Schuster und Gerber - Arbeit und Leben der ländlichen Handwerker des Mostviertels in früheren Zeiten
HeimatkundlicheBeilage zum Amtsblatt der Bezirkshauptmannschaft Amstetten
Nr. 187 - 1. November 1987 - 16. Jahrgang
Nr. 187 - 1. November 1987 - 16. Jahrgang
Arbeit und Leben der ländlichen Handwerker des Mostviertels in früheren Zeiten
(von Anton Distelberger, Mostviertler-Bauernmuseum)
8. Der Schuster
Bevor Fahrrad und Auto ihre Verbreitung fanden, musste meist
jede Strecke zu Fuß zurückgelegt werden "auf Schusters Rappen". Die
Straßen waren grundsätzlich aus Sand und Schotter, wodurch sich die Schuhe
schnell abnützten; sie mussten wieder gedoppelt und geflickt werden, und wenn
das nicht mehr möglich war, schaffte man beim Schuster neue an. Es gab also
viel Arbeit für die Schuhmacher. In dem doch nicht besonders großen Ort
Zeillern bei Amstetten zum Beispiel gab es früher sechs Schuster, von denen
jeder Lehrbuben und Gesellen beschäftigte und genügend Arbeit hatte.
Das Schustersterben begann mit der Verbreitung der Fahrzeuge
und der Schuhindustrie und unserer Entwicklung zu einer Wegwerfgesellschaft. Heute
gibt es hui noch einige wenige Schuster, die jedoch nicht mehr als
"Plickschuster" arbeiten, da Schuhe heutzutage durchwegs geklebt und
nicht mehr genagelt und genäht werden.
Jeder neue Schuh wurde früher von einem Schuster in
Handarbeit angefertigt. Die Schuhe wurden nicht mit einem Maßband angemessen,
sondern mit einem Papierstreifen. Die Länge des Streifens entsprach dem
Fersenumfang. Dann wurde er noch viermal eingerissen, und zwar einmal an der
Länge des Fußes, einmal nach dem Ristumfang, einmal nach dem Ballenumfang und
einmal nach dem Knöchelumfang. Auf den Streifen schrieb der Schuster den Namen
des Auftraggebers und fertigte exakt nach diesem Maß die Schuhe an. Das Leder
brachten die Bauern zum Teil selbst: sonst bezog er es vom Gerber. Er
verarbeitete verschiedene Lederqualitäten, nämlich Kernleder (das besonders
dicke und harte Leder vom "Kern" - der Mitte einer Haut), Bodenleder,
das etwas dünner war, das weiche Oberleder und das geschmeidige Futterleder.
Zuerst wurde das Oberleder zugeschnitten und zusammengenäht,
über den (hölzernen) Leisten gezogen und die "Brandsohle" (die innere
Sohle) angenäht. Diese Brandsohle bestand aus etwas dünnerem Leder
(Bodenleder).
Darauf wurde dann das bis zu einem Zentimeter starke Leder
der Laufsohle genagelt oder genäht. Demnach unterschied man je nach Belastung
der Schuhe die genagelten sowie einfach und doppelt (manchmal sogar dreifach)
genähte Schuhe. Die Arbeits- und Straßenschuhe wurden an der Sohle noch mit
"Mausköpfen", "Schenken" oder anderen Eisenplättchen beschlagen.
Dann musste die gesamte Sohle zurechtgeraspelt und geputzt und mit Schwärze
gestrichen werden.
Zum Nageln der Sohle verwendete der Schuster nur Holznägel,
zum Nähen Pechfäden. Dazu bediente er sich nicht der Nadel wie der Sattler, er
verwendete Sauborsten. Alten Schweinen wurden über dem Rücken die Borsten
ausgerissen, die längsten und stärksten ausgesucht, an einem Ende gespalten und
mit einem Fadenende eingedreht. Diese Borsten hatten den Vorteil, dass sie
recht beweglich waren, sodass der Schuster die Schuhe in jedem Winkel nähen
konnte.
Die Innenteile des Schuhs wurden teilweise geklebt. Dazu
verwendete der Schuhmacher den "Schusterpapp", der aus Weizenstärke
gemacht wurde. Ein Schuhmacher arbeitete etwa zwölf Stunden an einem Paar neuer
Schuhe.
