Nr. 189 - 1. Jänner 1988 - 17. Jahrgang
Arbeit und Leben der ländlichen Handwerker
des Mostviertels in früheren Zeiten
(von Anton Distelberger, Mostviertler
Bauernmuseum)
11. Der Weber
Seit es der Mensch versteht, aus
Pflanzenfasern einen Faden zu drehen, gibt es eigentlich auch den Weber,
ausgerüstet mit Hilfsmitteln, natürlich nach dem jeweiligen Stand der Technik.
Im Most viertel gab es seit
Jahrhunderten in fast jedem Ort einen
Weber. Heute erinnert nur noch der recht häufige Familienname "Weber"
daran, dass die Ahnen all dieser "Weber" in der Zeit der Entstehung
der Familiennamen diesen Beruf ausübten.
Auch dieses Handwerk wurde im Zug der
Industrialisierung völlig verdrängt. Unmittelbar übernahmen vor allem die
großen Webereien im Mühlviertel die Arbeit der Mostviertler Weber. Heute ist
bei uns nur noch einer bekannt, der das Leinen weben beherrscht, nämlich der
Vater Loibl aus Behamberg. Er webt in den letzten Jahren vor allem Fleckerlteppiche.
Die Weber bezogen Ihr Rohmaterial, den
Faden, von den Bauern. Allerdings war bis dahin schon viel Arbeit geschehen.
Der Flachs (oder Lein) wurde auf den Feldern ähnlich wie Sommergetreide
kultiviert. Nach der Ernte hat man den Samen Abgerissen ("gerüffelt"); die
Pflanzen wurden in Wasser gelegt oder auf der W lese aufgebreitet, damit sich
die Fasern vom Holz trennten ("fetzen" nannte man diese Arbeit), und
anschließend im Dörrofen getrocknet. Denn wurde der Flachs "gebrechelt",
d.h. die Pflanzen hat man mit hölzernen "Brechln" so lange geknickt
bzw. gebrochen (daher auch die Bezeichnung dieses Vorganges), bis der holzige
Kern der Pflanze jeweils bricht und herausfällt und nur der äußere Bast (die
Fasern) übrigbleibt. Als nächstes wurden mit Hilfe der "Hechel" (ein
Holzbrett. das mit langen. feinen Eisenspitzen versehen ist) die groben
("rupfernen") von den feinen Fasern ("der Kern") getrennt.
indem man den Flachs darüber abzog. Aus dem Kern webte der Weber später das
feine Leinen. aus dem "Rupfernen" das gröbere für Säcke, Leintuchen
Strohsäcke. Wagentücher usw..
Aufgabe der Frauen war es dann. die Fasern
zu Faden zu verspinnen, wobei das Feine der Bäuerin vorbehalten blieb. während
die Mägde das Rupferne zu bearbeiten hatten. Sie mussten den ganzen Winter
durch von früh morgens bis in die Nacht hinein spinnen. Der Faden wurde dann
auf einen Haspel in
Strähnen abgehaspelt, diese Strähne hat
man zusammengebunden und gewaschen. Um die Fadenlänge der Strähne einheitlich
bestimmen zu können, gab es den sogenannten "Schnalzhaspel", der mit
einem hölzernen Zählwerk, mit einem Uhrzeiger versehen war. Jedes Mal, wenn der
Zeiger bei Zwölf vorbeikam, machte er einen "Schnalzer", um
anzuzeigen, dass die Strähne / der "Schneie" lang genug war und ein
neuer begonnen werden konnte. Eine Magd musste den ganzen Tag fleißig spinnen,
um ihr Soll - einen Schnalz - zu erfüllen.
