Nr. 51 - 1. Juli 1976 - 5. Jahrgang
Die Gemeinde Sankt Georgen am Ybbsfelde
(VD Heinrich Sattler, V0l. Emmma
Helmreich, Geistl. Rat Josef Lammerhuber)
St. Georgen am Ybbsfelde umfasst 22,87 km²
und zählt derzeit 1780 Einwohner in 375 Häusern. Es liegt im westlichen
Niederösterreich, südlich der Donau, an den Ausläufern der aus Granit und Gneis
aufgebauten "Böhmischen Masse" (Neustadtler Platte, Granitsteinbruch
in Triesenegg) und am Beginn des Voralpenlandes.
Der wirtschaftliche Pol des Ortes ist die
Molkerei (seit 1.1.1974 ein Zweigbetrieb der MIRIMI St. Pölten). Sie
beschäftigt eine Anzahl der Ortsbewohner. Jedoch nicht nur von diesem Betrieb
alleine geht alle wirtschaftliche Initiative des Ortes aus, sondern er besitzt
auch sonst verschiedenst gelagerte Arbeitsstätten. Angefangen von der
Betondeckenerzeugung bis zur Großnäherei findet ein reges Wirtschaftsleben
statt. Zur Gemeinde zählen außer der KG St. Georgen noch die Katastralgemeinden
Hermannsdorf, Krahof und Leutzmannsdorf mit vorwiegend agrarischem Charakter.
In Leutzmannsdorf befindet sich ein Sportflugplatz, dessen Frequenz andauernd
steigt.
Die Pfarrkirche, dem heiligen Georg
geweiht, ist vom Friedhof umgeben und wird von einigen Häusern, der neuerbauten
Schule und dem Pfarrhof mit dem Kulturzentrum (Pfarrheim) umschlossen. Die
dreischiffige Kirche ist spätgotischen Stils. Der mächtig vorgelagerte Westturm
deutet vielleicht auf eine ältere Anlage hin. Die innere Ausschmückung ist
vorwiegend neugotisch.
Der Ort wird urkundlich 1230 (im Babenberger
Urbar) genannt, die Kirche 1337, die Pfarre 1368 (Jahrtagsstiftung der Brüder
Friedrich und Reinprecht von Wallsee) und 1376 (Stiftung der Pfarrgemeinde für
einen zweiten Priester). Schon um 1200 wird hierorts der erste Seelsorger
(plebanus de Sancto Georgio = Leutpriester von St. Georgen) erwähnt.
Das Pfarrvikariat entstand vermutlich um
1300 und wird im Pfarrverzeichnis des 14. Jahrhunderts genannt. Im Jahre 1783
wurde die neuerrichtete Pfarre Blindenmarkt abgetrennt, im gleichen Jahre hat
man einige Seisenegger Häuser von der Pfarre Viehdorf in die Pfarre St. Georgen
umgepfarrt. Die Mutterkirche von St. Georgen war Amstetten.
St.Georgen kann auf eine lange Geschichte
zurückblicken. Eine Grabstätte mit Notenkopfkeramik und Lochbeilfunde im
Ortsgebiet deuten auf eine Besiedlung in frühester Zeit hin. Unterhalb der
heutigen Kirche führte die römische Limesstraße vorbei. Auf dem Kirchberg
befand sich einst wohl eine Wehranlage. Es dürfte dies der
"Averhilteburchstal" gewesen sein, den Gunther, der spätere Bischof
von Bamberg, 1055 vom Kaiser erhielt. Er errichtete dort eine St.
Georgskapelle. Zur Zeit der Kreuzzüge wurde der Struden umgangen, und man zog
zu Lande über das Ybbsfeld; so Konrad III. mit 70.000 gepanzerten Rittern,
desgleichen Barbarossa um 1189.