Die Form und die Art der Herstellung eines Schuhs machte im
Lauf der Zeit eine wesentliche Entwicklung durch. Ursprünglich gab es den
"Bundschuh". Das war ein Fleck Leder, der einfach über dem Fuß
zusammengebunden wurde. Dann kam der "Holzbundschuh" mit einem hölzernen
Boden als Sohle. In weiterer Folge wurde dann der Schuh mit Ledersohle gemacht;
heute dominieren die Hartgummisohlen. Lange Zeit gab es auch keinen Unterschied
in der Form eines linken und rechten Schuhs; der Schuster verwendete nur einen
Leisten für ein Paar Schuhe, die völlig gleich wurden.
Der Schuster machte natürlich sämtliches Schuhwerk, das die
Leute brauchten, nämlich Stiefel, Halbschuhe, Sandalen, Schlapfen, Gamaschen
usw.
Im Mostviertel gab es sogar einen bedeutenden Schusterkirtag.
Wer kennt nicht den Kollmitzberger Kirtag, der ursprünglich der Schusterkirtag
war? Man sagt, dass früher 99 Schuster dort waren. Die Landbevölkerung kam von
weit her und ließ sich Schuhe anmessen und holte sie im nächsten Jahr beim
Kirtag wieder ab.
Die ländlichen Schuhmacher hatten meist nur sehr kleine
Häuschen, sodass sie oft in ihrer Wohnstube arbeiten mussten; manche hatten
auch eine separate Werkstatt, die aber meist so klein war, dass man sich
heutzutage kaum vorstellen kann, dass ein Meister und mehrere Gesellen in ihr
arbeiten könnten.
Diese Werkstätten hatten zudem nur gepflasterte Fußböden
oder überhaupt Lehmböden. Es ist daher verständlich, dass man in allen
Werkstätten eine "Schusterbruck" finden konnte: ein ca. 20 cm hohes
Holzpodest, das nur so groß war, dass der Schustertisch und auch die vorderen
zwei Beine des dreibeinigen Schusterstockerls darauf Platz fanden.
Diese "Schusterbruck" isolierte gegen die vom Boden
aufsteigende Kälte und hatte zudem den Vorteil, dass der Arbeitsplatz am
Fenster noch um ein Stückchen näher war.
Für den Schuster war nämlich eine gute Beleuchtung sehr
wichtig, er musste bei seiner Arbeit gut sehen. Aus diesem Grund hatte jeder
Schuhmacher eine mit Wasser gefüllte, mundgeblasene Glaskugel (Schusterkugel),
die er so zwischen Fenster und Werkbank
anbrachte, dass sie das Tageslicht nach Art einer Linse sammelte und auf
den Arbeitsplatz warf. Bei Einbruch der Dunkelheit stellte er dann einfach eine
Kerze hinter seine Schusterkugel, deren Licht in derselben Art und Weise
gebündelt wurde. So konnte der Schuster auch noch während der Nacht arbeiten
Vom Stolz und vom Berufsethos, das die Schuster hatten,
zeugt ein "Schusterlied", das mir Herr Stelzeneder, ein alter
Schuster aus Zeillern, vorsang:
Die Schusterzunft
bleibt immer doch
die wichtigste von allen,
sonst müssten alle Menschen noch
durchs Leben barfuß wallen.
So aber gibt der Schuh allein
uns Schutz vor jedem Dorn und Stein.
Drum unser Wahlspruch sei:
Ein Hoch der Schusterei
die wichtigste von allen,
sonst müssten alle Menschen noch
durchs Leben barfuß wallen.
So aber gibt der Schuh allein
uns Schutz vor jedem Dorn und Stein.
Drum unser Wahlspruch sei:
Ein Hoch der Schusterei
Für Alt und Jung, für Groß
und Klein,
für alle Menschenkinder,
muss unser Schuhwerk passend sein,
und elegant nicht minder.
für alle Menschenkinder,
muss unser Schuhwerk passend sein,
und elegant nicht minder.
Drum ist der Schuster
auch, fürwahr,
ein Künstler, das ist sonnenklar,
denn Kunst und Schusterei
ist alles einerlei.
ein Künstler, das ist sonnenklar,
denn Kunst und Schusterei
ist alles einerlei.
Vor allem nun
Bedingung ist,
dass fein geklopft das Leder,
weil sonst die Sohle, wie ihr wisst,
nicht hält - das liebt nicht jeder.
Drum klopfen auch so tüchtig wir,
sonst klopft der Meister uns dafür;
das ist so alter Brauch,
und diesen hält er auch.
dass fein geklopft das Leder,
weil sonst die Sohle, wie ihr wisst,
nicht hält - das liebt nicht jeder.
Drum klopfen auch so tüchtig wir,
sonst klopft der Meister uns dafür;
das ist so alter Brauch,
und diesen hält er auch.
Gar mancher, den der
Schuh gedrückt
ist flugs zu uns gekommen
wie ging er wieder hochbeglückt,
als ihm der Schmerz genommen.
