Nr. 19 - 1. November 1973 - 2.Jahrgang
Die Donau und ihre Landschaft in unserem
Bezirk
(verfasst Dr. Leopoldine Pelzl)
Die Nordgrenze unseres Bezirkes bildet die
Donau - eine großartige Naturerscheinung, ein Ausgang der Kulturentwicklung
seit ältesten Zeiten. 776 km hat sie zurückgelegt, wenn sie bei Mauthausen in
unseren Bezirk eintritt, in einer Länge von 45 km durchfließt sie ihn und hat
bis zu ihrer Mündung noch einen Weg von 2067 km vor sich. Breit und ruhig zieht
sie dahin. Das bewirkte Menschenwerk. Ganz anders war die Donau in ihrer
Urgestalt.
In unserm Bezirk ist sie weit über 10
Millionen Jahre alt. Sie bildete sich aus der Verlandung und dem Abfluss des
Meeres, das in der Tertiärzeit unser heutiges Alpenvorland bedeckte. In einem
riesigen, versumpften Delta mündete sie damals ins Restmeer des Wiener Beckens
bei Mistelbach. Die Schotter bei Öd sind Ablagerungen dieser Urdonau. Das Meer
hatte hunderte Meter hoch abgelagert, meist Schlier. An seiner Küste entstand
der kristalline Sandstein von Wallsee. Als sich im Zuge der Alpenfaltung das
Land hob, musste sich die Donau 250 m tief einschneiden. Leicht räumte sie den
Schlier aus, dann kam sie auf den Untergrund des Meeresbodens, das Urgestein
des Böhmischen Massivs. Kein Gestein darin ist härter als der Weinsberger
Granit, aus dem es von Kollmitzberg bis Freienstein besteht. Aber die Donau musste
durch!
Erst staute der Granit das Wasser im Machland, wo die Böhmische
Masse tief abgesunken war. Endlich brach sich der Strom einen Weg, eng und
gekrümmt. Der Granit lag zertrümmert im Strombett, das tosende Wasser verfing
sich in seinen Felsen und Schluchten; so entstand der Struden, der Greiner
Strudel und Wirbel. - Inzwischen hatte sich das Klima extrem gewandelt.
Tropisch war es zur Zeit des Schliermeeres - um 700.000 kam es zur Eiszeit. Die
starre Kälte in der Tundralandschaft mag nicht wenig zum Bersten des Granits im
Struden beigetragen haben. In der älteren, kälteren Periode der Eiszeit bildete
die Donau mit ihren Nebenflüssen ein mächtiges Urstromtal auf den Höhen der
Strengberge. Die ungeheuren Massen ihrer Ablagerungen sind bis auf die Kiesel
meist verlehmt und bilden heute den fruchtbarsten Ackerboden. Die
darunterliegenden Terrassen der späteren Eiszeit sind im Donau-Ennswinkel
erhalten: tiefgründige Schotter, die heute willkommenes Baumaterial liefern und
auch die besten Grundwasserträger sind. In den letzten 15.000 Jahren nach der
Eiszeit lagerte der Strom bis zu 3m Schotter? Sand und Schlamm ab. Er zerteilte
sich im Becken zwischen Mauthausen und Ardagger in zahllose Arme; bei
Hochwasser überflutete er das ganze Becken und verlegte beim Rückzug sein
Hauptgerinne jeweils zwischen Perg und dem Steilufer unseres Bezirkes. Von der
unwirtlichen Beschaffenheit des Beckens zeugen die Namen: Machland - früher auch
der Name unseres Gebietes - "Im Ach-, d.i. Wasserland";
"Haufen" für Inseln und Auen: Sie entstanden auf Schotterhaufen;
Neuschütt; Bruch kommt von brechen; "Holler" ist verwandt mit Hüll,
and hulia = Sumpf; Marksee; Au; Albing = "Bei den Albern, d.i. Weißpappelleuten";
St. Pantaleon gilt als Helfer in Wassersnot. Meist spät und sehr zögernd
entstanden bäuerliche Siedlungen auf den geringen Schwellen des Aubodens oder
künstlichen Erhöhungen. Bei Hochwasser ging unendlich viel Hab und Gut
verloren. In einem Rhythmus von 7 - 10 Jahren wechselt Hoch- und Niederstand
des Wassers. Beim Hochstand kam es zu Überschwemmungen, 7 große allein im 19.
und 7 auch im 20. Jh. Besonders im 14. Jh. wüteten die Hochwasser. 1787 wurde
Markt Ardagger, 1897 St. Pantaleon verwüstet. Verödet sind die Siedlungen
Chop-el, Hart, Renning, Zainwörth und Zwieselkirchen im Gemeindegebiet Haag.
