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Gemeinde Viehdorf

Nr. 121 - 1. Mai 1982 - 11. Jahrgang

GEMEINDE VIEHDORF
(verfasst von OSR Alfred WERNER)

1) Geographische Lage und Gliederung

Die Gemeinde Viehdorf erstreckt sich über eine Fläche von 1579 Hektar. In derzeit 200 Häusern wohnen 1.025 Menschen. Die Gemeinde besteht aus einem Hügelland, das sich bei Viehdorf plateauförmig auf 358 m erhebt, gegen Nordosten aber allmählich abfällt. Südöstlich liegt der Haubenberg, der zum Ybbsfeld ziemlich jäh abfällt. Das bedeutendste Gewässer ist der aus der Gegend von Neustadtl kommende Seiseneggerbach, der von der Blumaumühle bis Seisenegg die östliche Gemeindegrenze bildet. Bei Seisenegg windet er sich durch ein schluchtartiges Tal und fließt zu einem Arm der Ybbs (Mühlbach). Der Holzbauernbach (Altbach) hingegen fließt zur Donau.

Die Ortsgemeinde Viehdorf besteht aus den drei Katastralgemeinden:
a) Hainstetten (nordöstlicher Teil der Gemeinde) mit den Ortschaften Hainstetten, Reikersdorf und Schiltdorf
b) Seisenegg (südlicher Teil der Gemeinde) mit den Ortschaften Atzelsdorf, Grub, Haubenberg, Obernhof und Sippenberg
c) Viehdorf (westlicher Teil der Gemeinde) mit den Ortschaften Berging, Ennsfeld und Hochholz

2) Historischer Werdegang

Im Raum von Viehdorf lag einst ein sehr wichtiger Straßenknotenpunkt: Hier trafen die wahrscheinlich römische, sicher aber frühest-mittelalterliche "Hochstraße, über Oed kommend, mit dem "Herfurt" zusammen. Herfurt bedeutete Heerstraße", Hauptstraße, sie umging, von Ardagger kommend, den gefährlichen Donauweg im Struden als Landstraße. An ihr lag der wehrhafte Sitz Herfurt, dessen Nachfolger Edthof ist. Genau am Zusammentreffen der Hochstraße mit dem Herfurt befand sich auch ein wehrhafter Sitz, mit dem uralten Namen Ennsfeld (Enzenfeld). Von sehr hohem Alter ist auch der Ort Viehdorf, denn er zeigt die älteste Siedlungsforrn, das ohne besonderes Ordnungsprinzip entstandene Haufendorf. Die beiden Namen Viehdorf und Schiltdorf lassen auf einen alten, sehr bedeutenden Wirtschaftsbetrieb schließen.

"Viehdorf" war für die Zeit vor 955 der Name eines viehzüchtenden Großbetriebes, Schiltdorf ein Betrieb, der Schilde erzeugte. Die Schilde bestanden aus einem festen Holzrahmen, der mit Leder überzogen wurde. Die Häute für das Leder wird man aus dem benachbarten Viehdorf bezogen haben. Der Mettener Historiker W. Fink nimmt an, dass das niederbairische Kloster Metten, welches von etwa 900 bis zum Ende des 18. Jahrhunderts in Eisenreichdornach begütert war, mit seinem Grundbesitz ursprünglich bis an die beiden oben genannten Straßen grenzte und diesen kombinierten Großbetrieb aufgezogen hat. Als das Kloster Metten vom 10. bis 12. Jahrhundert "Kommende" der bayerischen Herzöge war, d. h. dass diesem das Klostergut überantwortet wurde, erlitt es schwerste Verluste, denn der Herzog gab die Güter an Adelige aus, die er dafür zu Kriegsdiensten verpflichtete. Damals mögen Viehdorf, Hainstetten, Seisenegg, Reikersdorf und Schiltdorf Adelsgüter geworden sein, von denen sich die drei erstgenannten mit großem Grundbesitz länger behauptet haben.