Drum denkt euch nur einmal das Malheur,
wenn auf der Welt kein Schuster wär!
Doch euch passiert das nicht
es sind ja wir in Sicht!
ist flugs zu uns gekommen
wie ging er wieder hochbeglückt,
als ihm der Schmerz genommen.
Drum denkt euch nur einmal das Malheur,
wenn auf der Welt kein Schuster wär!
Doch euch passiert das nicht
es sind ja wir in Sicht!
9. Der Gerber
Für zwei handwerkliche Berufe am Land war Leder als
Rohmaterial notwendig, nämlich für den Sattler und den Schuster. Der Gerber war
jener Handwerker, der ihnen dieses Leder beschaffte, indem er Tierhäute gerbte.
Im Most viertel gab es etwa in jedem zweiten bis dritten Ort
einen Lohgerber. Heute gibt es keinen einzigen mehr in Österreich; sie sind
alle ausgestorben. Es gibt derzeit noch eine einzige Fabrik in Tirol, die Leder
mit chemischen Mitteln gerbt. Auch diese steht jedoch wegen des übermächtigen
ausländischen Preisdrucks vor dem Zusperren.
In der Landwirtschaft des Mostviertels stand immer die
Veredelungswirtschaft im Vordergrund (pflanzliche Produkte werden zu tierischen
"veredelt"). Es gab also immer genug Tiere, deren Häute man dem
Gerber bringen konnte, um sie ihm zu verkaufen oder sie bei ihm gerben zu lassen,
damit man aus dem Leder Pferdegeschirre, Schuhe oder ähnliches anfertigen
lassen konnte.
Es gibt eigentlich zwei verschiedene Arten zu gerben,
nämlich neben dem "Lohgerben" auch noch das "Weißgerben",
bei dem aus Tier häuten mit Hilfe von Alaun und Salz Felle und Pelze erzeugt
werden. Weißgerber gibt es auch heutzutage noch einige, z.B. in Ybbsitz, Karl Holubovsky.
Der "Lohgerber" verarbeitete die Häute jedoch zu
Leder Die "Lohe" ist die Flüssigkeit, die zum Gerben verwendet wird, sie
wird mit Hilfe von Baumrinde hergestellt. Im Mostviertel wurde dazu durchwegs
Fichtenrinde verwendet. Zu diesem Zweck mussten die Bäume im Frühjahr, wenn sie
schon wieder in Saft waren, geschlägert werden. Mit der "Lohschinde"
(einem Messer mit einem spitzen Haken) wurde die Rinde in gut einen Meter lange
Stücke aufgerissen und vom Stamm heruntergeschält. Diese Rindenstücke
verkauften die Bauern dem Gerber, der sie in kleine Teile zerhackte, in einen
Bottich mit Wasser gab und dort einige Zeit gären ließ, wodurch die
"Lohe" entstand.
Die Arbeitsgänge beim Gerben gingen folgendermaßen vor sich: Wenn der Gerber die Häute von den Bauern bekam, waren sie
normalerweise schon trocken und mussten zuerst in Wasser aufgeweicht werden.
Dann wurden sie über einen Holzbock gebreitet, wo der Gerber das restliche
Fleisch und Fett abschabte.
Anschließend kamen die Häute in Gruben mit Kalk, wo sie etwa
vierzehn Tage liegen mussten. Das dienste dazu, die Haare von der Haut zu lösen.
(Ursprünglich, also noch kein Branntkalk in Verwendung war wurde stattdessen Holzasche
verwendet) Auf dem Bock wurden dann die Haare schön abgeschabt.
Danach kamen die Häute in die Bottiche mit der Lohe, wo sie
so lange liegenbleiben mussten, bis sie gegerbt waren. Das ging bei sehr dünnem
Leder relativ schnell, bei dickem Kernleder dauert es aber bis zu einem Jahr.
In dieser Zeit musste die Lohe zwei- bis dreimal gewechselt
werden. Hin und wieder machte der Gerber eine Probe, um festzustellen, ob das
Leder schon völlig durchgegerbt war, indem er es anschnitt und am Schnitt
feststellte, ob das Leder schon durch und durch rot und somit fertig war oder
ob in der Mitte noch wein weißer Streifen verblieb.
Man könnte sagen, das Gerberhandwerk ist fast so alt wie die
Menschheit, jedenfalls ist das Gerben eine der ältesten handwerklichen
Tätigkeiten. Denn schon in der Steinzeit bekleideten sich die Menschen mit
Fellen und verstanden es, diese haltbar zu machen.
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