Eine Römerstraße entlang dem Südufer ist weggerissen. Das alte Schloss
Achleiten musste aufgegeben werden. Ehemalige Gehöfte westlich von Wallsee sind
heute überflutet. In der Hochau bei Markt Ardagger soll eine Kirche, die aus
der Karolingerzeit stammt, im Strombett liegen. Bei Niederwasser bildeten
schmale Donauarme für die Einheimischen kein großes Hindernis; so waren
seinerzeit Häuser von Hagenau und Rotau in Saxen eingepfarrt, die jetzt der
Strom von Oberösterreich trennt.
Dennoch war für unsern Bezirk der Lauf der
Donau - im Wasserdschungel der Niederung und zwischen den Felswänden des
Strudens mit ihrem Neigungswinkel bis zu 45 Grad - der beste Schutz vor
feindlichem Einbruch aus dem Norden. Zumal das Böhmische Massiv jenseits des
Stromes bis ins Mittelalter fast unbesiedelt war. Alle historischen
Wanderbewegungen von Norden her umgingen unseren Bezirk, und selbst vom
Hussitensturm und dem Einfall der Schweden im Dreißigjährigen Krieg blieb er
verschont. Gefährlich waren nur der Übergang bei Mauthausen, ferner die wegsame
Bruchlinie, die NW-SO über Saxen am Westrand des Kollmitzberges verläuft, sowie
eine weitere Bruchlinie, NO-SW über Sarmingstein zur Straße Freienstein -
Viehdorf. Dort häuften sich auch die Festungsanlagen. Sie sind heute zum
größten Teil nicht mehr erhalten. In St. Pantaleon, gegenüber von Mauthausen,
zeigt das kleine, im 16. Jh. erbaute Schloss noch die breiten Wassergräben der
einstigen Burg. Freienstein war eine Gründung der bairischen Grafen
Sempt-Ebersberg auf Persenbeug. Sie waren bis zum Aussterben des Geschlechtes
im Jahr 1045 die mächtigsten Herren in diesem Raum. Zu Ende der Babenbergerzeit
war die wichtige Festung schon in den Händen der Landesfürsten. Ihre
Wehranlagen erstreckten sich entlang der Straße nach Viehdorf bis
Klein-Wolfstein. Ihr Burgbezirk reichte bis Neumarkt an der Ybbs und Ardagger.
Jederzeit konnte sie den Donauverkehr sperren. Das benützten die Burgleute wohl
auch, um von den Schiffen ungerechtfertigte Abgaben zu erheben. - Auch der
Struden bot bei der Insel Wörth einen bequemen Übergang, wenn der Fluss dort
vereist war, und das war häufig der Fall: (etwa 1829 - 1870 23mal 1 - 81 Tage,
im Durchschnitt 10 Tage). Befestigungen weisen dort bis auf die Zeit 1200
v.Chr. zurück, namentlich bei dem nun gesprengten Hausstein; später waren dort
vier Burgen, die auch der Sperre der Fahrtrinne dienten.
Die Römer machten die Donau zur Nordgrenze
ihres Reiches und sicherten sie durch eine Flotille, Signal-, später Wachttürme
(erforscht bei uns bisher nur der von Engelberg) und im Machland durch ein
Kastell für eine 500 Mann starke Hilfstruppe in Wallsee. Nach den
Markomannenkriegen wurde jenseits der Donau ein 7 km breiter neutraler
Grenzstreifen eingerichtet. Übermächtig lockten die Reichtümer der römischen
Welt die germanischen Barbaren an! Damals blieb unser Bezirk nicht frei von
feindlichen Einfällen, wie die vergrabenen Münzschätze von Klein-Erla (um 140
n.Chr.) und Ennsdorf (um 270 n.Chr.) vermuten lassen. Das Kastell Wallsee wurde
in der Mitte des 2. Jh. zerstört, vielleicht in den Markomannenkriegen. Im Ganzen
war aber doch hier bis zur Völkerwanderungszeit ein Raum des Friedens und
Wohlstandes.