Dann begann die Arbeit des Webers. Er
hatte noch sehr viel vorzubereiten, ehe er an das eigentliche Weben geben
konnte. Zuerst spulte er den Faden auf große Spulen. 12 solcher Spulen steckte
er in einem eigenen Gestell, dem "Schweifgatter" auf. Mit Hilfe des
"Schweif breites", durch das die 12 Fäden geführt wurden, wickelte er
sie auf den großen "Schweifhaspel". Damit legte er die Länge der
Längsfäden 1 der Leinwand und deren Zahl (meist über 1000) und somit auch die
Breite der Leinwand fest. Außerdem musste er schon hier die Fäden
"schränken", d.h. so kreuzen, wie es für den Webstuhl notwendig war.
Diesen "Schweif" (die Fäden)
nahm er dann vorn Haspel ab und wickelte ihn am Webstuhl auf den "Schweif
baum". Dann musste der Faden noch "geschlichtet" werden. damit
er glatt und leicht zu handhaben war. Dazu rührte der Weber etwas Kornmehl mit
Wasser an, ließ es antrocknen und strich mit diesem Brei die Fäden solange ein
und bearbeitete sie, bis sie geschmeidig und glatt waren.
Anschließend fädelte der Weber die (über
1000!) Fäden durch "Litzen" und "Blatt" des Webstuhls und
drehte sie an das letzte Stück der vorherigen Leinwand "Zeug" genannt)
an. Dann erst konnte er zu weben beginnen. Für die Vorbereitung brauchte der
Weber einen ganzen Tag: er bekam jedoch vom Bauern dafür nur einen Laib Brot
und etwas Kornmehl zum Schlichten.
Das Weben selbst war eine recht
anstrengende Arbeit. Der Weber saß auf einem beweglichen Brett des Webstuhls,
schoss seine "Schützn" oder "Schifferl", aus der sich der
Querfaden abspulte, zwischen den Fäden durch, die ihm von den
"Litzen" auseinandergehalten wurden, musste ständig hin - und
herrutschen, um die "Schützn" auf der anderen Seite wieder
aufzufangen, zugleich mit den Füßen die Pedale treten und mit dem
"Blatt" ("Schlag") die Querfäden immer wieder
zusammenstoßen.
Ein Weber arbeitete etwa 14 bis 15 Stunden
am Tag. In dieser Zeit konnte er 10 bis 12 Ellen weben. (Eine "Wiener
Elle" ist ca. 75 cm lang). Um die Jahrhundertwende bekam er für eine Elle
8 bis 10 Kreuzer.
Die Weber waren in unserem Gebiet die
ärmsten Handwerker. Sie mussten enorm viel arbeiten, um ihre Familie halbwegs
ernähren zu können. Außerdem war der Wohnraum der Familie sehr eingeengt, da
sie nur ein kleines Haus besaß und in der Stube aber einen oder zwei Webstühle,
den großen Haspel, den Spulrocken usw. untergebracht hatten. Daneben mussten
noch Tisch und Bank und die meistens recht große Familie Platz finden,
Das fertig gewebte Leinen kam wieder zum
Bauern zurück. Der hat es gebleicht, indem er es mit heißer Aschenlauge
abbrannte, an sonnigen Tagen auf die Wiese legte und mit Wasser bespritzte, bis
es schön weiß war. (Nur Säcke. Strohsäcke. Tücher u.ä. konnten braun bleiben,
sie wurden nicht gebleicht.) Leinen, das besonders schön sein solle (z.B. f für
Bettzeug und Handtücher). wurde anschließend noch mit Blaudruck verziert. Dazu
druckte man mit schönen Musterstempeln flüssiges Wachs oder Stärke auf das
Leinen und färbte es mit blauer Indigo-Farbe. An den bedruckten Stellen hieb es
weiß und erhielt so seine Verzierung.
So arm die Weber früher waren, se teuer
und begehrt wäre heute handgewebtes Leinen. Es wird jedoch nicht mehr
hergestellt, weil die Arbeitszeit zu teuer geworden ist. Über 100 Arbeitsgänge
bilden den Weg vom Leinanbau bis zum fertigen Blaudruck.
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