barock wird hier das katholische Prinzip voll
erreicht, das Sinnliche als Wegweiser zum Übersinnlichen zu nutzen.
In Stift Ardagger war nie eine Ordensgemeinschaft, vom Propst und seinen
Chorherren wurden aber bis zu 16 Pfarren betreut. Am 31. Oktober 1784 wurde
die Propstei Ardagger aufgelöst, es wird nur mehr der Propsttitel verliehen.
Im Jahre 1049 wurde das Gut Ardagger von Kaiser Heinrich III. an Bischof
Nitker von Freising mit dem Auftrag übergeben, hier eine geistliche
Gemeinschaft zu Ehren der hl. Margareta einzuführen. Das Gebiet umfasste die
heutigen Pfarren Kollmitzberg, Markt und Stift Ardagger. Am 4. September 1063
wurde die neue Stiftskirche eingeweiht. Die mächtigsten Männer Deutschlands
waren dabei zugegen, um den Auftrag
des im Jahre 1056 verstorbenen Kaisers zu erfüllen.
Propst Heinrich I. (1225-1236) baute eine neue, größere Kirche, die in
ihren Grundmauern bis heute noch steht. Im Glasfenster hinter dem Hochaltar mit
der Darstellung des Lebens der hl. Margareta, hat er sich mit dem ältest
erhaltenen Figuralfenster dieser Art in Österreich ein bleibendes Denkmal
gesetzt. Das Fenster wird von unten nach oben gelesen und erzählt in 14
Medaillons die Lebensgeschichte der hl. Margareta. Lateinische Umschreibungen
ergänzen die durch Bleiruten zusammengehaltene musivische, mosaikartig
hergestellte Glasmalerei. Das 4,60 m hohe und 1 m breite Fenster ist mit
Palmettenblättern gerändert. Auf der Innenseite sind farbige Steineinsätze und
im Mittelstück Schneckenornamente aus Schwarzlot, einer Schmelzfarbe aus
Glasstaub mit Kupferoxyd. Dieses so hochwertvolle Fenster wollte man zum Schutz
im letzten Krieg wegbringen lassen (Berlin). Es wurde aber dann von 1943 - 1949
durch eine Mauer innen und außen geschützt. Aus derselben Zeit wie das Fenster
sind noch der Südeingang mit seinen romanischen Bogenläufen und die
Unterkirche, eine Hallenkrypta. Sie ist durch je 7 Säulen dreigeteilt und hat
ein Kreuzgratgewölbe. Die vorderen zwei Säulen sind aus kristallinem Stein vom
Waldviertel. In der Apsis stand früher ein Reliquienschrein, der 1883 durch
einen Marienaltar ersetzt wurde.
Am 30. September 1529 wurde die Stiftskirche durch die Türken geplündert
und dann in Brand gesetzt. Die Kirche lag dann an die 40 Jahre in Trümmern,
wozu die protestantischen Wirren viel beitrugen. Erst der von Kaiser Maximilian
II. im Jahre 1567 ernannte Propst Oswald Grübler aus Geppingen in Württemberg
begann mit dem Wiederaufbau.
Das wiederhergestellte Gotteshaus wurde in der Barockzeit herrlich
geschmückt. Die Stuckierung der Wände und Gewölbe sowie die 4 Evangelisten und
die Vollplastiken der Engel sind ein Werk von Giovanni Colomba aus dem Jahre
1678. Stuck ist eine Mischung von Sand, Kalk und Gips, wird in heißem
Leimwasser angerührt, mit einer Art Hobel aufgedrückt und dann fein
ausgearbeitet. Bei einer solchen Arbeit holte sich dieser große Stuckkünstler
die Lungenentzündung und liegt in Warschau bei der Kirche und Arbeitsstelle
begraben.
Johann Däläro aus Bologna in Italien schuf zwischen 1690 und 1700 die
Fresken und bemalte zum Teil auch den Stuck. Das Renaissance-Chorgestühl aus
dem Jahre 1627 ist besonders wertvoll. Flechtwerk (=ornamentales Bandgeflecht),
Tierfratzen, kannelierte (mit Senkrecht-rillen versehene) Säulchen, Gesprenge
(=hoch "springende" Bekrönung), Obeliske und gesprengte Giebel (=
oben offene Giebel) künden den Sieg der Kirche über den damaligen Zeitgeist.
