Nr. 67 - 1. November 1977 - 6. Jahrgang
GEMEINDE WOLFSBACH (Teil 1)
(verfasst von Oberstudienrat Dr. Rosine
Schadauer)
Wolfsbach ist in mehrfacher Hinsicht
günstig gelegen: In der West-Ost-Erstreckung des Bezirkes nimmt es die Mitte
ein, von Amstetten, Waidhofen/Ybbs und Steyr ist es etwa 20 km entfernt, im
Süden führt die Westbahn, im Norden die Autobahn vorbei. Die Bahnstation St.
Peter im Süden und die Haltestelle Krenstetten/Biberbach im Osten liegen nahe
an den Grenzen der Gemeinde. Die Autobuslinie Steyr-Amstetten führt durch den
Ort. Die Gemeinde Wolfsbach erstreckt sich über eine Fläche von 30,94 km2, hat
1728 Einwohner, die Seehöhe beträgt 384 m. Im Norden gehen die breiten "Böden"
und sanften Hänge in die unruhigen Strengberge über, gegen Süden senkt sich das
Hügelland in zwei Wellen zur Au an der Url, welche die Grenze gegen
Seitenstetten bildet. Die Nachbarorte, Stadt Haag im Westen und Markt Aschbach
im Osten, haben Wolfsbach im Laufe der Entwicklung überflügelt. Sie haben neben
der Landwirtschaft neue Großbetriebe entwickelt und bieten so vielen Bewohnern
Arbeitsplätze. Wolfsbach hingegen ist eine reine Bauerngemeinde geblieben, der
Ort selbst ist klein, sodass viele Wolfsbacher auswärts arbeiten müssen.
Die Geschichte von Wolfsbach ist
eingebettet in die Geschichte des Ennswaldgebietes, des Landes zwischen Enns
und Ybbs. Das von Bajuwaren in der Völkerwanderung besiedelte Land wurde von
den Awaren im 8. Jahrhundert und von den Magyaren im 9. und 10. Jahrhundert
verheert. Nach dem Sieg Karls des Großen über die Awaren übernahmen bairische
Klöster und Hochstifte die bedeutsame Aufgabe, die neu errichtete Awarenmark zu
besiedeln und zu kultivieren. Das Donaukloster Niederaltaich in Bayern versah diesen
Auftrag im Ennswaldgebiet.
Damit hängt die Frage nach den Anfängen
der Pfarre Wolfsbach zusammen. Die zwei ältesten Urkunden, die man mit
Wolfsbach in Verbindung bringt, sind datiert mit dem 28. Juni 823. Kaiser
Ludwig der Fromme erstattete dem Hochstift Passau eine Reihe von Orten zurück,
unter ihnen Aschbach und Wolffeswanch. Der Name findet sich nochmals in einer
Urkunde vom 8. September 903, in der Chorbischof Madalwin die meisten seiner
Güter, darunter auch ein Eigengut in Wolveswanc, der Diözese Passau vermacht.
Nach diesen Urkunden kann man von einer mehr als 1000-jährigen Geschichte
Wolfsbachs sprechen, allerdings unter der Voraussetzung, dass Wolffeswanch und
Wolfsbach gleichzusetzen sind. Wenn nach den Ortsangaben der Urkunde das
Madalwingut westlich von St. Peter/Au gelegen sein soll, so ist das kein Beweis
dafür, dass mit Wolffeswanch nicht Wolfsbach gemeint sein könne, denn die
Großpfarre Wolfsbach reichte gegen Südwesten noch weit über St. Peter hinaus.
Schwerer wiegt der Einwand, dass aus Wolveswanc durch Sprachentwicklung nicht
Wolfsbach geworden sein kann. Es ist aber denkbar, dass man die unverständliche
Silbe "-wanc" einfach durch "-bach" ersetzte.
Der Name "Wolfsbach" kommt
erstmals im Stiftsbrief des Nonnenklosters Erla vor, das "ein Gut bei der
Kirche Wolfsbach" erhält. Nach neuen Forschungen stammt dieser Brief erst
aus dem Ende des 12. Jahrhundert So erhält ein Güterverzeichnis der Abtei
Admont aus dem Jahre 1106 ein besonderes Gewicht, in dem es heißt, dass Admont
einen Stadelhof zu "Wolfispach" erhält. Es dürfte die erste
gesicherte Nennung des Namens Wolfsbach bieten.