Ein Adelsgeschlecht der Viehdorfer starb erst um 1500 aus. Man zeigt in Viehdorf den Platz, wo einst deren Wasserschloss gestanden sein soll. Die Viehdorfer gründeten im Ort die Kirche, sie war aber nur eine Filialkirche von Amstetten. Das Schloss Hainstetten besteht noch als prächtiger Renaissancebau. Seine Besitzer wechselten stark. Vor etwa 50 Jahren erwarben die Schulschwestern von Amstetten das große Gut als Alterssitz der Schwestern und zum Betrieb einer Ökonomie.
Am bedeutendsten wurde die Veste Seisenegg. Sie vermochte vor der Klamm des Seiseneggerbaches die Umfahrungsstraße des Strudengaues zu sperren. Genaueres wissen wir von ihrer Geschichte aber erst ab der Mitte des 13. Jh. Das große Adelsgeschlecht der Wallseer setzte sich, kaum dass es nach Österreich gekommen war, in den Besitz der Veste (1303). Nun wurde Seisenegg der Sitz eines Landgerichtes, das im östlichsten Teil des Bezirkes Amstetten die Schwerverbrechen abzuurteilen hatte. Der Galgen stand an der Reichsstraße, im Galgenlüß. Unter den späteren Besitzern sind besonders die Freiherren von Greiffenberg wichtig. Sie machten das ihnen untertänige Viehdorf durch die Förderung einer evangelischen Schule und den Bau des Pfarrhofes im 17. Jahrhundert, zu einem Bollwerk des Protestantismus. Im Pfarrhof wirkten zwei Geistliche, sie hatten auch die Belange der Protestanten im nahen Markt Amstetten wahrzunehmen.

Die Folge war, dass Viehdorf erst 1775 ein eigener katholischer Pfarrer zugestanden wurde. Das Schloss Seisenegg war unter den Greiffenberg ein Zentrum hoher evangelischer Adelskultur. Katharina Regina von Greiffenberg, eine begnadete Dichterin, schrieb geistliche Sonette. Unter dem Druck der siegreichen Gegenreformation wanderte sie 1680 nach Nürnberg aus. Es folgten in Seisenegg als Besitzer die Freiherren von Riesenfels. Sie bauten das Hochschloß in seiner heutigen Gestalt aus und ewarben dazu einen höchst umfangreichen Grundbesitz. Der ging 1848 durch die Bauernbefreiung verloren. Zur selben Zeit verlor Seisenegg durch die Verstaatlichung der Gerichte seine Gerichtsbarkeit. Um die Hebung der bäuerlichen Wirtschaftskraft machte sich in der 2. Hälfte des 19. Jh. eine angesehene Landwirtschaftsschule in Edthof sehr verdient.

Aus der Kirche sind um 1880 die barocken Kunstwerks entfernt worden. Dafür wurden ganz primitive Altäre aufgestellt. Die Kirche machte einen ärmlichen Eindruck. Durch eine Renovierung wurde sie zu einer der schönsten im Bezirk. Die Pfarrgemeinde kam für die Innenrenovierung auf, die Diözese für die äußeren Arbeiten, Der Altarraum wurde der neuen Liturgie angepasst, ein Querschiff mit einem Vorraum und einem Beichtzimmer aufgeführt, ebenso eine moderne Taufkapelle.

1975 wurde ein moderner Schulbau geschaffen, in dem auch ein Kindergarten untergebracht ist. Weiters steht der Jugend ein Sportplatz zur Verfügung.

3) Kulturelles Leben der Gegenwart

Die Träger des kulturellen Lebens sind die Schule, der Kirchenchor und eine Musikkapelle. Die kirchlichen Feste geben Gelegenheit, altes Brauchtum zu pflegen.

Ausflugsziele:
Seisenegg und Viehdorf sind beliebte Ausflugsziele für viele Amstettner, da diese Ortschaften bequem auch zu Fuß erreichbar sind.


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