Nur die Zahl der Sitze mit neun kündet noch die Abneigung gegen das Papsttum aus
der Frühzeit der Renaissance. Drei heidnische, jüdische und christliche Helden
wurden ja dem Papst entgegen gestellt (Hektor, Alexander der Große, Cäsar;
Josua, David, Judas d. Makkabäer; Clodwig, Gottfried von Bouillon, Karl d.Gr.,
später ersetzt durch Artus). Auch die großen Seitengemälde gehören dieser Zeit
an.
In der Sakristei steht eine Plastik der Krönung Marias aus der Zeit nach
dem Sieg über die Türken 1683; es gibt auch verschiedene Propstbilder und eine
Gruft (um 1630).
Die Orgel stammt vom bekannten Orgelbauer Johann Georg Freundt aus
Passau, aus dem Jahre 1620, die dann vom Orgelbauer Philipp Dorninger aus
Aschbach um 1770 erweitert wurde. In dieser Zeit wurde die Orgel auch
rokokomäßig geschmückt.
In der Apsis des rechten Seitenschiffes steht der, von einer
Bruderschaft gestiftete, Vierzehn-Nothelferaltar aus dem Jahre 1778; rückwärts
befindet sich ein Totenschild mit Wappentieren und einem Bild von Ulrich
Zürker, der hier 20 Jahre Propst war und in Augsburg begraben liegt.
Im linken Seitenschiff wurde 1914 der Sakramentsaltar abgetragen und
durch eine Lourdesgrotte ersetzt.
An die Nordseite der Stiftskirche wurde im 14. Jh. ein Kreuzgang
angebaut. Interessant die gespitzten Strebepfeiler und der gespitzte Vierpass
(Verzierung mit 4 Bögen). Das Kreuzrippengewölbe mit Kehlstab, also konkav
geformt, ruht auf verschiedentlich gestalteten Konsolen (aus der Mauer
herausragenden Steinen). Auch die Schlusssteine in den Rippenkreuzungen sind
abwechslungsreich gearbeitet. Die im Jahre 1954 freigelegten Wandfresken aus
der Zeit um 1400 zeigen die verbotene Darstellung der hl. Dreifaltigkeit in
Personen sowie Weichnachts- und Auferstehungsszenen.
Vom Kreuzgang führt eine Tür in das angebaute Schloss. Im Unterbau des
Schlosses findet man noch alte Tonnengewölbe. Probst Stredele hat um 1620 das
frühere Gebäude um ein Stockwerk erhöht. Die gebrochenen Giebel (mit Ecken
versehen) über den Fenstern, das Portal, der Laubengang des Osttraktes und der
Stiegenaufgang weisen in diese Zeit. Bei den Arbeiten zur Restaurierung des
Schlosses wurde im Hof eine Sonnenuhr aus dem 16. Jahrhundert entdeckt. Sie ist
mit astronomischen Zeichen versehen und hat Seltenheitswert.
Am Ausgang des Schlosshofes zur englischen Gartenanlage stehen zwei
schöne Obelisken und die von der russischen Besatzungsmacht durch Schüsse
beschädigten Statuen: "Frühling, Sommer, Herbst und Winter!"
Alt ist auch die Anlage der Stiftsgärtnerei. Sogar Torf wurde in
"Kloster", wie es im Volksmund früher hieß, gestochen. Den Aufgang
zur Stiftskirche schmückt eine Nepomukstatue. An der Friedhofsmauer sieht man
noch Schießscharten der Wehrkirche. Der um 1730 erbaute Zehentkasten gegenüber
der Kirche dient nun verschiedenen Zwecken. Einige Jahre war auch das
Wehrmachtsmuseum hier untergebracht. Die Lindenkapelle am Fuße des
Stifterberges erinnert an die Sage, dass hier Kaiserin Agnes in einer Notgeburt
Itha, die spätere Mutter Leopold des Heiligen, geboren haben soll.
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