Nr. 185 - 1. September
1987 - 16. Jahrgang
Arbeit und Leben der ländlichen Handwerker des Mostviertels in früheren Zeiten
(von Anton Distelberger, Mostviertler Bauernmuseum)
7. Der Sattler
Die Sattler, die noch unmittelbar nach dem Krieg recht
verbreitet waren, haben sich überwiegend - soweit sie nicht ihr Handwerk
überhaupt an den Nagel hängten - auf den Beruf des Tapezierers und Bodenlegers
umgestellt.
Nur einige haben in jüngerer Zeit wieder begonnen, für den
modern gewordenen Reitsport die nötigen Lederartikel herzustellen und zu
reparieren.
Früher war die wichtigste Arbeit der Sattler, die Geschirre
für die Zugtiere der Bauern herzustellen und instand zusetzen. Hier ging im
Lauf der Zeit eine wesentliche Entwicklung in der Qualität und vor allem
Schönheit der Arbeiten vor sich. In der Blütezeit der Mostviertler Bauern
jedoch fertigten die Sattler herrlich und reichhaltig verzierte, wertvolle
Geschirre an.
Vier Arten von Geschirren hatte der Sattler im Wesentlichen
herzustellen:
Als Arbeitsgeschirr für die Pferde wurde das Spitzgeschirr
(es läuft oben in einer Spitze aus) verwendet. Es besteht aus zwei Teilen,
nämlich dem äußeren, festen "Kummet" und dem inneren, weichen
"Kiss". Zur Fertigung dieser Stücke hatte der Sattler seinen
"Kummetstock", der ähnlich geformt war wie ein Pferdehals. Ein Kummet
besteht aus zwei genähten Lederwülsten, wovon einer mit Rosshaar gefüllt wurde
und der andere mit nassem Schabstroh auf den Kummetstock gesteckt und mit einem
Holzschlegel solange geschlagen, bis er die richtige Passform hatte. Anschließend
wurde er noch mit den "Kummethölzern" verstärkt. Das "Kiss"
lag direkt an Hals und Brust des Pferdes an und musste daher sehr weich sein;
es wurde aus Leinen genäht und mit Rosshaar gefüllt. Kiss und Kummet wurden dem
Pferd über den Kopf auf den Hals gesteckt, wofür das Kummet unten zu öffnen
war.
Zu einem vollständigen Geschirr gehörte außerdem noch der
Überwurf mit dem Bauchgurt und den Strängen (diese führten zum Wagen zurück und
übertrugen die Zugkraft).
Beim Spitzgeschirr gab es meist nur kurze Strangstutzen aus
Leder, an denen als Stränge Hanfstricke befestigt wurden. Bei der schweren
Arbeit war es nämlich öfter der Fall, dass ein Strang riss. Einen Hanfstrick
konnte der Bauer selbst auswechseln, er brauchte deswegen nicht zum Sattler zu
gehen.
Schließlich brauchte man zu jedem Pferdegeschirr noch den
Zaum mit den Zügeln. Die zweite Art von Pferdegeschirr war das Brustgeschirr.
Dieses wurde zum Ziehen der leichten Wägen und Schlitten eingesetzt und war
daher leichter und einfacher im Aufbau. Man benötigte kein Kummet und Kiss, die
Stränge, die in diesem Fall ganz aus starkem, doppelt genähtem Leder bestanden,
waren nur vorne über die Brust mit einem breiten Lederriemen verbunden, über
Hals und Rücken verliefen Lederriemen, um den Bauch der Bauchgurt mit einer
Schnalle, um das Geschirr zusammenzuhalten.
Da auch manche Kühe als Zugtiere eingesetzt wurden (bei
Kleinbauern und "Häuslleuten"), musste der Sattler auch für diese
eigene Geschirre herstellen. So ein Kuhgeschirr war ganz ähnlich gebaut wie das
Arbeitsgeschirr für die Pferde, war allerdings etwas kleiner, hatte oben keine
Spitze als Ende, und Kummet und Kiss waren unten zu öffnen. Wegen der Hörner
konnte das Geschirr der Kuh ja nicht über den Kopf gesteckt werden, sondern musste
geöffnet und von oben auf den Hals aufgesetzt werden.
Für die Ochsen schließlich, die schon bedeutend kräftiger
ziehen konnten als eine Kuh (wenn sie wollten), gab es wieder eine spezielle
Art das Hirngeschirr. Ursprünglich hatte es ja nur die hölzernen
"Ochsenjoch" gegeben, die allerdings etwas schwierig in der
Handhabung waren.
Demgegenüber war das Hirngeschirr ein bedeutender
Fortschritt. Es besteht aus einem halbrund gebogenen Flacheisen, das mit Leder
überzogen und mit Rosshaar gepolstert ist.
Es wurde den Ochsen von vorne an die Stirn gelegt und mit
Riemen an den Hörnern festgebunden. An jeder Seite war ein Ring befestigt, an
dem der Strang angebunden werden konnte, der zurück zum Wagen verlief. Die
Ochsen zogen also allein mit dem Kopf den Wagen oder Pflug.
