Die Lage des flachen Landes um Wien und von Unter-Österreich, vor, während und nach der zweiten türkischen Belagerung 1683
In "Österreichische Zeitschrift für Geschichts- und Staatskunde" gibt es einen interessanten Bericht über die Zeit um die Türkenbelagerung und das Leben und die Leiden der Bevölkerung
Die Lage des flachen Landes um Wien und von Unter-Österreich, vor, während und nach der zweiten türkischen Belagerung
(von Joseph Scheiger, 1835)
Wiens zweite Belagerung war ein für Europa so wichtiges
Ereignis und von so außerordentlichen Umständen begleitet, dass es uns nicht
wundern darf, eine bedeutende Büchersammlung aus den in mehreren Sprachen
geschriebenen Beschreibungen derselben gebildet zu sehen. Daher muss es umso
mehr befremden, dass noch bis heute eine ausführliche, raisonnierende, den
Forderungen der Kriegswissenschaft und Kriegsgeschichte genügende Darstellung
derselben nicht geschrieben worden – ein Unternehmen, welchem jene zahlreichen,
teils unvollständigen, teils unrichtigen, meist sehr einseitigen Schilderungen
höchstens als Quellen und Hilfsmittel gegenüberstehen.
Eben die Wichtigkeit und Deutwürdigkeit jener Belagerung
scheint der Grund, warum in den meisten gleichzeitigen historischen Schriften
höchst oberflächlich über die schweren Leiden des flachen Landes zu jener Zeit
gesprochen wird, - in denen sich herrliche Züge entwickelten, - in denen sich
trefflicher Stoff zu den anziehendsten Betrachtungen bietet. Während die Türken,
und vorzüglich die Tartaren, ihre Gräuel von der ungarischen Grenze Österreichs
beim Einfluss der March in die Donau bis hinauf über Melk, und von der
ungarisch-steirischen Grenze bei Hochneukirchen bis tief ins Gebirge nach
Klein-Mariazell und gegen Waidhofen an der Ybbs trugen, und Monate lang den
ungeheuren Raum zwischen diesen beiden Linien verheerend durchstreiften,
scheint es bei Durchlesung jener gleichzeitigen und selbst späterer
Geschichtswerte, als hätte sich das Unheil auf die Gegenden von Hainburg, Bruck
an der Leitha, und besonders von Wien beschränkt. – Wer mehr und Näheres wissen
will von jener furchtbaren Raubfurie, der muss mühsam die Daten aus
Spezial-Chroniken, Volkssagen, Kirchenbüchern und ähnlichen Urkunden,
Inschriften usw. zusammentragen. (Schramm’s Melkerchronik, Herzog’s Cosmogr.
Franciscana geben vorzugsweise sehr anziehende, leider aber auch nur auf
Örtlichkeit beschränkte Nachweisungen.)
Was nun der Schreiber dieser Zeilen auf solchem Wege
gesammelt, in einem gedrängten, übersichtlichen Auszuge zu geben, ist der Zweck
dieser Untersuchung. – Sie beabsichtigt nicht, die Missgriffe zu beleuchten,
welche dem Erbfeind den Eingang in das, mit Ausnahme Wiens, von seiner Festung
beschützte, von Truppen entblößte Land öffneten – noch weniger weitausgreifend
des Krieges Ursache und Anbeginn zu schildern. Ihr Schauplatz ist der oben
beschriebene Landesteil; die Zeit der Tragödie jene vom Einmarsch der Türken in
Österreich bis nach dem Entsatz von Wien (Juli bis Oktober 1683) – doch muss der
Vollständigkeit wegen auch auf etwas spätere Zeiten Bedacht genommen werden.
Die Lage des Landes beim Einbruch des feindlichen Heeres
schien trostlos. Die wenigen regulären Truppen, kaum 30.000 Mann, waren
größtenteils mit dem Herzoge von Lothringen auf dem kürzesten Wege von Hainburg
gegen Wien im Rückzuge begriffen, oder in Wien. Sehr kleine Abteilungen dieser
Macht, welche 300.000 Türken abhalten sollte, waren im Lande zerstreut –
namentlich in Neustadt, St. Pölten, bei Tulln usw. – Auch von diesen noch
suchten anfangs manche das Hauptheer zu erreichen, um den Ruhm der Verteidigung
Wiens zu teilen.
Während der Kern der türkischen Truppen dem Kaiserlichen
Heere auf dem Fuße folgte, ergoss sich seitwärts nach allen Richtungen das
furchtbare Volk der Tartaren über die schutzlosen Fluren.
Die Dauer der Belagerung änderte wenig an der Lage des
übrigen Landes, zumindest nicht zum Vorteile. Nur das Marchfeld und die
Gegenden des linken Donauufers entlang aufwärts genossen den Schutz lagernder
Heeresabteilungen, den sie mit schweren Opfern zahlten; dem übrigen Lande war
keine Hilfe gebracht.
Das Bild, welches wir nach gleichzeitigen Quellen von den
Tartarenhorden entwerfen können, sieht beim ersten Anblick nicht so furchtbar
aus. Ganz aus Reiterei bestehend, erscheinen sie schon dadurch als eine
einseitige, in lokale Schranken gedämmte Macht. Schlecht bewaffnet und ohne
alle regelmäßige Kriegskunst waren sie wirklich am besten zum Verwüsten und zum
Raub, kaum zum ernsten Angriff, am wenigsten aber zu anhaltendem Kampf, zu
standhafter Gegenwehr geeignet. (Wirklich erzählt uns die Geschichte jener Zeit
kein Beispiel, dass Tartaren eine wahrhaft feste, gut verteidigte Position
genommen, oder sich in einer solchen, deren sie genug verlassen trafen,
festgesetzt und gewehrt hätten.)
Die ganze Bewaffnung des Einzelnen bestand meist nur aus
einer langen dünnen Lanze (Ropie) – nur wenige führten außer ihr noch Bogen und
Pfeile, noch wenigere Säbel. – Fand man bei einem der damals getöteten Feinde
bessere, vollständigere Waffen, so war es sicher ein Türke, deren Streitkorps
oft jenen Eclaireurs folgten. – Feuergewehre besaßen die Tartaren beinahe gar
nicht –ja sie fürchteten es mehr als irgendeine andere Waffe. – Ihr Feldgerät
war gering, Brandzeug, ein Bund Stricke, um die Gefangen zu koppeln, eine
Peitsche, um sie zu treiben, - die Urt, ihr Hauptschlüssel, - eine
Kürbisflasche, und ein Futtersack, der zugleich die Beute aufnahm.
