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Die St. Agatha Kirche in Eisenreichdornach

Nr. 4 - 1.8.1972 - 1. Jahrgang

Dr. Leopoldine Pelzl: ST. AGATHA - EISENREICHDORNACH

Nichts regte die Phantasie der Menschen im Amstettner Raum mehr an als das alte Agathakirchlein, das so unbegreiflich zwischen den Bauernhäusern von Dornach und Eisenreichdornach stand. Es war dem Verfall preisgegeben; im Innern verstaubter Prunk; erschreckend auf dem großen Hochaltarbild das Martyrium der hl. Agatha.- Das Volk umspann die Agathakirche mit einer herben Sage; Erinnerungen aus allen möglichen Epochen - ihre vermutlichen Jahreszahlen stehen in den Klammern - sind in der Sage verwoben: Der Graf von Eisenreichdornach (9. Jahrhundert) verschmäht die Tochter der reichen Freidegger (Glanzzeit um 1600) und heiratet deren arme, schöne, gute Verwandte, Agathe. Am Hochzeitstag wird sein Schloss vom Raubritter Scheck vom Walde (15. Jahrhundert) überfallen, der Graf getötet. Um das reiche Erbe zu gewinnen, verschleppen die Freidegger Agathe auf den öden Kollmitzberg, um sie zu ermorden. Der alte Graf von Karlsbach (16., 18. Jahrhundert?) rettet sie. Zum Dank errichtet Agathe die Kirche auf dem Kollmitzberg und für ihren toten Gemahl das Agathakirchlein (10. Jahrhundert).

Die wahre Geschichte ist indes auch hart genug. Eisenreichdornach schien berufen, ein kultureller Mittelpunkt zu werden, und war es auch seit frühesten Zeiten. Es ist vor allem klimatisch begünstigt. Nach den Verwüstungen der Völkerwanderung führten mächtige Herren, Kolonnen von untertänigen Jungbauern aus Süddeutschland herein. Ein Îsanrîch -"Eisen-d.i. Waffenreich"- machte Eisenreichdornach zum Zentrum eines weiten Besitzes. Entstammte er der damaligen Markgrafen-Familie, oder war er der Sohn König Arnulfs von Bayern? Beide lebten im ausgehenden 9. Jahrhundert Îsanrîch wird der Gründer der Burg gewesen sein, die auf der Anhöhe im Osten des Weilers stand und deren eingesunkene Palisadenwälle noch heute den bewaldeten Abhang durchziehen. Dornengestrüpp -"Dornach"- dürfte die Bauernhöfe zu Füßen der Burg vor den häufigen Feindüberfällen der damaligen Zeitgeschützt haben. Durch Empörung gegen den König kam es bei beiden Îsanrîch zu Güterverlust. In den späteren Jahrhunderten finden wir das niederbairische Kloster Metten in Besitz und Pflege der Herrschaft Eisenreichdornach. Die Güter lagen im Raum Dornach - Gschirm - Viehdorf - Leutzmannsdorf. Jeder neugewählte Abt kam nach Eisenreichdornach, um sich von den Bauern huldigen zu lassen.

Sogleich, vor etwa 1000 Jahren -so hat der Bautenhistoriker Univ. Prof. Dr. Klaar festgestellt- schufen die Mönche einen kirchlichen Mittelpunkt: Auf einem Tuffsteinhügel, umgeben von schützenden Sümpfen, freistehend, wie es sich für eine Kirche mit Friedhof geziemte, entstand die Kirche St. Agatha. Die Heilige genoss zu dieser Zeit hohe Verehrung. Meistens waren die Gotteshäuser damals bloße Holzbauten. St. Agatha aber wurde in Stein aufgeführt, mit großen Felsbrocken in der Grundfeste und Geröllsteinen der Ybbs im aufgehenden Mauerwerk. Kloster Metten hatte also mit seiner Kirche Großes vor. Doch niemals erhielt sie Pfarrechte. Sie besitzt keinen Taufstein, es finden sich Begräbnisstätten. Die Pfarre war zunächst in Winklarn. Bald erstand Metten in unserm Raum ein übermächtiger Gegner: der Bischof von Passau, geistlicher Herr an der mittleren Donau.