Eine Limes-(=Grenz-)straße begleitete in
der Römerzeit die Donau in mehreren Trassen, sie war großartig angelegt und
gebaut. Gerade durch sie kam es in der Völkerwanderungszeit zur völligen
Verheerung des Landes bis zur Voralpenkette. Denn die Wanderscharen der Germanen
aus Ost und West und die Hunnen benützten vorzüglich diese Straße und
plünderten und brandschatzten ringsum. Entlang dieser Straße, die dann strata
publica, Königs- oder Hochstraße hieß, vollzog sich aber auch der von Westen
kommende Wiederaufbau im Mittelalter.
Wichtiger war jederzeit der Wasserweg der
Donau selbst. Er ist älter als jede Straße zu Lande. Ein Depotfund in Wiesen
erlaubt den Schluss, dass man seit mindestens 3200 Jahren Fernfahrten
unternommen hat. Auch war der Wasserweg der Straße immer überlegen. Denn ein
Schiff fasst ungleich mehr, als ein Wagen oder gar ein Träger oder Lasttier
befördert (ein "Kehlheimer" bis zu 40 Wagenladungen); der Transport
mittels Ruderschiffen war trotz vieler Hindernisse im Strombett drei- bis
viermal schneller als auf der Straße. Zudem verfielen die Römerstraßen, ohne dass
man bis ins 11. Jh. neue geschaffen hätte, und nachher blieb der Straßenzustand
bis ins 18. Jh. elend. Freilich war der Schiffsverkehr ungleich mehr mit
Mautgebühren belastet. An unserm Ufer gab es keine rechtmäßige Maut. Das
älteste Fernfrachtgut dürfte auf der Donau das unentbehrliche Salz gewesen
sein, es wurde zuerst aus Bayern und Salzburg, ab 1400 aus Gmunden und Aussee
eingeführt. In Enns und Wallsee durfte es in mittelalterlicher Zeit entladen
werden und kam auf dem "Ennser Flötzersteig" (Enns-Aschbach) und der
"Salzstraße" (Wallsee-Öd-Aschbach) in unseren Bezirk. Donauabwärts
gingen ferner große Mengen von Holz und Holzwaren.
Vor dem Aufkommen der Bergfahrt zerlegte man am Ziel auch die Schiffe
und verkaufte sie als Holz. Seit dem 12. Jh. waren die Flöße mit steirischem
Eisen und mit Eisenwaren, meist Messern, beladen. Aus Süddeutschland brachten
Kaufleute Tuch und Tuchwaren, später überseeische Gewürze und die mannigfachen
Güter der aufkommenden Industrie Westeuropas. Schließlich verfrachtete man
große Mengen von Pflastersteinen aus Mauthausener Granit. - Erst im 14. Jh. kam
auf der Donau der kostspielige Gegentrieb, die Bergfahrt, auf: Zuerst Menschen,
dann Gespanne von 9 - 60 Zugtieren schleppten die Schiffe auf dem Treppelweg
stromaufwärts. Heute dient der Treppelweg zur Kontrolle der Uferverbauung. Bis
gegen Ende des 17. Jh. gingen Unmengen von Wein ins heutige Deutschland. Nicht
minder wichtig war der Getreidetransport nach dem Westen. - Die größte Zeit des
Personenverkehrs auf der Donau war die Epoche der Kreuzzüge. Denn diese
bestanden nicht nur aus den wenigen allbekannten großen Fahrten, sondern es war
ein dauernder, manchmal stärkerer, manchmal geringerer Strom von Einzelunternehmungen
gegen das Heilige Land gerichtet. An der Donau brachte er einen
wirtschaftlichen Aufschwung sondergleichen, es war die Blütezeit der Siedlungen
am Strom.
Die eindrucksvollsten Ereignisse waren der Durchzug des Zweiten
und Dritten Kreuzzuges unter Führung der deutschen Kaiser, Konrad III. und
Friedrich Barbarossa; Fürsten und vieltausend Ritter nahmen daran mit ihrem Tross
teil, alle herrlich gerüstet. - Seit 1696 gab es einen geregelten Verkehr mit
"Ordinarischiffen", 1838 trennte man den Personen- und Lastverkehr.
1837 kam von Wien herauf das erste Dampfschiff, und 1838 begann der regelmäßige
Dampfschiffverkehr. Noch in der ersten Hälfte des 19. Jh. war unsere Strecke
stark befahren. In Linz passierten jährlich 200.000 Zentner stromabwärts und
300.000 Zentner Stromaufwärts. Mit dem Bau der Westbahn 1858 - weniger der
Donauuferbahn - schien die Wasserstraße zu veröden. Doch heute trägt sie wieder
den internationalen Schwerst- und Massentransport: Kohle, Holz, Bausteine und
Baustoffe, Erze und Düngemittel. Durchschnittlich fördert gegenwärtig 1 PS auf
der Schiene 500, auf dem Wasser aber 4000 kg. Die Schiffe haben durchwegs
Dieselantrieb. 10 - 12 Lastschiffe durchfahren im Tag unsere Strecke. Der
Personenverkehr gewinnt durch die Type des Tragflügelbootes neue Impulse, es
besitzt die hohe Geschwindigkeit von 60 km/h.