Im Jahre 1142 übertrug Bischof Reginbert
von Passau dem Stifte Seitenstetten die Pfarre Wolfsbach mit all ihren
Filialkirchen, zu denen auch die in Seitenstetten und jene "auf dem Berg
des hl. Michael" zählte, die an Oberösterreich heranreichte. Die
Großpfarre Wolfsbach schrumpfte allerdings im Verlauf des 13. und 14. Jahrhunderts
immer mehr durch Errichtung eigener Pfarreien.
Einer Gepflogenheit des Mittelalters
folgend, überließ das Stift Seitenstetten die Seelsorge in den ihm zugehörigen
Pfarreien, so auch in Wolfsbach, Weltpriestern. Diese waren dem Bischof in
Passau verantwortlich, mussten aber einen Teil ihrer Einkünfte an das Stift
abgeben. Dieses System führte nicht selten zu Unstimmigkeiten sowohl zwischen
dem Stifte und dem Bischof als ich dem Stifte und den Weltpriesterpfarrern in
Wolfsbach. Es ist zu begreifen, dass das Stift durch die volle Inkorporation
(Einverleibung) der Pfarre diesem Zustand ein Ende bereiten wollte. Sie gelang
ihm auch schließlich 1517 durch päpstliche Genehmigung. Nach dem Tod des
Weltpriesterpfarrers Christoph Schabenrüssel (1520) ergriff Abt Andreas von
Seitenstetten Besitz von der Kirche in Wolfsbach. Benediktiner aus dem Stift
treten immer häufiger als Seelsorger in Wolfsbach auf. Mit Erfolg fördern sie
das Werk der Rekatholisierung in der Zeit der Glaubensspaltung. Der letzte
Pfarrer von Wolfsbach aus dem Weltpriesterstand, Martin Ainhaiser, starb 1625.
Sein Grabstein findet sich in der Vorhalle der Kirche.
Daß es auch nach der Inkorporation
gelegentlich zu Spannungen gekommen ist, zeigt eine Beschwerde, die von der
Wolfsbacher Pfarrgemeinde 1560 gegen Abt Georg von Seitenstetten bei Kaiser
Ferdinand I. erhoben worden ist. Man erhob Einwände dagegen, dass der Pfarrer
im Stift wohne und so Wolfsbach zu einer Filiale von Seitenstetten gemacht
würde. Zwei aus Wolfsbach stammende Benediktiner von Seitenstetten gelangten
zur Abtwürde, beide wurden genötigt, ihr Amt zurückzulegen: Abt Lorenz
Alindorfer zu Meilersdorf im Jahre 1419, Johannes II. Wolfspecker im Jahre
1548.
Diesen Wolfsbachern mit tragischen
Schicksalen dürfen solche mit freundlichen gegenübergestellt werden: Es sind
dies die Brüder P. Leopold und P. Carl Puschl, Söhne des um die Musikpflege in
Wolfsbach hochverdienten Johann Puschl, der 65 (!) Jahre in Wolfsbach als
Lehrer wirkte. Die Brüder Puschl waren nicht nur ausgezeichnete Professoren und
Erzieher am Stiftsgymnasium, sondern genossen auch als Wissenschaftler hohes
Ansehen.
An der Kirche von Wolfsbach rühmen
Kunstkenner die "wunderschöne Lage", die einen "herrlichen
Ausblick auf die Alpenkette" bietet; der Friedhof schließt sie ein. Ihr
Ursprung reicht in die Anfänge Wolfsbachs (8. - 9. Jahrhundert) zurück. In der
heutigen Gestalt stellt sie ein schlichtes Werk spätgotischer Kunst dar. Ihre
Maße sind bescheiden: Länge 26,5 m, Breite zwischen 13,5 m und 6,5 m, Höhe 10,9
m. Eine Urkunde berichtet von der Weihe des Presbyteriums, des Hauptaltares und
der Seitenaltäre am 6. Juni 1456. Diese Weihe deutet auf eine wesentliche
Veränderung an der Kirche hin, gab es eine Brandkatastrophe? Der barocke
Turmhelm wurde 1833 errichtet, die Kirche selbst von 1908 bis 1909 renoviert
und dabei regotisiert. Die letzte Sanierung erfolgte nach dem Zweiten
Weltkrieg. Das spätgotische Südportal öffnet den Zugang zum Vorraum, in dem sich
3 rotmarmorne Grabsteine befinden. Der Kirchenraum selbst ist eine breite,
dreischiffige Halle, der Grundriss ist annähernd quadratisch, zierliche
Steinrippengewölbe überdachen den Kirchenraum. Erwähnenswert sind: eine links
neben dem Hauptaltar angebrachte, lebensgroße Holzplastik aus dem 16. Jahrhundert,
die Muttergottes mit dem Kind; eine reich bewegte Figurengruppe an einer Säule
im rechten Kirchenschiff, die Schmerzensmutter unter dem Gekreuzigten, aus dem
18. Jahrhundert; an der linken Seite des Kirchenschiffes der Grabstein des
"Wolfgang von Meielstorff" aus rotem Marmor mit lebensechter
Relieffigur von 1501.