Im 11. Jahrhundert gründete er die St. Stefanskirche in Amstetten, sie erhielt von Winklarn die Pfarrechte. Auch schuf er sich dort eine "Amtsstätte", eine Güterverwaltung, die mehr und mehr. Grundbesitz an sich zog. Das hat dem Kloster Metten gewiss starke Einbußen gebracht. Und von da an ging es mit der Herrschaft Eisenreichdornach bergab. Einen schweren Stand hatte das Kloster überdies mit seinen Vögten. Es waren meistens die Herren von Seisenegg, die Kuenringer, die Wallseer. Sie trachteten nur, die Mettener Güter an dich zu bringen. Das gelang ihnen auch immer besser, seitdem ab dem 15. Jahrhundert kein Mönch mehr ständig in Eisenreichdornach lebte, um die Herrschaft zu verwalten. Doch für ihre Kirche taten die Geistlichen, was sie vermochten. Nach 400 Jahren war der karolingische Bau restaurationsbedürftig. Nun sollte er ein Gewölbe bekommen, wahrscheinlich mit einem freistehenden Pfeiler inmitten des Langhauses. Doch die alten Mauern waren zu schwach, und man gab auf. Den Gewölbeansatz und die Risse in der Mauer kann man noch über dem Eingangstor sehen. Anstelle der Luken des ersten Baues kamen gotische Spitzbogenfenster. Auch der Turm wurde ausgebaut.

Gegen Ende des 15. Jahrhunderts war der Amstettner Raum schweren Feindeinwirkungen ausgesetzt: den Angriffen des Ritters Fronauer, der den Kaiser Friedrich III. ankämpfte, und der Eroberung des Ungarnkönigs Mathias Corvinus. Damals brannte auch die Agathakirche nieder. Abt Oswald I. nahm die Zerstörung zum Anlass, anstelle des alten Kirchleins ein großes Gotteshaus in gotischem Stil zu errichten. 1513 konnte ein herrlicher Altarraum eingeweiht werden, ein Glasfenster, das der Abt zum Andenken stiftete, berichtet es uns. Dann stockte der Bau, denn das Geld war ausgegangen. Der Abt hatte sogar mit dem damaligen Vogt, dem Emporkömmling, Andreas Krabat von Lappitz, Herrn auf Seisenegg, einen unseligen Vertrag geschlossen: Die Vogtei sollte erblich sein. Lappitz kam dadurch praktisch in den Besitz der ganzen Herrschaft Eisenreichdornach. Durch zwei Jahrhunderte musste das Kloster gegen diesen Vertrag prozessieren und verlor nur noch mehr Vermögen.

In den Stürmen der Reformationszeit war an einen Kirchenbau ohnehin nicht zu denken. Schließlich siegte der katholische Glaube, und die Kirchen wurden überall neu ausgestattet, in der rauschenden Pracht des Barocks. Am Beginn des 18. Jahrhunderts erhielt auch St. Agatha drei kostbare Altäre und eine Kanzel. Bairische Künstler schufen sie im Auftrag des Abtes Roman II., auf der Donau wurden sie herabgeschifft. Von der alten Einrichtung der Kirche blieben nur das Gestühl und einige gotische Figuren, die heute hohen Wert besitzen.

Als das Kloster an seinen Schulden erstickte, erklärte Kaiser Josef II. 1788 den Mettener Besitz in Eisenreichdornach verfallen. Der Herr von Riesenfels erwarb ihn und gliederte ihn seiner großen Herrschaft Seisenegg ein.

Das Schloss Eisenreichdornach war damals schon längst zerfallen. Wir besitzen kein Bild von ihm. Granitblöcke auf dem Platz, wo es sich einst erhob, vielleicht ein Torsteher an der Preinsbacherstraße, der als Pestmarterl dient, und ein wunderschöner granitener Türstock mit dem Mettener Lilienwappen im Hause Duda sind die letzten Zeugen seines Bestandes. Das Kirchlein war seit dem Abzug der Mönche vollends zwecklos geworden. Doch unberührt bewahrte es seine Schätze. Kein Kunsthistoriker wusste von ihm. Erst jetzt hat man beglückt seine ehrwürdige Schönheit entdeckt. Es wird mit hohen Kosten renoviert und zu neuem Dasein berufen: als Gotteshaus von Amstetten, das Eisenreichdornach einst den Rang abgelaufen hat.





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