Das schwerste Hindernis der gesamten
Donaufahrt mussten die Schiffer in unserm Bezirk bewältigen: den Strudel und
Wirbel. Das Wasser toste und schäumte um die Felsenriffe des Strudels, das
"Gehachelt', dann prallte es auf den gewaltigen Felsen des Haussteines und
drehte sich in rasendem Wirbel mit einem Trichter von 1,5 m Oberflächentiefe.
Bei Niederwasser verunglückten die Schiffe im Gehachelt, bei stärkerem
Wassergang gerieten sie in den Wirbel; die Trümmer trieben in der
Freithofslacken am jenseitigen Ufer an. Ohne Lotsen kam man nicht durch die
Gefahr. Dreimal musste ein Schiff auf der Bergfahrt das Ufer wechseln. Betend
durchfuhr man Strudel und Wirbel. Wenn sich aber der Schwarze Mönch auf den
Felsen zeigte, war das Schiff verloren." Vom Gipfelstein in der Gemeinde
Neustadtl schaut man hoch auf den Strudel hinab. Dort befand sich in
prähistorischer Zeit eine Opferstätte. Eine andere war in Innerzaun, auf der
Höhe des Kollmitzberges. Hier konnte man den Strom überblicken und zutiefst
erleben: seinen schimmernden Lauf bis hinauf zum Luftenberg; die stillen Arme
die die Auen tränken; die verderbliche, beckenfüllende Flut des Hochwassers und
die Urgewalt des Elements im Durchbruchstal. Auf dem Grund des Strudels fanden
sich bei der Regulierung zahlreiche römische Münzen mit denen die Schiffer dem
Stromgott opferten. Noch bis ins späte Mittelalter wurden im Struden über Bord
Gefallene nicht gerettet, weil der Stromgott sein Opfer haben musste. In christlicher
Zeit baute man dem hl. Nikolaus, dem Beschützer der Schiffer, Kirchen in
Mauthausen; vermutlich in der Hochau, vor dem ersten Hindernis, dem
Katzenstein; in Hofkirchen bei Saxen, Markt Ardagger und St. Nikola. Bis 1913
wurde nach geglückter Durchfahrt eine Geldspende für das Schifferspital in St.
Nikola eingehoben, an unserm Ufer zwischen Tiefenbach und Sand. In den Romanen
"Ahnung und Gegenwart" und "Witiko" beschrieben Eichendorff
und Stifter die Fahrt durch Strudel und Wirbel. Im 16. Jh. unternahm man einen
ersten, völlig unzureichenden Versuch, das schreckensreiche Hindernis zu
beseitigen; vieljährige Bemühungen unter Maria Theresia und Joseph II. brachten
einige Erfolge. Unter Kaiser Franz Joseph gelang die Regulierung nachdem das
Brautschiff mit Kaiserin Elisabeth beinahe verunglückt wäre. Der Hausstein und
die Felsen im Gehachelt wurden gesprengt. Völlig gefahrlos ist die Fahrt durch
den Struden erst seit dem Stau für das Kraftwerk Persenbeug.
Der Verkehr wich, wo es ging, dem Struden
durch den Landweg aus. Dieser ging auf unserer Seite von Markt Ardagger nach
Ybbs; er führte meines Erachtens nicht über Amstetten, wohin die Straße erst um
1870 angelegt wurde, sondern auf einer Altstraße über Viehdorf und Seisenegg,
geschützt durch diese beiden Burgen. In der Zeit der Kreuzzüge dürfte Salvetär,
Gemeinde Zeillern, ein Anlegeplatz gewesen sein. So berichtet die Tradition,
und das besagt auch der Name: Salvaterra, das heißt "Gesichertes
Land". Bis 1734 war nämlich die Fahrtrinne bei Wallsee an unserm, dem
südlichen Ufer. Wohl an ihr entstand Empfing, die älteste Siedlung. Ihr Name,
"Ansiedlung des Ampho", machte schon den ersten I-Umlaut (A wurde zu
E) mit, der vor oder um 750 eintrat.
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