Geschütz nahmen sie, seines Gebrauches wenig kundig, ihn
sogar scheuend, und weil die schweren Maschinen ihre Züge im flachen Land
erschwert, im Gebirge vollends gehemmt hätten, beinahe nie mit. Selbst vor
Neustadt, dessen Ruf sie lockte, dessen Stärke sie achteten, erschienen sie mit
einer einzigen, freilich großen, von vierzig Büffeln gezogenen Kanone.
Auch einige Schlösser in der Umgebung Wiens sahen türkisches
Geschütz vor ihren Mauern, dass aber nicht den Tartaren angehörte, sondern von
der Belagerungs-Artillerie detachiert war. – Eigentliche Operationspläne
kannten diese Horden nicht. In Parteien von mehreren Tausenden, Hunderten, aber
auch zu Zehnen und selbst Paarweise ritten sie aus dem Lager überall hin, wo
ihnen nicht geregeltes Kriegsvolk in den Weg trat, folgten den Straßen und
Fußpfaden, oft auch dem aufwärts führenden Bette der Bergwässer – ihre Augen
auf Schlösser, Herrenhäuser, Kirchen und verborgen liegende Orte hauptsächlich
werfend. – Ihre Standlager scheinen absichtlich von jenen der Türken getrennt
gewesen zu sein, eines war sogar in Königsstetten, weit von Wien, vom
Belagerungsheere durch das uneroberte Klosterneuburg getrennt, in ziemlich
unsicherer Vorpostenstellung. – Fliegende Lager während der Streifzüge hielten
sie ohne kriegerische Vorsicht zwischen dampfenden Ruinen oder auf dem weiten
Blachfelde.
Die Frage, wie so schlecht bewaffnetes, aller Kriegskunst
baares Gesindel so verheerend zu wirken vermochte, ist natürlich. – Wir glauben
nicht zu irren, wenn wir einen Hauptgrund seiner Furchtbarkeit in der
Beschaffenheit seiner Rosse suchen. Es mag befremdend klingen, aber unsere Quellen
bestätigen es. – Diese kleinen, leichten Tiere von seltener Schnelligkeit und
Ausdauer im Laufe, wenig Pflege bedürfend, durchschwammen mit ihren Reitern
reißende Ströme, wanden sich durch das Dickicht verwachsener Wälder, und, was
den nur an den schweren Landpferdeschlag gewohnten Bauern beinahe ein
bedrohliches Teufelswerk schien, sie kletterten das Gerölle des Hochgebirges,
steile Abhänge, glattes Felsengeschiebe, wo kaum ein menschlicher Fuß haftete,
sicher und rüstig hinan. (Selbst
Gelehrte, wie der Benediktiner Schramm, staunten über die seltene
Gewandtheit der tatarischen Rosse. –
Übrigens mussten doch im Gebirge die Tartaren bisweilen mit Zurücklassung ihrer
Pferde fliehen, wie dies z.B. im Prellthale, zwischen Waidhofen und Opponitz,
der Fall war, wo die Bauern 300 Rosse erbeuteten).
Auch ihre Kriegsweise (Kunst darf man sie kaum nennen)
machte diese Barbaren zu furchtbaren Feinden. Schnell vorbrechend und bis in
die abgelegenste Gegend dringend, wirkten sie durch Überraschung. Ihre Expeditionen
beschränkten sich daher meist auf Überfälle. Selbst Verkleidung wandten die
listigen Tartaren bisweilen zu ihrem Zwecke an. So vor dem Schloss Wald nächst
St. Pölten, welches mehrere von ihnen in Bauernkleider gehüllt, zu überrumpeln
versuchten, wo sie aber mit blutigen Köpfen abgewiesen wurden. – Derlei
Unternehmungen wurden ihnen durch den Umstand erleichtert, dass sich an ihre
Raubzüge sehr oft Ungarn in ihrer Nationaltracht, die der deutschen Sprache
kundig waren, als Führer oder Helfer anschlossen.
Die Verwirrung zu vermehren,
die Verwüstung zu vollenden, zündeten sie an, was sie brennbar vorfanden,
Gebäude, Heu-, Stroh- oder Holzvorräte, - Hauptzweck war Beute, wichtiger
Nebenzweck Verwüstung und Schrecken. Dem ersten frönend griffen sie zuerst nach
dem, was am kostbarsten, am leichtesten
fortzubringen schien, - nach Geld, Kirchengefäßen, Schmuckgeräte und –
Menschen! In diesem letzteren Beutegut lag der Hauptgrund der furchtbaren Angst
vor den Tartaren. Was von den Gefangenen nicht tauglich schien zur Erwerbung
reichen Kaufgeldes, zur Befriedigung schnöder Wollust, das hieben sie
kaltblütig nieder, gleichviel ob
zitternder Greis, ob lallendes Kind? Kranke schonten sie nie, über jenen im
Siechenhause von St. Pölten zündeten sie das Gebäude an. – Aber rüstige Männer,
blühende Dirnen und schmucke Weiber, selbst unter den Kindern die schöneren,
koppelten sie mit Stricken, banden sie an den Schweif des Rosses, und zwangen
sie durch unbarmherzige Peitschenhiebe dem schnellen Rückzuge zu folgen. Auf das
weitere Schicksal dieser Gefangenen werden wir später zurückkommen.
Ihre Furchtbarkeit wurde endlich, ungern gestehen wir es,
durch die Kopflosigkeit mächtig erhöht, die sich beim Einbruch des türkischen
Heeres anfänglich zeigt. – Vom Schutze eines Heeres entblößt, durch die Gerüchte schmählicher Niederlagen
desselben doppelt entmutiget, suchten viele ihr Heil in übereilter Flucht, - darunter leider manche, von deren
Besonnenheit und kluger Leitung alles abhing, manche Herrschaftsbesitzer und
Beamte. – Welche ehrenvolle Ausnahme hiervon in der Regel die Geistlichen
machten, werden wir im Verlaufe dieser Blätter zu erwähnen Gelegenheit finden.
