Nr. 262 - 1. November 1992 - 20. Jahrgang
Kleine Kulturgeschichte des Mostes - Most
ist ein ganz besond'rer Saft!
(Mag. Heimo Cerny)
Da Most
Wos kaun des wohl sei,
schmeckt bessa ois Wei,
es glugazt im Foß und perlt im Glos,
i hau davo kost ‑
des is da Most!
(Aus: Erich Stöger, Mostviertler Mundartgedichte vom Buchabauer, St. Pölten 1984)
Wos kaun des wohl sei,
schmeckt bessa ois Wei,
es glugazt im Foß und perlt im Glos,
i hau davo kost ‑
des is da Most!
(Aus: Erich Stöger, Mostviertler Mundartgedichte vom Buchabauer, St. Pölten 1984)
Es lohnt sich, den Most näher kennenzulernen. Und bald hat man die
Erfahrung gemacht: Most ist nicht gleich Most! Die übliche Definition, er sei
"vergorener Saft aus Äpfeln und Birnen", reicht keineswegs aus. Aufschlussreicher
sind da schon die Worte des Mostbiographen Franz Carl Lipp: "Most - ein
wahrhaft an Geschmacksqualitäten unerreichtes und vielseitiges Getränk vom
gaumenwährenden Säuerling über brummig-blumige Obstfruchtahnungen zu dem
köstlich stimulierenden Göttertrunk, dem besten Speisenbegleiter einer gut
österreichischen Küche."
Der Mostviertler unterscheidet folgende Sorten: Da ist zunächst der
unvergorene Süßmost, frisch von der Presse, ein alkoholfreier, naturreiner
Saft. Dann der Birnenmost, von strohgelber bis grünlicher Farbe. Er wird
heutzutage meist bevorzugt, schmeckt leicht und süffig, ist im Fass jedoch nur
ein Jahr haltbar. Länger lagerfähig hingegen ist der reine, bernsteinfarbene Apfelmost.
Dieser ist alkoholreicher, besitzt viel Säure und schmeckt am intensivsten. Er
gilt als "männerschüttelnd" und führt bei reichlichem Genuss zum
sogenannten "Mostdudl", dem berüchtigten Mostrausch. Mäßig und nur im
Anlassfall genossen, soll hingegen mehrjähriger Apfelmost als hervorragende
Medizin wahre Wunder wirken. Kräuterpfarrer Weidinger empfiehlt ihn als
vorbeugend gegen Gastritis und Magengeschwüre sowie heilend bei Steinleiden, Hämorrhoiden,
Gicht und Rheuma. Die gängigste Sorte ist schließlich der Mischling, der so
heißt, weil Birnen und Äpfel - meist im Verhältnis 3:1 - gemischt gepresst
werden. Er ist besonders aromareich und fruchtig und wird als idealer
Jausentrunk und Durstlöscher geschätzt.
Guter Qualitätsmost ist freilich kein Zufallsprodukt. Die alten
Mostbauern hatten eine genaue, seit Jahrhunderten erprobte Kenntnis ihrer Obstbäume
und Eigenschaften der verschiedenen Mostobstsorten, von denen es weit über
hundert gibt. Als besonders geeignet erweisen sich nach Meinung des
Mostfachmannes Johann Hintermayer aus Haag vor allem die Landlbirne, die Grüne
Pichlbirne und die Lehoferbirne. Als empfehlenswerte Apfelsorten gelten der
Wolfsbacher Holzapfel, der Weinapfel oder der Griesapfel. Für eine möglichst
lange Haltbarkeit des empfindlichen Getränks sind auch die Beschaffenheit des
Kellers, seine Tiefe und Raumfeuchtigkeit von Bedeutung.
Beträchtlich war und ist immer noch der Arbeitsaufwand beim Mostmachen.
Staunend steht man im Haager Mostviertelmuseum vor den ausladenden
Gerätschaften, die vor der modernen Technisierung zur Mostbereitung nötig waren:
Die riesigen "Birnreiben" aus Granit mit den schweren Walzensteinen
zum Zerquetschen des Obstes, die diversen Obstmühlen -
"Leutschindermaschinen" genannt - und die kunstvoll verzierten
Mostpressen in allen Varianten, wie Baum-, Zwang-, Ketten- und Spindelpressen.
Auf dem 6,5 m langen Druckbaum einer 1858 datierten Zwangpresse ist der fromme
Spruch eingekerbt: "An Gottes Segen ist alles gelegen - O Gott, wenn du
uns kein Most nicht schickst, so nützt uns Fass und Prässe nichts."
Um den Most gibt es zwar kein spektakuläres Brauchtum, das sich etwa mit
dem des Weines messen könnte, dennoch hat auch die Mostkultur ihre spezifischen
Rituale entwickelt: So verfolgt der Bauer den Gärungsprozess des Mostes im Fass,
wo er ihn bald "plaudern" hört. Je größer die Fässer, desto lauter die
Geräusche. Nach alter Überlieferung soll man zu Leopoldi (15. November) aus
den ganz großen Fässern "Pold, Pold" heraushören. Das wird als gute
Gesinnung des Landespatrones dem neuen Getränk gegenüber aufgefasst. Als
Schutzheiliger des Mostes wird gern der HI. Sebastian angesehen, weil er sein
Martyrium an einen Obstbaum gebunden erlitten hat. Möglicherweise spielt hierbei
auch die alte Bauernregel eine Rolle: "Zu Fabian und Sebastian fängt der
Saft zum Treiben an!" Früher fastete man zu Sebastian und enthielt sich an
diesem Tag auch des Mostgenusses. Gab es am Ostersonntag
Regen, so bedeutete dies für das Mostobst: "Soviel Tröpfel - soviel
Äpfel!". Da der Most immer das billigste Getränk war, erfreute er sich in
wirtschaftlichen Notzeiten stets vermehrten Zuspruchs. So verwundert es nicht,
dass der größte "Mostboom" dieses Jahrhunderts in den 20er- und
30er-Jahren zu verzeichnen war. Damals, zur Zeit der großen Arbeitslosigkeit,
trank man im Gasthaus statt Bier "a Seidl Most, dass net vü kost!".
Nach dem Weltkrieg ist der Mostabsatz rapide zurückgegangen, Most wurde
verkehrt proportional zum steigenden Wohlstand abgewertet und durch Bier,
Wein, Coca Cola, Limonaden und Mineralwasser verdrängt.
Bedauerlicherweise reagierte die Landwirtschaft mit großflächigen
Rodungen vieler alter Obstbaumzeilen. Standen im Jahr 1938 im Gerichtsbezirk
Amstetten noch 995.000 Apfel- und Birnbäume, so waren es 1968 nur noch 403.000!
Gottlob ist in den letzten Jahren eine Trendumkehr eingetreten, und das
Naturgetränk Most findet aufgrund steigender Umweltsensibilität allmählich
wieder Liebhaber unter der Devise "Mosttrinker sind Umweltschützer!".
Viele schmucke Vierkanthöfe präsentieren sich seit einiger Zeit als
Mostheurige und umwerben mit Erfolg Städter und Touristen. Sie sind leicht zu
finden auf den gut beschilderten "Moststraßen" zwischen Strengberg,
Haag und Weistrach. Man muss dort einkehren, um zu erfahren: "A Mosthaus
ist a guats Haus!"
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