Der Pfarrhof wechselte mehrmals seinen
Standort, erlitt Schäden durch Kriegseinwirkung und brannte wiederholt ab. Der
letzte wurde in größerer Kirchennähe 1953 - 1955 errichtet.
Da Wolfsbach vorwiegend eine bäuerliche
Gemeinde ist, muss ein Gang durch seine Geschichte diesem Umstand Rechnung
tragen. Ihr Ursprung liegt in der Zeit nach den Awarenkriegen Karls des Großen
(um 800), in der alles anbaufähige Land fast lückenlos besiedelt wurde.
Einschneidende rechtliche und wirtschaftliche Maßnahmen sind mit dem Landausbau
verknüpft. Der Gemeindebesitz und das wechselnde Nutzungsrecht weichen dem
Privatbesitz, der sich rasch einbürgert. Dieser hatte die Festsetzung der
Parzellengrenzen und die Einführung der Flurnamen zur Folge. Neben
Haufendörfern gibt es Einzelhöfe, die Größe der einzelnen Höfe ist verschieden.
Die Grundobrigkeit ist meist zersplittert, sodass es für mehrere benachbarte
Höfe verschiedene Grundherrschaften gibt. Bis 1150 war der Landesausbau in der
Ebene und im Hügelland vollendet, und man kann annehmen, dass um diese Zeit in
Wolfsbach alle heute bestehenden Dörfer, Weiler und Einzelhöfe schon besiedelt
waren. Das "Historische Ortsnamenbuch von Niederösterreich" führt für
die Zeit vom 12. - 14. Jahrhundert lückenlos alle Gehöftnamen an.
Im 13. Jahrhundert bilden die Bauern
bereits einen einheitlichen geschlossenen Stand, der eine bestimmte
Arbeitsweise und Lebensform und ein eigenes, stark religiös bestimmtes Brauchtum
entwickelt hat. Eine Besonderheit wies der Bauer im Bezirk Amstetten auf:
Während im übrigen Niederösterreich das Eigentumsrecht an Grund und Boden ein
geteiltes war, nämlich das Nutzungsrecht der Bauern und das Obereigentum der
Herrschaft, hatten sich bei uns einige wenige Bauern erhalten, die
"ungeteilte Eigentümer" ihres Gutes waren und an keine Herrschaft
Grundzins zahlten. Als freie Männer waren die meisten dieser Bauern Beisitzer
des Ennser Landgerichtes. In Bubendorf gab es deren 3, die Inhaber der Höfe Nr.
1, 2 und 3. Eine feste Lebensordnung regelt schon früh die Arbeit des Werktags
und gibt dem Feierabend, dem Sonntag und Feiertag, der Geburt und Taufe, der
Hochzeit und dem Tod ihre besondere Prägung, Wert und Würde. Diese bäuerliche
Lebensform und Kultur, die sich mit großer Beständigkeit über die Jahrhunderte
hinweg erhielten, brachten oft Leistungen zustande, die dem Kunsthandwerk
zuzurechnen sind. Das Mostviertler Bauernmuseum der Familie Distelberger
vermittelt einen geschlossenen Überblick über Jahrhunderte bäuerliche Kultur.
Die Reichhaltigkeit und Gediegenheit dieser Kultur verdankt das Mostviertel
seinem speziellen Erzeugnis, dem Most, der guten Absatz fand und Geld ins Haus
brachte. Wolfsbach war bekannt wegen seiner gepflegten Obstkulturen.
Nicht gering einzuschätzen ist der
besondere Wert der Nachbarschaft. Im Laufe der Zeit hat sich ein
Nachbarhilferecht herausgebildet, das in Notsituationen, bei Bränden und
Überschwemmungen, in Krankheit und Krieg ebenso verpflichtet wie ein Gesetz.