Jenen, welche entfernt von der Landesgrenze wohnend, die
traurige Kunde vom feindlichen Einbruche zeitig genug erhielten, mochte es
gelingen, mit Zurücklassung des größten Teils ihrer Habe das nackte bloße Leben
zu retten; - aber wer beladen mit teuren Kranken, matten Greisen, schwachen
Kindern oder gar mit schwerem Gepäck erst dann der Heimat den Rücken wandte,
wenn ihn des nächsten Dorfes dampfende Brandsäule warnte, den ereilten die
flüchtigen Rosse der Verderber. So ging mancher zu Grunde, der vielleicht durch
standhafte Gegenwehr in seinen vier Pfählen den pulverscheuen Feind unverletzt
abgetrieben hatte. – Wie bei jeder kopflosen Verwirrung wurde auch hier die
Flucht oft so unternommen, dass man sie eher für eine freiwillige Übergabe, für
ein bloßes Necken des Feindes hätte halten können. – Manche bepackten sich
schwer mit nutzlosen Dingen, andere flohen in Richtungen, welche sie dem Feinde
in die Hand lieferten, oder in Orte, welche unhaltbarer waren, als die eben
Verlassenen. – Die Besonnensten richteten ihr Augenmerk nächst der
Fortschaffung der kostbarsten Dinge auf jene der Nahrungsmittel, besonders des
Viehes, welches oft, wenn man es nicht lebend wegzuführen hoffte, geschlachtet
und auf Wagen fortgebracht wurde. – Ohne diese Klugheit Einzelner, wären die
oft zu Tausenden (wie im Schlosse Starhemberg) zusammengedrängten Flüchtlinge
durch Hunger zur schnellen Übergabe gezwungen worden.
Aber auch wer zeitlich genug floh, und nicht sehr schnell
einen sicheren Hort erreichte, hatte mit furchtbarem Ungemach zu kämpfen. Da
sich der verwirrte Haufen so ziemlich in gleicher Richtung, nämlich gegen
Oberösterreich zu drängte, so waren die Straßen mit Fuhrwerken, Reitern und
Fußgehern bedeckt. Umgeworfene Wagen, gestürzte Pferde, vor Furcht und
Anstrengung erliegende Menschen, erfüllten und verdarben die Bahn, dazwischen
einzelne Züge von Kriegsvolk, die sich fluchend Raum machen, um auf den
Kriegsschauplatz in und bei Wien zu kommen, - Mangel an Lebensmitteln und
Unterkunft für die ungeheure und ungewohnte Menge von Gästen – von allen Seiten
aufsteigende Rauch- und Gluthaufen zur Eile mahnend, und das Ende dieses
bangen, verwirrten Notzuges verfolgt und angegriffen von der Vorhut des
blutdürstigsten Feindes! – Manche der Fliehenden, besonders jene von höherem
Stande, waren tödlichen Beleidigungen des aufgebrachten Volkes ausgesetzt.
Kloster Melk entsendete gleich andern Gotteshäusern die des Krieges
untüchtigen, zu jungen oder durch Alter und Gebrechlichkeit geschwächten Conventualen
in befreundete Klöster. Bei Freyenstein am Donauufer wurden sie von dem
unwissenden Volk, welches des Krieges Ursache den Geistlichen zuschrieb,
angehalten und gerieten in Lebensgefahr. In Blindenmarkt waren die Bauern eine
adelige Familie aus der Kutsche, und verbrannten diese, indem sie der Frau und
den Kindern Herberge, dem Familienvater, einem rüstigen, noch jungen Manne aber
ein Luntenrohr, Kraut und Loth anboten und ihm rieten, nach Melk zum Abte zu
gehen, der ihm Arbeit (d.h. Kriegsdienst) geben werden. – Kaum rettete ein
zufällig durchziehender Rittmeister die Familie aus der peinlichen Lage, indem
er sie durch einige Dragoner bis Amstetten geleiten ließ.
Unbekannt mit der unglaublichen Spürkraft dieses
steppengeborenen wilden Volkes, suchten andere ihr Heil in Verborgenheit. Das Dunkel tiefer Urwälder, die unwegsamen
Schluchten und einsamen Bergwiesen des Hochgebirges, die unheimlichen Windungen
finsterer Felsenhöhlen wurden in der oft trügenden Hoffnung gewählt, dem
Späherblicke der Raubgierigen zu entgehen. In der Felsenhöhle des Falkensteins
bei Schottwien sehen wir noch heute die Reste der häuslichen Einrichtungen,
durch welche die geräumige Steinhalle zum wohnlichen Raume umgeschaffen wurde,
in den tiefen Klüften unter dem Höllturm bei Steinabrückel liegen noch
verfaulte Getreidehaufen, die damals dort geboren wurden. Die Einwohner von
Prigglitz im Viertel unter dem Wiererwald bezogen einen einsamen Felsenkessel,
jene von Pihra im Viertel ober dem Wienerwald, mehrere aus Königstetten und
Tulbing feste Verhaue. Von den Anwohnern der Donau retteten sich manche auf
Inseln, die Bauern von Lebarn im Viertel ober dem Wienerwald, der Schiffe
entbehrend, hoben beim Anrücken der Tartaren die Scheunentore aus den Angeln,
und entflohen auf diesen leichten, gebrechlichen Flössen auf die nächste
Sandbank, verfolgt von den feindlichen Pfeilen, deren einer mit vergifteter
Spitze den Richter von Langenlebarn zu lebenswierigen Siechtume traf.
Die Fußstapfen der Flüchtigen, der von ihrem kärglichen
Mahle aufsteigende Rauch, einzelne, unklug sich hervorwagende Späher verrieten
sie oft den Tartaren, die dann in die finstersten Wälder, ins steilste Gebirge
drangen, die unglücklichen Schlachtopfer durch angezündete Feuer aus ihren
Schlupfwinkeln trieben und niedermetzelten oder als Sklaven wegschleppten. So
wurden die Priglitzer aus ihrem Felsenkessel, die Piraher und Königstetter aus
ihren Verhauen getrieben. Noch heute heißt ein Graben bei Tulbing, aus dem das
Blut der im Verhau Gemordeten herabrann, die Blutgasse. (Auf dem Blutacker bei
Leobersdorf wurden mehrere hundert Bauern aus der Gegend niedergemetzelt. –
Ähnliche Namen, z.b. Jammerthal, Blutloch usw. mahnen an ähnliche Szenen) –
Wenige nur fanden Schutz in der Verborgenheit. Die Sage hat uns nicht bewahrt,
ob die in das Falkensteinerloch Geflüchteten unentdeckt blieben oder durch
Gegenwehr sich retteten. – Aber in den Wäldern hinter Neustadt gegen
Forchtenstein zu, hielt sich ein Häuflein von dreißig Personen bis zum Abzug
der Türken ohne Angriff versteckt, während einige Büchsenschüsse weiter eine
Mühle geplündert und angezündet wurde. – Die Rettung einzelner war oft
wunderbar, wie jene der wenigen, die dem Perchtoldsdorfer Blutbad entrannen,
jene einiger Bauern, die in dem überrumpelten Enzersfelderschloss, über die
hohe Mauer springend, auf einzelne freistehende Bäume kletternd, im dichten
Geäste in Todesangst bis zum Einbruch des schützenden Nachtdunkels versteckt
blieben, und dann ins Gebirge entrannen.
