Nr. 186 - 1. Oktober 1987 - 16. Jahrgang
Die Demarkationslinie während der
Besatzungszeit 1945 - 1955
(von Josef Plank, Vzbgm. d. Gde. Ennsdorf)
Die letzten Tage vor Errichtung der
Demarkationslinie
Die Befehle zur Verteidigung Oberösterreichs lagen in den Händen des
Gauleiters August Eigruber von Oberösterreich, der als
Reichsverteidigungskommissar dazu berechtigt war. Der niederösterreichische
Gauleiter Dr. H. Jury, übergab ohne Wissen des Oberbefehlshabers, Dr. L.
Rendulic, die Verteidigungsgewalt über den restlichen niederösterreichischen
Teil an A. Eigruber. Der versuchte noch über Betreiben der Amstettner
Parteifunktionäre, entlang der Ybbs bis Amstetten und von dort bis Kollmitzberg
eine Verteidigungslinie auszubauen.
Man hob Schanzen, Splittergräben und Panzerdeckungslöcher aus, doch
wurden sie nicht benützt. Im März 1945 wurde das Gemeindegebiet von Ennsdorf
Kampfgebiet.
Am 28.März bezogen ehemalige deutsche Infanterieeinheiten (ca. 800 Mann)
die Stellungen in Ennsdorf. Ferner befanden sich im Gemeindegebiet
Flakeinheiten und Truppen der OT (Organisation Todt). Am 5. Mai 1945 wurden
diese Truppen durch SS - Verbände abgelöst. Bereits am 7. Mai um 15.00 Uhr
trafen sich Offiziere der Waffen-SS und der amerikanischen Truppen auf der
Mitte der Ennsbrücke zu Verhandlungen. Jedoch nach 10 Minuten wurde diese
Verhandlung ergebnislos abgebrochen. Ab 19 Uhr nahmen amerikanische
Granatwerfer Ennsdorf unter direkten Beschuss.
Ziel des bis 24 Uhr anhaltenden Granatwerferfeuers war es, die
Stellungen der Waffen-SS, Funk- und Beobachtungsstellen zu zerstören. Nach
einer kurzen Feuerpause versuchten amerikanische Einheiten, von Enns kommend,
über die Ennsbrücke nach Ennsdorf vorzudringen. Durch starkes MG-Feuer der
Waffen-SS waren die amerikanischen Truppen zum Rückzug gezwungen. Anschließend
setzte schweres Granatfeuer von amerikanischer Seite ein, es dauerte bis gegen
2 Uhr früh. Die Verbände der Waffen-SS zogen sich an den nahen, östlich von
Ennsdorf gelegenen Wald zurück.
Um ca. 4 Uhr früh wurde Ennsdorf von den amerikanischen Einheiten
eingenommen.
Zwei Tage nach der Besetzung durch die Amerikaner, am 10. Mai also,
kamen die Soldaten der Sowjetunion, sie übernahmen von der amerikanischen
Besatzungsmacht das Dorf.
Es fand keine Übergabe statt. Die amerikanische Einheit verließ einfach
das Territorium und zog sich auf die andere Seite des Ennsflusses zurück.
Die Errichtung der Demarkationslinie
Durch den Verlauf der Demarkationslinie „Ennsfluss“ wurde das kleine
Dorf ein Kontrollpunkt der sowjetischen Besatzungsmacht.
Die Züge wurden angehalten und von den Streifen der Besatzungsmächte
(auf oberösterreichischer Seite durch die Amerikaner, auf
niederösterreichischer Seite durch die Russen) kontrolliert. In den ersten
Tagen war die Ennsbrücke überhaupt gesperrt. Nach langen, zähen Verhandlungen
der österreichischen Regierung mit den Vertretern der Besatzungsmächte wurde
vorerst der „Passierschein"ausgestellt. Im Dezember 1945 gab es die
viersprachige „Alliierte Reiseerlaubnis" (rosa Karte), befristet für 6
Monate. Im Mai 1946 wurde diese „Alliierte Reiseerlaubnis" für die Dauer
ausgestellt (rote Karte). Dazu kam bis zum Staatsvertrag der „Identitätsausweis"
(gelb).
Im Bauernhof des Landwirtes Plochberger (heute Zittmayr) wurde die
russische Kommandantur eingerichtet. Für die Unterbringung der Soldaten zog
man auch den Gasthof Jandl (jetzt „Zum grünen Paprika") heran. Die strenge
Kontrolle an der Ennsbrücke wurde für die Durchführung des 1. Österreichischen
Radrennens am 25. April 1952 gelockert. Ein zweites Mal war dies der Fall als
die Pummerin die Ennsbrücke passierte.
In den fünfziger Jahren kam wieder das gewohnte Leben auf, die
russischen Soldaten sah man als ein vorhandenes Faktum an. Die Bekanntgabe des
Staatsvertrages löste allgemeine Freude aus. Am 22. August verließ der letzte
russische Soldat das Dorf.
