Nr. 57 - 1. Jänner 1977 - 6 .Jahrgang
Die Marktgemeinde Neuhofen an der
Ybbs
von Volksschuldirektor Franz Panstingl
Neuhofen liegt zwar etwas abseits,
ungefähr 8 km südlich von Amstetten am Rande der Voralpen. Doch hat gerade das
Babenberger-Gedenkjahr 1976 die allgemeine Aufmerksamkeit wieder mehr auf
diesen alten Markt gelenkt. Bekanntlich wird ja der Name Ostarrichi erstmals in
einer Urkunde des Jahres 996 speziell auf das heutige Österreich angewandt,
durch die Kaiser Otto III. dem Bistum Freising einen Hof und 30 Königshufen in
Niuuanhova, dem heutigen Neuhofen, schenkte. Das hat Neuhofen den Namen
"Ostarrichi-Gemeinde" und dem Bezirk Amstetten den stolzen Namen der
Wiege Österreichs eingetragen. Deshalb wurde auch in Neuhofen am 26. Oktober
1976 der Grundstein zu einer Ostarrichi-Gedenkstätte gelegt. Die
Ostarrichi-Urkunde hängt ja enge mit der Entstehung Neuhofens zusammen:
Durch die kraftvolle Hand der Babenberger
waren die Ungarn gegen Ende des 10. Jahrhunderts schon so weit zurückgedrängt, dass
ein weiterer Einfall ins westliche Niederösterreich nicht mehr zu fürchten war.
Das lockte viele bairische Siedler in diese Gegend. Auch das Bistum Freising
wollte dabei nicht leer ausgehen und setzte sich am Rande der alten Salzburger
Pfarre Winklarn fest. 995 erhielt es durch Tausch sechs Königshufen in
Ulmerfeld. Ein Jahr darauf ließ er sich vom Kaiser in unmittelbarer
Nachbarschaft den "Neuen Hof" samt 30 Königshufen schenken. Unter den
Königshufen haben wir aber nicht ausgebaute Höfe zu verstehen, sondern
Grundstücke von etwa 33 ha je Königshufe, auf denen dann Freisinger Siedler
stattliche Bauernhöfe errichten konnten. Diese große Grundschenkung des Kaisers
war der Ausgangspunkt für die Freisinger Herrschaft in Ybbstal, die bis 1803
bestand.
Auch Neuhofen wurde von Freising
systematisch ausgebaut. Ein Güterverzeichnis um 1160 spricht bereits von einer
Ortschaft Neuhofen. Durch einen Tausch mit der Diözese Passau gelang es
Freising zwischen 1210 und 1240, sein Herrschaftsgebiet um Neuhofen samt Zehentabgaben
aus dem passauischen Pfarrsprengel Amstetten herauszulösen. Damals bestand
bereits die Kirche in Neuhofen. Ihrer Pfarre unterstanden auch Ulmerfeld,
Euratsfeld und St. Leonhard am Walde. Durch viele Schenkungen kamen Kirche und
Pfarre Neuhofen seit dem 14. Jahrhundert auch zu einer beachtlichen
Grundherrschaft. Ihre Untertanen entrichteten nun zwar die Abgaben nicht mehr
an die freisingische Herrschaft Ulmerfeld, doch stimmte Freising solchen
Schenkungen gerne zu, weil sich dadurch die Pfarre Neuhofen immer mehr selbst
erhalten konnte. Um 1350 war sie schon so bedeutend, dass die päpstliche Kurie
ihre Verleihung an sich zog.
Nun könnte man auch die Pfarrkirche weiter
ausbauen. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts wurde zunächst an das alte romanische
oder frühgotische Kirchenschiff ein neuer Altarraum mit Kreuzrippengewölbe
angebaut. Bis 1466 wurde dann auch das Langhaus zu einer dreischiffigen
spätgotischen Hallenkirche mit einem reichen und vorzüglich durchkonstruierten
Netzrippengewölbe umgebaut. Zu diesem Bau trugen jedenfalls auch die adeligen
Familien des Pfarrgebietes bei. Ein Schlussstein des Gewölbes zeigt noch
deutlich das kreisförmige Wappen der Häsib, die wohl die bedeutendsten Ritter
Neuhofens waren und auf Hag(berg) saßen.