Nur ein wirksames Mittel gab es gegen den Feind, und auch
dieses nur anwendbar in bedeutender Entfernung vom türkischen Hauptlager –
feste Stellung mit standhafter Gegenwehr. – Dass Vertrag wenig nützte gegen das
wortbrüchige Volk der Türken, hat das furchtbare Blutbad in Perchtoldsdorf,
haben manche ähnliche Szenen traurig beurkundet. – Dass in der Nähe des
Hauptheeres auch tapfere Verteidigung nicht fruchtete, dass die Türken, wo sie
den Tartarten beistanden, dass in
Ausnahmefällen, besonders wo viele Beute zu hoffen war, selbst die letzteren
das Feuer weniger scheuten und hartnäckig angriffen, hat Merkensteins Fall
durch weiblichen Übermut herbeigeführt (Schon hatten die Feinde, durch
standhaften Mut der Besatzung ermüdet, den Abzug begonnen, da reizte die
unanständige Stellung eines mutwilligen Weibes an einem Fenster der Burg die
kaum gedämpfte Wut der Barbaren; sie kehrten um, ein neuer hartnäckiger Sturm
begann, und sechshundert Opfer, die ganze eingeschlossene Bevölkerung,
fielen!), hat Perchtoldsdorf, anfangs so brav verteidigt, haben mehrere gleiche
Fälle in Wiens näherer Umgebung gezeigt.
Aber in der Regel war doch Heil in der Standhaftigkeit zu
finden. Wo hinter einiger Maßen haltbaren Mauern reguläres Militär oder
bewaffnete Bürger und Bauern lagen, dort wagten sich die Tartaren nicht hin,
oder wurden abgetrieben. Selbst den Türken, trotzt ungeheurer Übermacht,
widerfuhr nicht selten solche Schmach.
Nicht nur befestigte Städte, Burgen und Schanzen, sondern
offene Dörfer, Kirchen, Kirchtürme, ummauerte Gehöfte, ja bisweilen ein
einzelnes Haus inmitten eines schon brennenden Dorfes gewährten Schutz. – Da
erprobte sich nächst dem Mute des Mannes auch der starke tüchtige Baugeist
unserer Vorfahren.
Besonderen Einfluss auf tapfere Verteidigung nahmen wackere
Anführer, die, vom Geist der Zeit entsprechend, ziemlich leicht zu finden
waren. – Unvergänglicher Ruhm gebührt dem Prälaten Gregor von Melk, der durch
eine Reihe von Zügen, die ebenso sehr
seiner Klugheit als seinem Mute Ehre bringen, die einen im Kriegshandwerk
ergrauten Führer geziert hätten, seine Untertanen im Markte Melk selbst vom
Angriff der Feinde frei hielt. Graf Kolowrat in Schallaburg, die wackeren Beamten in Hohenegg und Albrechtsberg
(Sämmtlich im Viertel ober dem Wienerwald, welches mit dem Viertel unter dem
Wienerwald die Verwüstung teilte, während die Gegenden über der Donau
größtenteils frei blieben), in Starhemberg, Sebenstein usw. waren nicht nur die
standhaften Verteidiger der von ihnen besetzten Plätzte, sondern wirkten segenvoll
für die Umgebung. Die Schallaburger und Hohenegger unternahmen, von den Melkern kräftig unterstützt, beschwerde- und
gefahrvolle Züge durch das flache Land, die wilden Horden verscheuchend, Beute,
Gefangene und erlöste Christen heimbringend. – Auf einem dieser Züge ereignete
sich ein guter Schwank, bezeichnend den unvertilgbaren, selbst unter dem
schweren Druck harter Leiden hervorbrechenden volkstümlichen Humor des
Österreichers. Ermattet von einem weiten
Streifzug, in glühender Hitze lagern die Melker auf der Heimkehr in dem von
seinen Bewohnern verlassen Orte Mauer (es war gar nichts seltenes, auch
größere, noch nicht vom Feinde berührte Dörfer ganz leer von Bewohnern zu
finden). Einige durstige Brüder schleppen einen wohlverschlossenen Keller aufbrechend,
einige Fässer Wein herbei, deren Inhalt möglichst schnell in den trockenen
Kehlen verrinnt. – Es wird zum Aufbruch geblasen, - wer den Schaden hat, darf
für den Spott nicht sorgen, - ein Melker Witzbold, den einen Fuß schon im
Bügel, kritzelt noch schnell mit einer Kohle an die Wand des geplünderten
Kellerhauses: „Dieweilen die Maurer seind weggeloffen, haben die Melker den
Wein ausgesoffen.“
Auch die Kloster Lilienfeld, Tulln, dem Hauptheere so nahe
und mit halb verfallenen Mauern, St. Pölten unter Lodron, hielten sich Achtung
gebietend bewehrt. Letzterer durchstreifte mit seinen löwenkühnen
Dünnewald’schen Reitern das Steinfeld, nie ohne einige Tartarenköpfe
zurückkehrend. Klosterneuburgs heldenmütige Verteidigung unter den
ungünstigsten Verhältnissen durch Marcellin Ortner, Neustadts Befreiung durch
eine wohlangebrachte Geschützsalve, die standhafte Haltung der Veste
Starhemberg, in welcher ein großer Teil der Bevölkerung der Neuen Welt (das
schöne Tal von Dreistetten hinab gegen Retting) und des Steinfeldes, so wie von
Araberg, wo die Landleute aus der Umgegend von Klein-Mariazell versammelt
waren, sind bekannt. – Auch an das Fabelhafte grenzende Zufälle retteten bisweilen
einzelne Schlösser und Menschen. – So scheuchte in Albrechtsberg der nach aufgezogener
Zugbrücke zu spät gegen das Schloss flüchtende Gärtnerbursche die Tartaren mit
seinem Angstgeschrei und einem ungeladenen Feuerrohre zurück. – Schloss
Wieselburg im Viertel ober dem Wienerwald rettete ein Weib, das, allein im
ganzen Gebäude, schnell mehrere Musketen lud und abwechselnd aus verschiedenen
Fenstern auf die feigen Räuber feuerte, bis sie abzogen, - vor Sebenstein
kehrten die Tartaren plötzlich von panischen Schrecken ergriffen, um, - vor
Amstetten vertrieb sie der Lärm, den die geängstigten Bürger bei ihrem Anblicke
mit Trommeln und Pauken erhoben.
