Nr. 37 - 1. Mai 1975 - 4. Jahrgang
Marktgemeinde Neustadtl an der Donau (Fortsetzung
von Nr. 35 vom 1.3.1975 )
Zur Zeit der aufkommenden Industrialisierung
versuchte das Ärar im Wald des Kremser (südöstlich des Marktes,
"Silberlucken") einen Silberabbau einzurichten, doch musste dieses
Vorhaben wegen der geringen Ergiebigkeit bald eingestellt werden. Ebenso
scheiterte der Versuch, bei Beidenstein (Nähe Hofstatt) einen Kohlenabbau ins
Leben zu rufen; die Qualität der Kohle entsprach nicht. Lediglich die
Granitsteingewinnung zeigte Erfolge. So wurden Steinbrüche an der Donau und in
Ellingberg (Windpassing) eingerichtet. Heute sind jedoch alle Brüche, bis auf
den in Ellingberg, stillgelegt.
Die Franzosenzeit brachte viel Not und Leid über Neustadtl. Der
Musterlehrer Anton Schmid schildert diese traurigen Ereignisse recht
anschaulich und ausführlich in seiner Familienchronik. Heute weisen noch
Wegkreuze ("Franzosenkreuze") auf diese Zeit hin.
Das 19. Jhdt. brachte mit seinen einschneidenden Maßnahmen auch
für Neustadtl viele Veränderungen. Als Folge der Gemeindeverfassung schlossen
sich die Donaugemeinden Hößgang und Freienstein mit Neustadtl zusammen.
Der damalige Freiherr von Seisenegg, Ferdinand von Riesenfels, war
in den Jahren 1870-1873 Bürgermeister von Neustadtl; ein weiteres Zeichen guter
Verhältnisse zur ehemaligen Grundherrschaft. Zum Ausgang dieses Jahrhunderts
kam es zur Gründung und Einrichtung der verschiedensten Institutionen und Ämter
(Darlehenskasse, Freiwillige Feuerwehr, Postamt, Gendarmerieposten). In den
Jahren 1908 und 1909 weilte der Bürgermeister von Wien, Dr. Karl Lueger, in
unserer Gemeinde; sein Almenhaus (Löffellehen) befindet sich in Berghof (damals
Judenhof).
Die beiden Weltkriege forderten den Neustadtlern einen hohen
Blutzoll ab. Das Kriegerdenkmal ist ein stummer Zeuge dieser schweren Jahre.
Nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgte in Neustadtl - wie auch in vielen anderen
Orten - bald ein lebhafter Aufbau. Die verschiedensten kommunalen Einrichtungen
wurden geschaffen. Die Gemeinden der Neustadtler Platte kamen verwaltungsmäßig
zum Bezirk Amstetten; bis 1945 hatte unser Gebiet zum Bezirk Melk gehört. Mit
Wirkung vom 1. Jänner 1970 schlossen sich die fünf Gemeinden Berghof, Nabegg,
Klein Wolfstein, Neustadtl und Windpassing freiwillig zur Marktgemeinde
Neustadtl a.d. Donau zusammen. Ausschlaggebend für diesen Entschluss war der
Hauptschulbau in Neustadtl. So hat Neustadtl nach über 800 Jahren zu der
politischen Einheit zurückgefunden, als die sie im Jahre 1147 entstand.
Das Gemeindegebiet umfasst eine Fläche von
47,68 km². Die Einwohnerzahl beträgt 2.150. Von den 430 Häusern stehen im
Gebiet des Marktes 60. Die vorherrschende Siedlungsform ist das Einzelgehöft.
Das Gemeindegebiet ist in acht Katastralgemeinden unterteilt. In
wirtschaftlicher Hinsicht herrscht die Landwirtschaft vor. In den letzten
Jahrzehnten hat sich jedoch Grundlegendes geändert. Die Ergebnisse der letzten
Volkszählungen zeigen, dass die Zahl der unselbständig Erwerbstätigen ständig
zunimmt. Der Umstand, dass die Landwirte Neustadtls als Bergbauern eingestuft
sind und die Größe der einzelnen Wirtschaften über 20 ha kaum hinausgehen,
macht deutlich, dass die Erträge aus der Landwirtschaft eher kärglich zu nennen
sind. Heute beziehen bereits über 50 % der Erwerbstätigen ihr
Einkommen aus unselbständiger Tätigkeit. Man kann also kaum mehr von einer
Bauerngemeinde sprechen. Die Donauorte Hößgang und Freienstein haben ihre einstige
Bedeutung (Treidelschiffahrt) verloren.
