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Kurzgeschichte des Marktes Ardagger

Nr. 171 - 1. Juli 1986 - 15. Jahrgang

Kurzgeschichte des Marktes Ardagger (von Karl Kneissl)

Markt Ardagger wurde in wirtschaftsgeographischer Hinsicht zweifach bedeutsam.
Zum einen besaß es "Am Stein" den einzigen wegsamen Übergang über die Donau. Westlich davon behinderte das wasser- und sumpfreiche Machland den Übergang, im Osten sind es die hohen und steilen Bergrücken des Strudens. Diese Überfuhr war so wichtig, dass sie in landesfürstlichem Besitz blieb.

Zum zweiten bot Ardagger die beste Möglichkeit, auf dem Landweg dem sehr gefürchteten Wirbel und Strudel der Donau auszuweichen. Hier begann die Straße, die über den Edthof und Viehdorf gegen die Stadt Ybbs führte. Sie trug den bezeichnenden Namen "Herfurt", das heißt Heerstraße.

Doch auch wichtiger Anlegeplatz für die Schiffahrt war Ardagger. Die Felsen und Riffe im Wasser des Strudengaues machten diese Strecke bei gewissen Wasserständen nahezu unfahrbar. Ardagger Markt wurde dadurch zum wichtigsten Anlegeplatz oberhalb des Strudengaues. Hier wurde die Fracht auf kleinere Schiffe umgeladen und auch kurzfristig gelagert.

In Ardagger gab es Lotsen, die sogenannten Strudenfahrer (sie mussten Nichtschwimmer sein!), die an Bord genommen wurden, um die Schiffe sicher durch den Struden zu lenken. Bei Sarmingstein wurden sie wieder an Land gebracht, von wo sie 13 km zurück nach Ardagger gingen. Die Entlohnung richtete sich nach dem geschätzten Risiko.

Darum hat Ardagger eine alte, bedeutende Geschichte. Urgeschichtliche Funde stammen aus unterschiedlichen Epochen. Weitere Funde zeugen für eine bedeutende Siedlung zur Römerzeit. Die Tradition behauptet, dass auf dem Kirchhügel auch ein römischer Wachtturm gestanden sei. Das konnte aber die Untersuchung durch das Bundesdenkmalamt nicht bestätigen.

Vielleicht hat es schon zur Römerzeit hier Weinbau gegeben. Die Terrassen dafür sieht man heute noch entlang der nach Süden gerichteten Hänge. Der Weinbau reichte in dieser Gegend allerdings bis in die frühere Neuzeit hinein.

Unter den Karolingern wird Ardagger 823 in den Besitz des Hochstiftes Passau gekommen sein. Passau will hier zwei Gotteshäuser errichtet haben. Aber "durch die Habsucht der Markgrafen", klagte das Hochstift, sei ihm dieser Besitz entwendet worden. Das beweist, wie wichtig man Ardagger im Frühmittelalter genommen hat.

Markt Ardagger entwickelte sich in der Folge zu einem hochbedeutsamen Fernhandelsplatz, besucht von den Kaufleuten aus Regensburg. Er konnte mit Linz konkurrieren. Die Kreuzzüge, die mehrfach donauabwärts ihren Weg nahmen, erhöhten noch die Stellung und den Reichtum des Marktes. 1147 hielt sich hier Kaiser Konrad III. mehrere Tage auf, um das Heer des 2. Kreuzzuges zu erwarten. Den Bewohnern wurde ein Privileg verliehen, das sonst nur einer städtischen Bevölkerung zukam: Es wurde in Streitsachen von dem Gottesurteil der Wasserprobe befreit.

Der Markt unterstand der Propstei des Stiftes Ardagger. Das Verhältnis war schlecht.

Mitte des 13. Jahrhunderts verlor Ardagger sein privilegiertes Handelsrecht. Wahrscheinlich kam es an Amstetten, das zu dieser Zeit plötzlich als privilegierter Markt erscheint. Es war dies der schwerste Schlag, den Ardagger hinnehmen musste. Es sank vorübergehend fast zur Bedeutungslosigkeit hinab.

Die Pfarrkirche ist dem heiligen Nikolaus, dem Schutzpatron der Wege zu Wasser und zu Land, geweiht. Sie liegt auf steiler Höhe. 123 Steinstufen führen hinauf. Baulich gesehen, gilt die Kirche als eine der ältesten im Bezirk. Die niederen, nun freigelegten romanischen Rundbogenfenster beweisen es.

Sehenswert ein Fresco aus dem 13. Jahrhundert und die frühgotische Darstellung der beiden Testamente im Mittelfenster des 5/8-Schlusses. Ardagger war an Erlakloster zehentpflichtig.

Bis ins 14. Jahrhundert Floss das "schwere Wasser" der Donau an der Lände
von Stephanshart vorbei. Mit dem Versanden dieses Wasserarmes entwickelte sich Ardagger wieder immer mehr zum geeignetsten Verladehafen vor dem Strudengau.

Seit 1496 gehörte der Markt dem Gauprivileg der Eisenwurzen an. Kamen stromaufwärts vor allem Getreide, Wein, Honig und Wachs aus Ungarn, so wurden stromabwärts Holz, Vieh und Fleisch, Obst, Leder und Eisenwaren (Waidhofen) transportiert.