Oft zogen drei bis
vier mit Feuergewehren bewaffnete Bauern in verzweifelnder über den Raub ihrer
Weiber oder Kinder den beutebeladenen Scharen von fünfzig bis sechzig Reitern
nach, - ein glücklicher Schuss und die Bande war zersprengt, und lies Beute und
Gefangene, in wilder Flucht forteilend, zurück. – Solche kleine Ausfälle wagten
besonders mit vielen Glücke wiederholte die Hohenegger, die auch einst bei
einem getöteten Tartarten dreißig Klafter Stricke und wertvolle Beute fanden.
Ein enges Band, das der höchsten Roth, vereinigte Not,
vereinigte die einzelnen festen und besetzten Punkte, - wechselseitig schickte
man sich Waffen und Munition zu, verabredete und gab Signale durch Schüsse,
Glockengeläute, Kreidenfeuer (Lärmfeuer, von dem altdeutschen „Kraien“
frzösisch: erier, nicht aber vom „Ausreuten“ wie bisher oft irrig geglaubt
wurde). Mit seltenem Mute schritten oder schlichen von einem Schloss zum
anderen kühne Boten durch das von den Feinden nach allen Richtungen
durchkreuzte Feld, Hilfe fordernd oder verheißend, Kunde holend oder bringend
vom Stande der Dinge.
Ein großer Anhaltspunkt zur Rettung lag darin, dass der
damaligen Sitte nach, teils noch aus den wilden Zeiten der Selbsthilfe oder vom
Bauern- und Schwedenkriege her, Städte und märkte ummauert, die Schlösser und
Herrenhäuser, größtenteils auch die Kirchen, befestigt waren – dass in den
zahlreichen städtischen, herrschaftlichen und Kloster-Rüstkammern ein
bedeutender Vorrat von Waffen, besonders von kleinerem Geschütz lag, das die
Tartaren mehr noch als das Handfeuergewehr scheuten. Die Doppelhaken, eine
beliebte Waffe jener Zeit, haben sich damals erprobt. Auf 6-800 Schritte ihre
tödliches, Ross und Mann niederschmetterndes Blei tragend, hatten sie nicht den
ungeheuren Munitionsbedarf, nicht den schweren Transport einer Kanone, konnten
auf den höchsten Turm, die engste Stiege hinaufgebracht, in dem kleinsten Raum
verwendet, von einem einzigen Manne bedient werden, und gaben ein ziemlich
sicheres, schnelles, furchtbares Feuer.
Ein ebenso günstiger Umstand war, dass unter dem Landvolk
mancher entlassener, herrenloser, des Handwerkes kundiger Krieger lebte, dass
endlich, es mag sehr sonderbar klingen, Kenntnis des Geschützwesens, wenigstens
theoretische, einen integrierenden Teil des mathematischen Studiums in der
damaligen Form bildete, daher vielen Geistlichen und anderen Gebildeten nicht
fremd war. (Wem fällt nicht bei der Belagerung von Ofen im Jahre 1686 so
berühmt gewordene Mönch, Tüzes Gabor, der feurige Gabriel, genannt, ein – wenn
wir gleich Berthold Schwarz nicht erwähnen wollen, und mehrere geistliche
Schriftsteller über militärische Gegenstände, z.B. P. Daniel)
Welchen Anteil die Geistlichen an der Rettung des Landes
überhaupt hatten, ist kaum zu ermessen. Abgesehen von den mutigen Priestern in
Klosterneuburg, Melk, Lilienfeld, von dem wackeren Pfarrer in St. Leonhard,
dessen Verhaue und Schanzen mehrere Gemeinden schützten, von jenem in Pihra,
der an der Spitze seiner Pfarrkinder den Tod im heißesten Kampfe fand, von
jenen vielen, die als treue Seelenhirten selbst das Schwert zu ergreifen nicht
zagten, finden wir sie meist bei der Flucht die letzten, manche bei der Rettung
der Kirchengefäße an den Stufen des Altares niedergehaut (wie in Neulengbach
und vielen anderen Orten), oder bei einem Werke der Barmherzigkeit überfallen
und fortgeführt, so dass nach dem Abzug der Feinde drückender Mangel war an
Seelsorgern.
Als der erste furchtbare Schrecken über den heftigen Anfall
des Feindes vorüber war, als Beispiele von Rettung durch standhafte Gegenwehr
und Geistesgegenwart sich durch den Ruf verbreiteten, gestaltete sich vieles
anders und besser. In das Chaos
planlosen Flüchtens, zagenden Verbergens, tollkühner oder durch vereinzelter
schwacher Gegenwehr trat Ruhe und Besonnenheit, - der Gedanke an die Zukunft
wurde rege, sobald die Möglichkeit, sie zu erleben, gehofft wurde. – Man fing
an, bewaffnete Fouragirungen, ja sogar, unter dem Schutze der ausrückenden
Besatzungen, einzelne Feldarbeiten vorzunehmen, und von den in die festen
Punkte Geflüchteten benützten manche die ruhigen Zwischenräume, um nach dem
verlassenen Hab und Gut zu schauen, oder Freunde und Verwandte in anderen
Zufluchtsorten zu besuchen. Solche Wanderungen fielen freilich, da die Ruhe oft
nur scheinbar war, bisweilen übel aus.
Wenden wir unsere Blicke auf die von den Tartaren gemachten
Gefangenen, so finden wir ein trauriges, schaudervolles Bild. – Ihre Zahl ist
bei den mangelhaften Quellen, bei den damals noch mangelhafteren Einrichtungen
in Bezug auf Volkszählung, durchaus nicht zu ermitteln. Ein gleichzeitiges
fliegendes Blatt gibt sie, höchst verdächtig durch Zeitungs-Animosität und
übergroße Einheiten-Genauigkeit, folgendermaßen an: „108.809 in die Sklaverei
geführt, darunter 6.000 alte Männer, 11.215 Weiber, 14.092 Mädchen bis 26.
Jahren, darunter 204 gräfliche und andere adelige Damen, 56.093 Kinder unter 5
Jahren“. Die ganze Notiz ist schon darum wenig brauchbar, weil sie das Terrain,
auf welchem diese Gefangenen gemacht wurden, nicht angibt, - aber dass über 40.000 Gefangene jeden
Geschlechts, Alters und Standes aus Unter-Österreich weggeführt wurden, darf
man unbedenklich annehmen.