Die Buchstaben L.H. deuten auf den Ritter
Lienhart Häsib. Auch der Ort nimmt im Mittelalter einen bedeutenden Aufschwung
und erhält spätestens durch Kaiser Maximilian I. das Marktrecht.
Bald aber setzten Rückschläge ein: 1529
brannten die Türken Neuhofen nieder. Inzwischen war die Herrschaft Hagberg an
die Familie der Geyer gekommen. Diese waren glühende Anhänger der Lehre
Luthers. So verbreitete sich auch in Neuhofen das Luthertum und wurde erst in
17. Jahrhundert überwunden. Auch am Bauernaufstand 1596/1597 nahmen viele Neuhofner,
geführt von ihren radikalen Schulmeister Georg Steinhauer, teil. Im 17.
Jahrhundert wütete mehrmals die Pest in der Gegend. 1683 drangen abermals
türkische Streifscharen bis Neuhofen vor, töteten 14 Personen und verschleppten
bei hundert Personen aus der Gegend.
Über dieses Türkenunglück besitzen wir
noch einen anschaulichen Bericht des damaligen Schulmeisters Ferdinand Michael
Pfeiffer. Er begründete in Neuhofen eine sehr begabte Musikerdynastie, die dort
bis 1809 die Schule leitete und den Organistendiest versah. Aus dieser Familie
stammen auch Franz Josef Pfeiffer, Organist in Maria Taferl und ein sehr
fruchtbarer Komponist (um 1770), und der Seitenstettner Organist Josef Anton
Pfeiffer, bei dem sogar Anton Bruckner eine Orgelprüfung ablegte.
Die katholische Erneuerung des 17.
Jahrhunderts brachte aber nicht nur eine neue Pflege der Kirchenmusik, sondern
auch eine schöne barocke Ausstattung der Pfarrkirche, die freilich der
Regotisierungswelle des 19. Jahrhunderts fast ganz zum Opfer fiel. Hingegen ist
die vorzügliche barocke Ausstattung der Filialkirche St. Veit in Toberstetten,
die seit 1435 nachweisbar ist und bald nach 1700 barock umgebaut wurde, noch
vorhanden. Auch eine Rosenkranzbruderschaft förderte im 18. Jahrhundert sehr
das religiöse Leben.
Das 19. Jahrhundert begann gleich mit drei
Franzoseneinfällen, zerriss die noch immer bestehende Verbindung mit Freising
und brachte die Pfarre durch die Auflösung ihrer Grundherrschaft (1850) um
einen Großteil ihrer Einkünfte. Die Leiden der beiden Weltkriege und die Sorgen
der Zwischenkriegszeit sind vielen heute noch eine sehr persönliche Erinnerung.
Das Ostarrichijahr 1946 machte aber
erstmals die Öffentlichkeit auf Neuhofen aufmerksam. Seither nimmt der
Fremdenverkehr in dem anmutig gelegenen Ort einen ungeahnten Aufschwung. 1973
wurden 20.000 Nächtigungen gezählt, davon 3700 Ausländernächtigungen. Dies ist
umso wertvoller, als das bisher fast rein bäuerliche Neuhofen keinen
Industriebetrieb besitzt. Von den rund 2.000 Einwohnern der heutigen Marktgemeinde,
zu der seit 1971 auch die Gemeinde Kornberg gehört, müssen ohnehin 450
Arbeitnehmer in den umliegenden Industriebetrieben arbeiten, und nur etwa 50
finden im eigenen Ort Beschäftigung.
Trotzdem ist Neuhofen ein sehr
aufstrebender Ort:
An die 100 Häuser wurden seit 1945 gebaut,
1972 eine Hauptschule erbaut und ein Kindergarten eingerichtet. Auch ein
Sportplatz und eine Turnhalle wurden geschaffen. Die Trachtenkapelle Ostarrichi
und das Katholische Bildungswerk pflegen das kulturelle Leben. Die renovierte
Kirche und das verschönerte Ortsbild machen heute Neuhofen zu einem
freundlichen Ort in einer von der industriellen Umwälzung noch kaum berührten
ländlichen Umgebung, zu einem Stück vorn alten Österreich in einer neuen Zeit.
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