Bedeutende Kriegsschäden erlitten die
Bewohner von St. Georgen um 1529 und 1683 durch die Türken. Einige tausend
Tataren zogen in kleineren Haufen durch das Land, am rechten Donauufer
aufwärts, über Neumarkt/Ybbs gegen Amstetten und sollen in furchtbarer Weise
gehaust haben. In St. Georgen wurde die Bäuerin des Gstadtmoarhofes in
Allersdorf von den Tataren ermordet. Daran erinnert ein Türkenkreuz am
Friedhofseingang. Steuerbriefe aus der Türkenzeit im Seisenegger Archiv zeugen
von der schweren finanziellen Belastung der Bevölkerung.
Im 16. Jahrhundert war St. Georgen eine
Hochburg des Protestantismus mit sechs protestantischen Prädikanten. Sehr groß
war der Einfluss der protestantischen Herrschaftsinhaber von SEISENEGG, den sie
unter dem Vorwand der vielfach angemaßten Vogtei ausübten. Ihr Einfluss machte
sich im ganzen Gebiet zwischen Ardagger und Amstetten geltend. 1603 wurde
hierorts der letzte protestantische Pfarrer vertrieben.
Während des 30-jährigen Krieges kam St.
Georgen - außer wiederholter Einquartierungen kaiserlicher Truppen -
glücklicherweise in keine Berührung mit den streifenden Feindscharen. Aber 1741
fielen die bayerischen Truppen und die Franzosen bei uns ein, die über Wallsee,
St. Georgen, Neuarkt/Ybbs und Melk/Donau in das Tullnerfeld abrückten, wobei jedes
Mal geplündert und gebrandschatzt wurde. Schwer litt die Bevölkerung in den
napoleonischen Kriegen durch Abgaben, Einquartierungen und Durchzüge
feindlicher Heere.
Obwohl unsere engere Heimat nicht
unmittelbar vom 1. Weltkrieg betroffen wurde, so musste doch die Bevölkerung
die Auswirkungen ertragen. Um die zahlreichen Kriegsgefangenen unterbringen zu
können, entstanden viele Gefangenenlager. Eines der größten in unserem Bezirk
war das Lager "HART" östlich von Amstetten, im Gemeindegebiet von St.
Georgen. Zunächst waren hier Russen, später Italiener untergebracht. Im
Friedhof beim ehemaligen Lager liegen über 1700 Russen begraben. Bei Kriegsende
erlangte das Harter Lager traurige Berühmtheit, da es vollständig
zusammenbrach. Die hungernde Bevölkerung versuchte es nun zu plündern, und nur
die kriegsgefangenen italienischen Mannschaften und Offiziere schützten es, bis
die Amstettner Volkswehr den Schutz übernahm.
Ganz anders als im 1. Weltkrieg wurde
unser Gebiet im 2. Weltkrieg heimgesucht. Diesmal blieben St. Georgen und seine
Bevölkerung nicht vom Krieg verschont. Ein besonderes Übel bildeten die Bomben-
und Tieffliegerangriffe. Sechs Tote forderte ein Angriff auf Matzendorf und
Hart in unserer Gemeinde.
Gleichzeitig mit den zurückflutenden
deutschen Truppen gegen Ende des Krieges drang von Osten her die Rote Armee in
den Bezirk Amstetten ein und verschonte natürlich auch unser Gebiet nicht.
Abgesehen von Panzereinschüssen am alten Schulgebäude ist die Höhe des
Schadens, der in den ersten Monaten der Besetzung durch Plünderungen von Vieh,
Hausrat, Schmuck unter anderem angerichtet wurde, nicht mehr zu ermitteln.
Dynastien und Herrschaften sind gekommen
und vergangen, ohne dass sich an Land und Leuten viel verändert hat. Die Folgen
von Kriegen und Seuchen waren in wenigen Jahren überwunden. Aber jeder Acker,
der von den ersten Siedlern urbar gemacht worden ist, ist heute noch Acker.
Auch die fleißige gewerbliche Tätigkeit der Bevölkerung fand ihre Anerkennung:
Mit Landesgesetz vom 8.4.1976, LGBl. 1259-0, wurde St. Georgen am Ybbsfelde zur
Marktgemeinde erhoben. Die feierliche Urkundenüberreichung findet am 11.7.1976
statt.
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