Von diesen Gefangenen nun erlag ein Teil den Beschwerden des
Zuges und der unmenschlichen Behandlung, viele wurden bei Mangel an
Lebensmitteln, bei Gefahr durch nachsetzende Christen, oder wenn ein anderer
Umstand sie als beschwerliche Last darstellte, mit kaltem Blute geschlachtet,
so angeblich 30.000 (!) beim Entsatze vor Wien (Die Summe ist wohl um ein
Drittel übertrieben, wenn gleich viele gleichzeitige Quellen sie so angeben).
Der geringste Teil erreichte, meistens von den Tartaren an
die Türken verkauft, den von letzteren besetzten Teil Ungarns oder die Türkei.
Dort wurden sie als Handwerker, Feldarbeiter, einige wenige als Dolmetscher
gebraucht – noch wenigere kauften bessere Nahrung und schlechteres Gewissen
durch Verleugnung ihres Glaubens – den Weibern , die, wie die boshaften
Chroniken wissen wollen, und wie leicht zu begreifen ist, sich besser, als die
Männer in ihr Los fanden, ging es ansich besser.
Größer wäre Österreichs Entvölkerung geworden und geblieben,
wenn nicht ein bedeutender Teil der anfänglich aufgegriffenen Landleute über
kurz oder lang zurückgekehrt wäre. – Viele wurden mit Gewalt befreit, manche
entflohen, denn in dem reichen Weinlande lernten die Tartaren das verbotene
Getränk kennen und über Gebühr lieben, - im Tartarenlager bei Königstetten soll
die viehische Völlerei dieser Horden vielen hundert, von trunkenen Wächtern
schlecht gehüteten Christensklaven zugleich die Freiheit gegeben haben. –
Andere wurden von den im trkischen Heere dienenden Ungarn und Griechen oder später
von frommen Mönchen losgekauft, viele von den Türken selbst nach längerer
entlassen, oder ausgewechselt.
Der Umfang der Verwüstung war furchtbar, wir können ihn
ahnen, da das erwähnte fliegende Blatt die Zahl der abgebrannten Ortschaften
auf 14.933 setzt, eine Zahl, die ersichtlich übertrieben, und für
Unterösterreich, einzelne Gehöfte eingerechnet, auf ein Zehntel zu reduzieren
sein dürfte. – Dass aber über 30.000
Menschen in Unterösterreich getötet wurden, von denen die wenigsten im Kampf
fielen, die meisten kaltblütig niedergemetzelt wurden, ist eine keineswegs
übertriebene Annahme!
(Der Verlust der Wiener Besatzung, so wie überhaupt jener an
Kriegsvolk, wird hier nicht angeschlagen. – Nach Kurz (Geschichte der Landwehre
in Österreich o. D. E. I. B. p. 240) soll eine Nachzählung der Herrschaften in
Niederösterreich über den Abgang an der Zahl ihrer Untertanen, 40.000 teil
getötete, teils in die Sklaverei geschleppte ausgewiesen haben, - eine Angabe,
welche uns viel zu gering erscheint!)
Folgendes ist eines der reichhaltigsten, wenngleich von
Vollständigkeit sehr weit entfernten Verzeichnisse der abgebrannten,
geplünderten und verwüsteten Ortschaften Unterösterreichs:
Altenmarkt, Arnstein, St. Ägid am Steinfeld, Brunn am Gebirge, Baden, Bruck an der Leitha, Ebreichsdorf, Enzesfeld, Enzersdorf am Gebirg, Enzersdorf an der Vischa, Stadt Enzersdorf und Lang-Enzersdorf, Fischament, Goldegg, Gißhübel, Guntramsdorf, Götzendorf, Gallbrunn, Hainburg, Himberg, Hundsheim, Hochau, Hitzing, Haindorf, Heiligenkreuz, Hernals, Johannstein, Inzersdorf, Kothingbrunn, Katzelsdorf, Laxenburg, Lichtenstein, Lengbach, Leesdorf, Leopoldsdorf, Leobersdorf, Wintendorf, Mannersdorf, Margarethen bei Wie, Mödling, Matzelsdorf bei Melk, Neudorf, Prellenkirchen, Potzendorf, Dor fPottenbrunn, Penzing, Pellendorf, Pfaffstätten, Perchtoldsdorf, Rodann, Raffing, Rothneusiedl, Siegenfeld, Solenau, Schwechat, Stirneusiedl, Schönau, Soos, Traiskirchen, Teesdorf, Tattendorf, Trübeswinkel, Trumau, Vischau am Steinfeld, Ober- und Unter-Waltersdorf, Weißenbach, Wirflach, Wienerherberg uvm.
Altenmarkt, Arnstein, St. Ägid am Steinfeld, Brunn am Gebirge, Baden, Bruck an der Leitha, Ebreichsdorf, Enzesfeld, Enzersdorf am Gebirg, Enzersdorf an der Vischa, Stadt Enzersdorf und Lang-Enzersdorf, Fischament, Goldegg, Gißhübel, Guntramsdorf, Götzendorf, Gallbrunn, Hainburg, Himberg, Hundsheim, Hochau, Hitzing, Haindorf, Heiligenkreuz, Hernals, Johannstein, Inzersdorf, Kothingbrunn, Katzelsdorf, Laxenburg, Lichtenstein, Lengbach, Leesdorf, Leopoldsdorf, Leobersdorf, Wintendorf, Mannersdorf, Margarethen bei Wie, Mödling, Matzelsdorf bei Melk, Neudorf, Prellenkirchen, Potzendorf, Dor fPottenbrunn, Penzing, Pellendorf, Pfaffstätten, Perchtoldsdorf, Rodann, Raffing, Rothneusiedl, Siegenfeld, Solenau, Schwechat, Stirneusiedl, Schönau, Soos, Traiskirchen, Teesdorf, Tattendorf, Trübeswinkel, Trumau, Vischau am Steinfeld, Ober- und Unter-Waltersdorf, Weißenbach, Wirflach, Wienerherberg uvm.
Gerettet wurden: Araberg, Albrechtsberg, Bielach, Clamm,
Feistriz, Schloss goldegg, Entenstein, Hohenegg, Schloss Haindorf, Kranichberg,
Klosterneuburg, Krumbach, Schloss Lengbach, Lilienfeld, Melk, neustadt,
Osterburg, Schloss Pottenbrunn, St. Pölten, Rabenstein, Schallaburg,
Starhemberg, Steyersberg, Tulln, Schloss Wald, Wieselburg, Schloss Wartenstein,
die Kirche zu Winzendorf, Ziegersberg uva.
