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"Ein Mosthaus - ein gutes Haus" - Fortsetzung

Nr. 54 - 1. Oktober 1976 - 5. Jahrgang

"Ein Mosthaus ein gutes Haus" (Teil 2) - Fortsetzung von Teil 1
(verfasst von Ob.Insp. Hans Hintermayr, Kustos des Mostviertelmuseums in Stadt Haag)

Der Großteil der bedeutendsten Pressen wurde zwischen 1830 bis 1890 gebaut. Bis rund 1860 sind die altherkömmlichen Holzspindeln als Dreh und Druckvorrichtung bei den diversen Presstypen verwendet worden. Das händische Pressen mit den Holzspindeln - später teilweise durch eiserne Spindeln ersetzt - war eine starke Mannesarbeit. Durch die begrenzte Lagerfähigkeit der Obstsorten, speziell aber durch das mühevolle Pressen und Mahlen mussten bei großem Ernteanfall auch die Abend- und Nachtstunden zum Mostmachen genützt werden. Dies trifft wohl auch heute noch zu, bedingt durch den Mangel an Arbeitskräften.

Zwischen 186o und 1880 entstanden Pressen mit Zahnradgetrieben, Druckbäumen und gewichtigen Presssteinen. Sie waren leichter zu bedienen als jene mit den Holzspindeln und auch leistungsfähiger. Gewöhnlich arbeiteten mehrere Zimmerleute zwei bis drei Wochen hindurch an einer neuen Presse, bis sie fertig war. Es war dies nicht eine Werkstattsarbeit sondern eine Arbeit am Hof des Auftraggebers (Störarbeit). Die mechanischen Typen (z.B. die"Steinpresse"), die speziell in den Bezirken Amstetten, Haag und St. Peter verbreitet waren, sind vereinzelt auch heute noch in Funktion. Die stattlichsten Geräte, die Doppel-Druckbaumpressen, hatten eine Länge von sechs bis neun Meter und standen in der Regel samt dem Mahlgerät (Birnreibm oder Birnmühle) in der "Reibm" (Presshaus). Es gab dafür selten ein eigenes Haus (Kellerstöckl), sondern ein separierter Raum innerhalb des Vierkanters beherbergte alle Geräte zum Mostmachen. Nicht sehr gebräuchlich war es, dass die Press im Vorhaus stand.

Auch in der volkskundlichen Gestaltung samt ihrer Poesie ließen sich die Landwirte und die ausführenden Zimmerleute viel einfallen. Viele Pressen wurden durch Bild, Wort und Farbe verziert. Je nach Auftrag, Holzart (Eichen-, Eschen- oder Birnbaumholz) und handwerklichem Talent der Zimmerer erhielten sie ein schönes Aussehen. Nicht nur de Malzier- und Stanztechnik, sondern auch die Schnitzerei wurde mannigfaltig angewendet. Die Motive und die Themen waren zahlreich, ihr Inhalt teils religiös, teils weltlich. Wie die Fassbodenzier der Weinfässer durch Bildreliefs eine echte Volksfrömmigkeit ausdrückte, so geben die vielgestaltigen Mostpressen um die Mitte des 19. Jahrhunderts mit ihren geschnitzten Symbolen, Monogrammen und vershaften Bitten ein überzeugendes Spiegelbild aufrichtiger Gläubigkeit.

Neben dem Monogramm von Jesus Christus (IHS), das oft mit Herz, Flame, Dornenkrone und den drei Nägeln versehen war, sowie dem Namen der Gottesmutter - die Buchstaben in Kreis oder Rechteck ineinander gestellt - und den beliebten Ornamenten, wie Sechsstern, Sonnensymbolen und Wirbelrädern, waren viele Mostpressen mit einfallsreicher Poesie verziert Die Schrift ist oft herausgehoben oder aber in den Holzgrund eingekerbt Es gibt wenig bäuerliche Gebrauchsgegenstände, welche eine aussagekräftigere Gestaltung aufweisen als die Mostpressen!

Der Druckbaum der Zwangpresse vom Katzwimmer in Haidershofen, Jgg. 1858, 6.5 m lang, nunmehr im Mostviertelmuseum in Haag, weist folgende Bitten auf:

"O Gott, segne die Wälder und die Bäum
und alle im ganzen Haus zugleich,
damit sich ein jedes freie,
wenn ich guten Most erzeuge.

An Gottes Segen ist alles gelegen -
o Gott, wenn du keinen Most schickst,
so nützt uns Fass und Presse nichts.

Wenn Gott füllt die Bäume an,
in Gottes Namen nütz mich dann,
ich bin ja gemacht recht fein
und lass keinen Tropfen drein".

Daniel und Josefa Stöffelbauer.

Sehr oft begegnet man auch dem Hymnus: "Gelobt sei der Name Jesus und der Name Maria".

Rein weltliche Reimsprüche künden vom edlen Getränk und warnen gleichzeitig vor eventuellen Auswirkungen. Dies ist auf der Presse, Jahrgang 1864, von W. Halbmayr, Brandstatt, Meilersdorf, nunmehr im Mostviertelmuseum in Haag, folgend festgehalten:

"Sehr köstlich ist der Birn- und Apfelsaft,
den diese Presse rein und edel macht,
doch hüte dich vor viel Getränk,
sonst wird dir Leben und der Weg zu eng!"

Auf dem Mittelteil der Zwangpresse bei Dorfmayr in St. Peter/Au, Jgg. 1872, hat sich der Zimmerer mit folgendem Spruch verewigt:

"Im Jahr 1872 verfertigt von
Josef Steinbichler bin ich genannt,
der Himmel ist unser Vaterland,
die Erde unser Wohnungskreis
für diese Lebenszeit"

Aus den vielen originellen Sprüchen und der kunstvollen Verzierung kann man entnehmen, dass dieses Getränk ob seiner Gesundheit, aber auch Einträglichkeit sehr beliebt war. Es zeichnet auch den eher zur Schlichtheit neigenden Mostviertler Landwirt aus, dass er für schöne Arbeitsgeräte viel investierte. Mag sein, dass damals das Aussehen und die Größe für sein Standesbewusstsein und für den Absatz förderlich waren.

Diese farbenfrohen, vielsagenden und gewichtigen Pressen mussten ab Mitte des 20. Jahrhunderts allmählich nicht wegen etwaiger Gebrechlichkeit in den "Ruhestand" treten, sondern maschinelle und hydraulische Geräte verdrängten sie durch ihre rationellere Leistung.

Das Verblassen des einst so bedeutenden Spruches "Ein Mosthaus, ein gutes Haus" fällt zeitlich - wohl ohne ursächlichem Zusammenhang - mit dem Schwinden der volkskundlich interessanten Pressen zusammen. Der merkliche Rückgang an Erzeugung und Verbrauch hat vielerlei Gründe, die eine eigene Abhandlung verlangen. Gottlob gibt es auch heute noch viele Kenner und Liebhaber für das einstige Volksgetränk, denn bestimmte Möste munden besser als Bier und Wein und sind preislich günstiger. Unter dem vielfältigen Getränkeangebot wird der Obstmost auch zukünftig als naturreines und gesundes Getränk vor allem von Einheimischen vorrangig zu beachten sein.

Literaturhinweis: 1) L. Schmidt, Volkskunde von Niederösterreich, 1. Band


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