Die Wasser der Donau legen an und reißen ab. So ist der Anlegeplatz von der Kochmühle (unterhalb der Tankstelle Schnabl) zum Lettenspitz (Straßenauffahrt bei Gasthaus Auer) und weiter bis zum Schatzkastl (Gasthaus Mimmler) gewandert. Das sind 1.400 m.

Markt Ardagger wurde zum "Goldenen Marktl" und blühte wieder immer mehr auf. Die Schifferzunft beherrschte den Ort. Der Schiffmeister wurde zum mächtigsten Mann. Um 1580 entstand das Schiffermeisterhaus. Der Markt erhielt Marktsiegel und Wappen: Auf weiß-rot-weißem Schild ein Stroz (diente zum Auflegen der Schiffsseile) mit gekreuztem Ruder und Schiffshaken.

Der Schiffmeister hatte eine eigene Schopperwerkstätte zur Reparatur seiner Holzschiffe. Hier entstand auch ein neues Holzschiff. Der "Ardagger", wie dieses Schiff überall genannt wurde, diente zur Schnellversorgung Wiens. Der "Ardagger" wurde später bis zum Inn hinauf nachgebaut und befuhr die Donau bis nach dem 1. Weltkrieg. Dieses schnelle und wendige Holzschiff wurde von nur zwei Mann bedient. Es hatte ein Antauch-, ein Seiten- und ein Steuerruder, war 9 Meter lang, 2,20 m breit und sehr gebaucht. Die 70 cm hohen Wände konnten gegen den Wellenschlag mit Aufsetzbrettern versehen werden. Das Schiff hatte hinten und vorne einen ca. 80 cm breiten Stock (vorne mit Eisen beschlagen) und einen eisernen Ring zum Zurückziehen für das Seil. Die Tragfähigkeit betrug 5 Tonnen. Das Schiff transportierte hauptsächlich Frischfleisch, Obst und Gemüse. In Ardagger fuhr man sehr früh weg, übernachtete in Tulln und war nächsten Vormittag in Wien.

Nebst den verschiedenen Plätten, Traunern, gedeckten Salzschiffen und der Fliesstein zur Personenbeförderung gab es Kehlheimer und Siebnerinnen. Sie dienten zur Verladung von Schwer- und Massengütern.

In Ardagger wurde auch Stein gebrochen. Bis zu 300 Tonnen Pflastersteine konnten in den 40 m langen, 7,50 r breiten und 1,90 m hohen Siebnerinnen nach Wien und Budapest verladen werden. Ein geprüfter Nauführer mit 12 Mann Besatzung war oft 14 Tage lang unterwegs. An die Gegen- oder Treiberzüge wurden durch den Struden bis zu 60 Pferde angespannt. An die 50 Schiffleute kamen dann nach Ardagger, wo umgespannt wurde.

Bei zu hohem Wasserstand konnte im Gschirrwasser der Au nicht weitergefahren werden, und der Markt war durch mehrere Schifferzüge übervölkert, obwohl 11 Gasthäuser zur Verfügung standen. Der Schwarzhandel blühte. Von überall kamen Menschen, um Geschäfte zu machen. Dorfrichter, Nachtwächter und Wundarzt hatten viel zu tun, denn es wurde auch viel gerauft. Oft wurde auch ein Schifferball abgehalten.

Markt Ardagger war einer der Orte, der in der Zeit der protestantischen Wirren katholisch geblieben war. Er nützte diese Chance und erreichte im Jahre 1567 die Dorfgerichtsbarkeit. Gerichtsbücher und Pranger stammen aus dieser Zeit.

Markt Ardagger war bei der Auseinandersetzung zwischen Rudolf von Habsburg und Ottokar von Böhmen der erste Ort im Herzogtum unter der Enns, der sich freiwillig zu Rudolf bekannte. Daher finden wir auf dem Pranger und dem Marktbrunnen den blechernen Sauschädel, Symbol der Kaisertreue, des Glücks und des Handels.

Die Sprengungen im Strudengau zur besseren Fahrbarmachung der Donau, die Dampfschiffe und die Eisenbahn brachten eine große Umwälzung. Ardagger büßte seine Möglichkeiten wieder ein. Um das einstige goldene Marktl wurde es allmählich still.

Von den 11 Gasthäusern blieben nur 4 übrig, und auch Lebzelter, Seiler, Riemer und Sattler verschwanden. Die Umstellung konnte der Markt nur schwer verkraften, sie machte ihm besonders zwischen den beiden Weltkriegen arg zu schaffen.

Ardagger erlebte viele Hochwässer mit schweren Schäden an Haus und Flur. Gefürchtet waren die "Wintergießen" und die Eisstöße, deren Schollen die Bäume anschlugen und zum Absterben brachten.

Im Jahre 1866 lagen noch im Juni Eisreste im Augebiet. Erst die Uferverbauungen um die Jahrhundertwende brachten eine Besserung. Leider wurden dabei auch viele Einstände der Fische zerstört.

Der Hochwasserschutzdamm und die darauf verlaufende Umfahrungsstraße brachten Markt Ardagger ein neues Gesicht und neue Möglichkeiten. Es war für Ardagger Markt ein großer Tag, als ÖR LABG. Bürgermeister Karl Amon am 17. Dezember 1979 die Umfahrung ihrer Bestimmung übergeben und für alle Zeiten den Schutz des Marktes, seiner Häuser und Gärten vor Hochwässern verkünden konnte.


Die renovierte und des Abends oft angestrahlte Nikolauskirche grüßt herunter und mahnt zur Vorsicht auf den neuen Verkehrswegen - den Straßen.

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