Die Befreiung von den Feinden selbst trat größtenteils erst
nach dem Entsatze von Wien, aber dann auch ziemlich plötzlich und allgemein
ein. Mit diesem Entsatze kam gleicher panischer Schrecken über die Türken, als er
bei ihrem Anzuge über viele Christen gekommen war – die Tartaren, gewohnt an
der Spitze des Heeres zu sein, beeilten sich, auch jetzt diese Stellung
einzunehmen, und waren die ersten, welche aufbrachen. Ihr trefflicher Ortssinn,
ihre ausdauernden Pferde retteten die Meisten vor dem nach dem Entsatze mit
doppelter Kühnheit auftretenden Landvolke, vor dem nachrückenden Militär, - nur
wenige Nachzügler fielen in die Hände der erbitterten Bauern, sie wurden, wie
es auch früher allen Gefangenen widerfahren war, gewöhnlich arg misshandelt,
dann umgebracht. Nur ausnahmsweise ließ man Einzelne leben, um sie in den
Schlössern zu schwerer Arbeit zu verwenden.
So wunderbar schnell das Land von seinen Peinigern befreit
wurde, so teuer kam mancher Gegend die Erlösung selbst zu stehen durch den
Übermut der Befreier. Dieses Heer, noch beinahe durchaus von geworbenen Truppen
zusammengesetzt, kannte wenig Kriegszucht, - aus fremden Ländern hergeführt,
nahm es wenig Teil an dem Elende dieses Landes, ermüdet vom weiten Marsche
forderte es bessere Pflege, als der verarmte Bauer zu geben vermochte. – Das Gefühl,
als Erretter zu kommen, und doch nicht gerne gesehen zu werden (wie konnte auch
der ausgesaugte Landmann den immer fordernden Krieger gerne sehen?), diese Erbitterung
über den geglaubten Undank trieb die fremden Söldner zu grauenvollen
Ausschweifungen. Gleichzeitige Schriftsteller versichern, nur das Brennen und
Sengen hätten die Hilfsvölker unterlassen, sonst in allem den Tartaren gleich
gehaust. – Der Gurhof bei Melk wurde von den Kaiserlichen geplündert, in
Bielach tobten die Pohlen so arg, dass die bewaffneten Melker, die
Heerespolizei übernehmend, gegen sie auszogen, und nach einem lebhaften Gefecht
mehrere zur strengen Bestrafung ins Hauptquartier führten. – Abt Gregor von
Melk, der, wo es sich um den Schutz seiner Untertanen handelte, gleichen Mut
gegen Freund und Feind bewies, versagte dem Marktgrafen von Baden, welcher an
der Spitze von zehntausend Mann ankam, den Durchzug durch Melk, anfangs im
ruhigen aber festesten Tone, dann unter der Androhung blutiger Gegenwehr. Der
Fürst gab nach, und der Markt war von den Leiden eines Durchzuges befreit, der
wenigstens einen Teil des Elendes über die Bürger gebracht hätte, welches sie
gegen den Erbfeind mit so großen Opfern abgewendet hatten.
Glücklicherweise trafen die Märsche der Hilfsvölker nur
einzelne Gegenden, zum Teil gerade solche, in welchen, wie von Tulln abwärts
gegen Wien, kaum noch irgendjemand vorhanden war, der misshandelt werden
konnte, kaum ein Gegenstand des Raubes sich darbot.
Als nun die Schlacht des Entsatzes geschlagen war, deren
Kunde Eilboten auf schnaubenden Rossen, und die nach Wien Geflüchteten, nun von
langer Gefangenschaft in der belagerten Stadt befreit, nach allen Richtungen
dahineilend verbreiteten, - als die wilden Tartarenschwärme schleunigst abgezogen waren, - da ergoss sich
die in Städte, Schlösser oder Kirchen eingeschlossene, die in Waldesnacht, auf
Bergeshöhen oder im Dunkel der Höhlen verborgene Bevölkerung, - da ergossen
sich auch bald die aus Steiermark, Österreich ob der Enns und jenseits der
Donau rückkehrenden Flüchtlinge über die heimatlichen Fluren. – Jammervoll,
entmutigend, alle Kraft zum Handeln lähmend war der Anblick, der sich den
unglücklichen Bewohnern bot! – Niedergebrannte Wohnstätten, Weingärten, Felder
und Wiesen, zertreten von Tierhufen, - entweihte, in Ställe verwandelte Kirchen,
modernde Leichen allenthalben zerstreut, selbst in Brunnen, Zisternen, Kellern,
auf Dachböden, - zerstörte Wege und Brücken, - mutwillig gemetzeltes Vieh, als
Aas die Luft verpestend, - zertrümmertes Hausgerät, zerstreute, verdorbene
Vorräte! – Noch jahrelang fand man im Hochgebirge, im Dickicht der Urwälder, in
Höhlen und älteren Ruinen Leichen gemordeter oder zufällig auf der Flucht
verunglückter, ja selbst verhungerter Christen!
Vorzugsweise die Gegenden um Wien diesseits der Donau waren
erschöpfend verheert. Der Türken treffliches Verpflegungssystem hatte zahllose
Herden um die belagerte Stadt gehäuft, die bis auf die Entfernung von vier
Stunden beinahe jeden Halm abweideten. Die Weinberge von Nußdorf,
Heiligenstadt, Grinzing usw. hatten durch Verbrennung der Reben und Stöcke,
durch Aufwerfung von Schanzen und Zerstörung der Terrassen, Zisternen usw.
ungemein gelitten. In dieser speziellen Beziehung sei eine kleine Abschweifung
vergönnt: der Weinbau wurde von unsern Vorfahren mit all dem ausharrenden
Aufwande menschlicher Kraft betrieben, dessen die Vorzeit allein fähig schien. –
Ausgebreitete Terrassierungen, nicht bloß von trockenen Steinen, sondern von
Ziegelmauern, auf Bogen gestützt, wie z.B. bei Nußdorf, Wasserleitungen und Zisternen
ohne Zahl, ungeheure Keller und Pressen usw. beurkunden, dass die Winzer
Österreichs zu einer Zeit, wo der Besitz weniger gesichert, häufigeren
Störungen ausgesetzt, wo der Kulturgrad des Landmanns weit geringer war, einen
Aufwand von Kraft auf seine Produktion wagte, den er jetzt nimmer wagt.