In den letzten Jahren setzte eine
erfreuliche Entwicklung auf dem Gebiet des Fremdenverkehrs ein. Der reizvolle
Strudengau und die landschaftlichen Schönheiten der Neustadtler Platte
überhaupt sind die Grundlagen für diese Entwicklung. Immer mehr Fremde beginnen
in unserer hektischen Zeit, die Ruhe und Abgeschiedenheit unseres Gebietes
richtig einzuschätzen. Lohnende Ausflugsziele bieten sich an
(Brandstetterkogel-Schutzhütte, Hößgang mit Insel Wörth, Ruine Freienstein
u.v.a.). Schon Schweickardt rühmt in seiner "Beschreibung des Viertels
ober dem Wienerwald" 1837 Neustadtl als ein "Pfarrdorf mit einer
Aussicht nach allen Seiten, die über alle Beschreibung prachtvoll ist".
Durch private Initiative entstand vor drei Jahren in Riedbach (Nabegg) ein
Schischlepplift mit einer idealen Familienpiste. Somit erscheint die
Entwicklungsrichtung der Gemeinde für die nächste Zukunft vorgezeichnet.
Sehenswürdigkeiten:
Georgssäule: Sie ist das Wahrzeichen von Neustadtl
und entstammt dem frühen Barock. Die Säule steht auf dem höchsten Punkt des
Marktes, im Friedhof. Die genaue Entstehungszeit und ihre Herkunft ist
unbekannt. Wahrscheinlich wurde sie von der Grundherrschaft (Seisenegg) im
Jahre 1664 aufgestellt. Die Vierecksäule ist bekrönt vom Reiterstandbild des
Heiligen Georg. Auf der Säule ist die Hl. Dreifaltigkeit dargestellt. Die Säule
ruht auf einem Altartisch, sie ist von einer Marien- und einer Johannesstatue
flankiert.
Pranger: Das Denkmal der alten
Marktgerichtsbarkeit bildet heute die Säule eines Wegkreuzes auf dem
Marktplatz.
Luegerkapelle: 1938 wurde zum Gedenken an den großen
Wiener Bürgermeister, Dr. Karl Lueger, in unmittelbarer Nähe seines Stammhauses
(Löffellehen) in der Katastralgemeinde Berghof diese Gedächtniskapelle
errichtet. Sie ist dem Heiligen Borromäus geweiht.
Ruine
Freienstein: Erste
genaue Erwähnungen über Freienstein stammen aus der frühen Babenbergerzeit. Die
Burg war landesfürstliches Eigentum und gehörte mit ihrem Bereich zum
Landgericht Carlsbach. Sie wurde abwechselnd zur Nutzung ausgegeben. 1657
gelangte sie in den Besitz der Starhemberger. Heute ist die Ruine im
Privatbesitz. Sie liegt malerisch auf einem seitlichen Einschnitt des
Donautales. Noch heute ist die Weitläufigkeit der Anlage gut erkennbar.
Insel Wörth in Hößgang: Der "Hößgang" ist jener
Donauarm, der die Insel Wörth südl. umfließt. Er soll sich erst im 18. Jhdt.
gebildet haben. Die Reste der obengenannten mittelalterlichen Burg sind noch
erkennbar. Auf dem höchsten Punkt der Insel befindet sich das
"Wörtherkreuz"; es ist rund fünf Meter hoch. Auf einem Granitsockel
vor dem Kreuz steht eine Statue, die schmerzhafte Maria darstellend. Der Sockel
trägt die Jahreszahl 1552. Ruine, Kreuz und Insel sind - wie der ganze
Strudengau - sagenumwoben. 1908 sollte die Insel abgeholzt und auf ihr eine
Zementfabrik errichtet werden. Der aus Grein stammende Dichter Herndl machte
sich zum Anwalt der Insel. 1909 erwarb die Regierung die Insel und rettete so
ein schönes Fleckchen, und mit ihm wurde der gesamte Strudengau in seiner
Ursprünglichkeit erhalten.
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