Das System der Grundherrschaft hatte sich
in den langen Jahrhunderten bis zum Ende des Mittelalters eingespielt und wurde
durchaus nicht als drückend empfunden. Es wurde umso williger hingenommen, als
es den Bauern nicht nur Lasten auferlegte, sondern auch in
Katastrophenfällen eine Schutzfunktion ausübte. Erst am Beginn der Neuzeit
verschlechterte sich die Lage der Bauern. Der grundbesitzende Adel war
gegenüber dem aufstrebenden Bürgertum ins Hintertreffen geraten und suchte sich
durch Steigerung der Leistungen der Bauern bei gleichzeitiger Beschneidung oder
Aufhebung ihrer Rechte schadlos zu halten. Dies führte zum großen
Bauernaufstand von 1596/97 in der unmittelbaren Umgebung von Wolfsbach, der
gegen einzelne Grundherren geführt wurde, die unerträgliche neue Lasten
aufgeladen hatten. Die Erhebung brach zusammen, die Bauernführer wurden
hingerichtet. Vergeblich sucht man nach größeren Aktivitäten der Wolfsbacher
Bauern in dieser Zeit. Wohl aber traten sie 1848 in Aktion. Das von der
Revolution in Wien eingerichtete Parlament hatte bereits die Bauernbefreiung
gesetzlich verankert. Das Stift Seitenstetten dürfte als Grundherrschaft der
neugeschaffenen Situation nicht voll Rechnung getragen haben. So zog Matthäus
Schadauer, Bauer in Planken, mit zahlreichen Bauern aus Wolfsbach und Umgebung
vor dem Stift auf. Zwischen dem Abt Joseph Gündl und den Bauern kam es zu
keiner Einigung, sodass man schließlich zur Gewalt schritt. Ortmayr-Decker
nehmen dazu in ihrem Buch "Das Benediktinerstift Seitenstetten" auf
Seite 311 Stellung: "...Mit Rücksicht auf seine erschütterte Gesundheit,
die besonders 1848 durch das Eindringen einer wilden Bauernrotte in die
äbtlichen Gemächer schwer gelitten hatte, entschloss sich Abt Joseph, am 12.
Juli 1851 seine Bürde niederzulegen".
Glaubensstreit und Türkennot:
Welche Auswirkungen hatten Glaubensstreit
und Türkennot auf meine Heimat? Die Welle des Protestantismus wurde auch nach
Österreich gespült und drohte die Einheit der Kirche zu sprengen; dazu kam die
Gefahr von den Türken her, die damals unter Suleiman II. auf dem Höhepunkt
ihrer Macht standen.
Nach Schweickhardt ("Darstellung des
Erzherzogtums unter der Enns") hat sich die Pfarre Wolfsbach vom
Protestantismus immer rein gehalten. Gelegentlich war man im Interesse der
Seelsorge auch zu Konzessionen bereit: 1566 saß nämlich in Wolfsbach als
Pfarrer ein ehemaliger Konventual des Stiftes, Johannes, mit Weib und Kind.
Nähere Auskünfte über diese Zeit fehlen. Dies hat wohl seinen Grund darin, dass
der Pfarrhof von Wolfsbach 1639 durch Feuer völlig zerstört wurde. Von diesem
Jahr ab liegen Matriken lückenlos vor.
Das Schicksal des Abtes Johannes III.
Wolfspecker, der in dieser aufgewühlten Zeit nur ein Jahr (1547 - 1548) dem
Stifte vorstand, mag als charakteristisch für die Situation gelten, vor die
sich manche Klöster gestellt sahen. Der abgesetzte Prälat, der in einem Jahr
Aufstieg und Fall erlebt hatte, schied noch im gleichen Jahr aus dem Leben.
Die Erneuerung des katholischen Glaubens
trug im 18. Jahrhundert auch in Wolfsbach ihre Früchte. 21 jährliche
Wallfahrten, die ein Bericht aus dem Jahre 1771 anführt, sind ein beredtes
Zeugnis dafür. In punkto Wallfahrtseifer sind sich übrigens die Wolfsbacher bis
heute treu geblieben.
Die barocke Kunst fand in dieser Zeit in
der schönen Kircheneinrichtung ihren Niederschlag.
Das 16. und 17. Jahrhundert waren durch
wiederholte Einfälle der Türken für unsere Heimat eine Zeit schwerster
Bedrängnisse. Der Aufmarsch der Türen vor Wien 1529 erfolgte in riesiger Stärke
und bedrohte Österreich südlich der bis an die Enns. Die leicht bewaffnete
türkische Reiterei, Akindschi oder "Brenner und Senger" genannt, zog
unter ihrem Anführer Mihal Oglu in drei Abteilungen, jede ungefähr 10.000 Mann
stark, südlich der Donau gegen Westen und überflutete Wolfsbach und Umgebung in
den ersten Oktobertagen. Eine Rotte von Türken äscherte den Pfarrhof ein, doch
sind von ihr sonst keine größeren Schäden angerichtet worden.
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