Einer so ausgedehnten, so tief eingreifenden Verwüstung trat
nun eine in der Zahl geschwächte, teils auch durch Angst und psychische Leiden
entkräftete Bevölkerung entgegen, in der ungünstigsten Zeit des Herbstes! –
Allenthalben fehlte es, - Wohnungen ohne Dach, Gärten ohne Bäume, Felder ohne
Frucht, Speicher ohne Vorrat, Kirchen ohne Priester und gottesdienstliche
Geräte, ganze Dörfer ohne einen (!) Bewohner, ungemeiner Mangel an Vieh! – Dazu
grenzenlose Verwirrung der Eigentumsverhältnisse, da so viele Kanzlei-Archive
zu Grunde gegangen, so viele Beamte in Gefangenschaft geraten oder getötet
waren, da die Not die Rechtsbegriffe verwirrte, und bei dem gemeinschaftlichen
elende so viele unzertrennbare Vermischungen von Rechts-Objekten stattgefunden
hatten. – Dazu noch der Mangel an Trost der Religion, an Schulen zum
Unterricht! Und viele von den Übergebliebenen, nun monatelang des Waffentragens
gewohnt, fanden die Muskete leichter als den Spaten, liefen dem Kriegsvolke
nach, oder zogen als gefürchtete Gäste im Lande umher. – Welch furchtbares Loos
stand diesem unter solchen Auspizien bevor?
Wäre das Volk ein feiges, verzagtes gewesen, hätte es nicht
in dem Vertrauen auf seinen Kaiser Hoffnung für die Zukunft, in seinen Äbten,
Pfarren und Beamten einen Anhalts- und Vereinigungspunkt für die Gegenwart
gefunden – hätte nicht mancher wackere Herrschaftsbesitzer das Ausharren bei
seinen Untertanen der Flucht, zu welcher so viel Beispiel gegeben war, -
mancher edler Krieger die Verteidigung eines kleinen Städtchens oder Schlosses
den Ruhm verheißenden Zuzuge zum Hauptheere vorgezogen, so wäre, wir haben es
oben angedeutet, das ganze Land, ja vielleicht auch Oberösterreich die Beute
gleicher Verheerung geworden. – In noch höherem Maßstabe zeigte sich die
Tüchtigkeit des Volkes, der edle Sinn mancher Äbte und Herrschaften jetzt, bei
dem Kampfe mit unnennbarer Schwierigkeit in der Wiederherstellung des alten
Standes der Dinge! – Ansiedler wurden aus den schonten Provinzen gerufen,
Lebensmittel weit her (Österreich jenseits der Donau war durch die Lager ganz
erschöpft) herbeigeführt, Kirchen und Schulen wurden aus dem Schutte erhoben,
edle Priester versahen mit beinahe todbringender Anstrengung weite Bezirke, -
neue Ehen wurden durch liberale Begünstigungen der Obrigkeit unterstützt, in unglaublicher
Zahl geschlossen, und bald schritt das Land der neuen Blüte entgegen.
Freilich schmerzten die Narben noch lange. Verarmte
Untertanen, durch Verluste und kriegssteuern ausgesogene Herrschaften,
unsichere Straßen von Räuberbanden durchstreift, die Not und das Kriegshandwerk
geschaffen hatten, ganz verödete Dörfer und Fluren, - so tief wurzelnde Übel
konnten nur langsam wieder gehoben werden. Besonders lange dauerten die
Streitigkeiten ohne Zahl über das Mein und Dein, da Besitzergreifung bei vielen
der einzige Rechtstitel war. Vollends das teilweise Zurückkehren von befreiten
Gefangenen war eine Quelle fortdauernder Zwistigkeiten, da viele dieser
Unglücklichen ihr Hab und Gut in fremden Händen, ihre Gatten an andere
verheiratet, fanden. Mancher dieser Befreiten eilte nach der Zurückkunft mit
hastiger Angst nach dem Winkel, wo er beim Anzug der Türken sein kostbarstes
Gerät vergraben hatte – und fand ihn leer! – Viele, die alles verloren, und die
Kraft zur Arbeit durch das Leiden langer Gefangenschaft eingebüßt hatten,
viele, die in jenen Leiden und in ihrer oft wunderbaren Befreiungsgeschichte
ein Privilegium zum Nichtstuen sahen, belästigten das Land als ungestüme
Bettler! – Die letzten Nachwehen des großen Jammers waren Seuchen, welche
Mangel und die Ausdünstungen schlecht begrabener Leichen herbeigeführt hatten.
Anderthalb hundert Jahre haben nun die Spuren jener Leiden
so verwischt, dass nur die schriftliche Tradition, Volkssagen und zerstreute,
leider oft mit großer Kälte übersehene Denkmäler ihre Erinnerung bewahren.
Steinschriften, Altäre, Messenstiftungen, Votivbilder, feierliche Gebetumzüge,
türkische und gegen die Türken aufgeworfene Schanzen, eingemauerte oder sonst
aufbewahrte Steinkugeln, Fesseln von befreiten Sklaven dankbar an den Altären
aufgehängt, türkische Waffen und Geräte in den Rüstkammern, sind solche
Denkmäler. So z. B . die Inschrift in Katzelsdorf, der Altar in Weidling, die
Votivtafel in Rabenstein, die Stiftung in Sebenstein, die Türkenschanzen bei
Wien und Mauerbach, und die alten Türkengehege bis nach Ober-Österreich hinauf,
die Türkenkugeln in Sievering, Saubersdorf usw., die Ketten in Lanzenkirchen, das
türkische Zelt in Kranichberg, mehrere Waffenstücke in Sebenstein. – Auch das
Pflanzenreich bewahrt solche lebende Denkmäler in einigen, den südlichen
Ländern ursprünglich eigentümlichen, nun aber in Gegenden Österreichs, wo
Türken gelagert hatten, auch wildwachsenden Pflanzen, deren Same vielleicht in
Futtersäcken und Packwagen hierher verpflanzt worden war – vor allen in den
herrlichen türkischen Haselnussbäumen von Merkenstein, Saubersdorf usw.
Diese flüchtige Darstellung mag nur als eine Hinweisung
dienen, wie ungemein anziehend eine ausführliche Schilderung dieser
Verhältnisse sein müsste, - sie mag zugleich auf die unendliche Kraft
hindeuten, welche in dem guten Volke, in dem guten Boden, welche in den Männern
lag, welche jene Kraft zu leiten wussten. – Sie möge endlich die Nachbarländer
erinnern, was Österreich für sie gelitten und gehandelt, - sie möge ein neuer
Beweis sein für die Wahrheit des alten Pokalsymboles, das wir mit Bezug auf
jene arge Zeit auslegen wollen: Austria erit illaesa omni vicisaitudine!
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