Das Leben hinter der
Demarkationlinie
Die Geschicke der Gemeinde wurden ab Mai 1945 von folgenden
Bürgermeistern geleitet:
08.05.1945-07.01.1946 - Matthias Pölzl
07.01.1946-28.06.1947 - Michael Messelberger
28.06.1947-18.05.1952 - Johann Schmidt
19.05.1952-27.04.1960 - Franz Steinbauer
27.04.1960-laufend - Johann Zauner
Interessantes aus den
Gemeinderatssitzungen der Jahre 1945 - 1955
7. 1. 1946
Das Ergebnis der Waldbegehung ergab, dass der Gemeindewald fast zur
Gänze geschlägert werden musste. Dieses geschlägerte Holz durfte über die
Gemeindegrenze hinaus nicht verkauft werden. Laut Forstdirektion Waidhofen
waren auch private Waldbesitzer von der Schlägerung betroffen.
5. 2. 1946
Betreffend die Ausstellung "Alliierter Reisepässe" erklärte
der Bürgermeister, dass seine Vorsprache bei der BH Amstetten, Passabteilung,
ergebnislos verlaufen sei: Die Ausstellung von Reisepässen wird auch weiterhin
nur in beschränktem Umfang erfolgen. Außerdem erscheint die Möglichkeit eines
kleinen Grenzverkehrs zwischen Ennsdorf (NÖ) und Enns (OÖ), russische Zone ‑
amerikanische Zone, nicht gegeben.
Ferner teilte der Bürgermeister mit, dass neuerlich 50 m3 Holz zu
liefern seien, demnach hätte die Gemeinde Ennsdorf insgesamt 150m3 Holz an die
Rote Armee zu liefern.
9. 4. 1946
Punkt 3 dieser Tagesordnung lautete "Ortshilfe". Es wurde für
diese Angelegenheit ein Ausschuss bestellt, dessen Aufgabe darin bestand, die
Interessen des Arbeitgebers einerseits und des Arbeitnehmers anderseits
zu vertreten. Weiters wurde ein Wohnungsausschuss zur Erfassung aller
bestehenden und freiwerdenden Wohnungen geschaffen.
7. 5. 1946
Aufgrund einer Waldbegehung wegen Borkenkäferbefall wurde beschlossen,
sofort mit der Holzschlägerung zu beginnen, um den Jungwald zu retten.
14. 8. 1946
Der Bürgermeister berichtete, dass die Gemeinde Ennsdorf 39 Waggon
Kartoffeln und ungefähr 10 Tonnen Brotgetreide zu liefern habe.
27. 10. 1946
Gründung eines Geschäftsausschusses, der für die Verteilung von
Bekleidungsstücken, Schuhen und Fahrradbereifung verantwortlich war.
16.11. 1946
In der oa. Gemeinderatssitzung wurde die Aufnahme eines
Gemeindesekretärs beschlossen, der spätere Bürgermeister Johann Schmidt.
17. 3. 1947
Tagesordnungspunkt II: Aufrechterhaltung eines Krankenhauses und
Altersheimes in St. Valentin. Der Gemeinderat fasste den Beschluss, Krankenhaus
und Altersheim aufrecht zu erhalten.
16. 5. 1947
Laut Mitteilung der Landesregierung war für die Aufbringung von Schlachtvieh
ein Kontrollausschuss zu bilden. Es waren zwei Produzenten (Landwirte) und ein
Konsument namhaft zu machen.
3. 12. 1950
Bundespräsident Dr. Karl Renner wird in Würdigung seiner großen
Verdienste für die Republik Österreich anlässlich seines 80. Geburtstages gemäß
§ 8 der NÖ Gemeindeordnung das Ehrenbürgerrecht verliehen.
5. 8. 1953
Am 18. Juli wurde Ennsdorf von der größten Unwetterkatastrophe seit
Jahren heimgesucht. Die Erhebung ergab, dass im Gemeindegebiet ca.
400 Obstbäume entwurzelt waren. Ferner wurden mehrere Dächer abgedeckt,
mehr als 20.000 Dachziegel wurden abgehoben - zerstört. Weiters waren mehrere
Telefonmaste umgeworfen.
Diese Auszüge aus den Gemeindeprotokollen
sollen die Arbeit in der Gemeindestube "Seinerzeit" wiedergeben.
18. 4. 1948
Mit 1. April 1948 wurde in Ennsdorf eine Expositur der Gendarmerie St.
Valentin mit zwei Gendarmen errichtet. Die Unterbringung erfolgte im Haus
Ennsdorf Nr. 33 (bekannt als „Altes Posthaus").
17. 10. 1948
Da das Krankenhaus in Langenhart/St.Valentin keinen rechtlichen Besitzer
hatte, sollte es in das Eigentum aller im Gerichtsbezirk Haag befindlichen
Gemeinden übergehen. Es war beabsichtigt, das Krankenhaus als
"Spitalsverein" zu führen und einen Förderungsbeitrag einzuheben. Da
erfahrungsgemäß die erkrankten Gemeindebürger überwiegend in den Krankenhäusern
Enns und Linz Aufnahme finden, wurde von einem Beitritt Abstand genommen.
26. 5. 1949
Der Bürgermeister gab bekannt, dass am 16. Mai Herr Hofrat Dr. Ing. Jung
des Amtes der NÖ Landesregierung zur Feststellung etwaiger günstiger
Wasservorkommen für ein Wasserversorgungsanlage verschiedene Erhebungen
durchführen ließ. Dies Erhebungen ergaben jedoch nicht die erforderliche
Wasserergiebigkeit. Es wurde daher beschlossen, betreffen einen Anschluss an
die Wasserversorgung der Stadt Enns sofort Kontakt aufzunehmen.
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