Hirngeschirr und Kuhgeschirr waren schmucklos und trugen
keine Verzierungen, da Ochsen und Kühe schließlich nur hei kleineren Bauern als
Zugtiere eingesetzt wurden, die kein Geld für solche Späße erübrigen konnten.
Die großen, wohlhabenderen und stolzen euern jedoch ließen ihre Pferdegeschirre
schön verzieren. Das Leinen für die "Kisse" wurde dafür eingefärbt,
und die "Kummet" wurden in besonderen Fällen mit Dachsfellen,
jedenfalls aber mit verschiedenen Messingverzierungen versehen. Jeder Bauer
besaß mindestens zwei Paar Geschirre - ein weniger schönes zur Arbeit und ein
"Prestigegeschirr", das er verwendete, wenn er mit einem schweren
Wagen in die Stadt fuhr. Bei den Brustgeschirren war sogar jede Schnalle und
jeder Ring aus Messing.
Da sie nur für leichtere Fahrzeuge eingesetzt wurden, konnte
das weiche Metall der Belastung standhalten. Die Brustgeschirre wurden auch mit
kleinen Messingkronen verziert. An einem Geschirr, das er für einen Bauern
herstellte, brachte der Sattler normalerweise Kronen mit drei Zacken an, für
einen Bürger mit vier, für kleine Adelige mit fünf, für Freiherren mit sieben und
für Grafen mit neun Zacken.
Im Mostviertel gab es jedoch interessanterweise begüterte
Bauern, die Geschirre mit fünfzackigen Kronen besaßen; so stolz und bedeutend
waren diese Bauern offensichtlich. Ein solches Geschirr konnte ich mit dem
zugehörigen Zaum von einem großen Bauern aus Stephanshart für mein Museum
erwerben.
Wenn der Bauer in den Markt oder die Stadt fuhr, hängte er
noch den "Zierriemen" oder "Prähriemen" (der Name kommt von
Prahlen) auf das Geschirr. Er hing seitlich vom Widerrist des Pferdes herunter.
Je begüterter der Bauer war, umso breiter und schöner ließ er dieses
Prachtstück vom Sattler fertigen. Es trug eine verzierte Messingplatte, in die
der Name eingraviert war. Daran hingen lange Lederriemen, die mit Messingplättchen,
-scheiben und -knöpfen verziert waren.
Der Sattler vernähte sein Leder mit Pechfaden (mit Holzteer
getränkter Faden) und ledernen Nähriemen, damit die Nähte den
Witterungsunbilden, denen die Geschirre ja immer wieder ausgesetzt waren, lange
standhielten.
Genäht wurde auf dem "Nährößl", einer kleinen
Bank, auf der er sitzen konnte, mit einer Vorrichtung zum Einzwicken des
Leders. Für die "Störarbeit" besaß er eine zusammenlegbare
"Nähkluppe", die denselben Zweck erfüllte aber klein und handlich
war. Der Sattler war nämlich ein Handwerker, der ausgesprochen viel "auf
die Stör ging". Nur die neuen Geschirre machte er in seiner hauseigenen
Werkstatt, sonst war er ständig bei den Bauern unterwegs, um alles zu flicken
und herzurichten, was gerissen war. Die Farbe zum Schwärzen des Leders stellte
der Sattler selbst her, indem er Eisenspäne oder andere Eisenteile in Tropfbier
legte (auch Essig war geeignet), bis dieses eine schwarze Farbe annahm.
Die zweite wesentliche Arbeit, die ein Sattler zu verrichten
hatte, war das Tapezieren und Lackieren der Wägen und Schlitten. Das war etwa
beim "Steierer-" oder "Linzerwagl" notwendig, mit dem die
Bauern zur Kirche und auch zu den Taufen fuhren, oder beim "Phaeton",
einem besonders schönen Wagen mit einem klappbaren Dach und beim
"Landauer", einem geschlossenen, voll überdachten Wagen. Denn das
waren gewissermaßen die Luxuslimousinen der wohlhabenden Bauern, mit denen vor
allem zu den Hochzeiten gefahren wurde.
Zu tapezieren und auf Hochglanz zu bringen waren aber auch
die kleinen "Goaßlschlitten" und die leichten
"Kirchenschlitten", die alle vom Schmied direkt zum Sattler kamen. Er
verarbeitete dabei verschiedenste Materialien, vor allem feines Leder,
imprägniertes Segeltuch, Leinen, Plüsch und Seidenstoff. Für die Polsterung
verwendete er Rosshaar. Außerdem verzierte er die Fahrzeuge noch mit schönen
Messingnägeln und -beschlägen.
Als die Industrialisierung auch auf die Landwirtschaft
überzugreifen begann, bekam der Sattler noch eine wichtige Aufgabe, nämlich die
Herstellung und Instandsetzung der Treibriemen für die Maschinen. Zwischendurch
stellte er beispielsweise auch lederne Schultaschen für die Kinder her und
flickte sie wieder, wenn sie zerrissen waren.
Der Sattler stellte außer Schuhen einfach alle Produkte aus
Leder her, die am Land gebraucht wurden.
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