Nr. 85 - 1. Mai 1979 - 8. Jahrgang
Landwirtschaft - einst und heute
(verfasst von Oberstudienrat Dr. Rosine Schadauer)
Die tiefgreifenden Umwälzungen unserer Zeit haben wohl jeden Bereich des
geistigen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens erfasst und daher
auch im bäuerlichen Lebensraum gewaltige Veränderungen herbeigeführt. Zwar hat
sich die Landwirtschaft wie jeder andere Wirtschaftszweig in vergangenen Zeiten
stetig weiter entwickelt, doch ist diese Entwicklung, angetrieben durch den
technischen Fortschritt, in den letzten Jahrzehnten unglaublich
vorangeschritten. Jene Bauern, die mit ihr Schritt zu halten vermochten, haben
alte, festgefügte, fast geheiligte Überlieferungen entschlossen beiseite
geschoben und mit wachen Augen und fest zupackenden Händen Platz geschaffen für
das Neue. Dieses Neue ist umso deutlicher sichtbar geworden, als der Bauer
durch die Art, wie er Feld und Flur, Wiese und Wald bearbeitet und pflegt, das
Bild der Landschaft entscheidend prägt und gestaltet.
Das Bauerntum von einst:
Der Ackerbau erforderte den besonderen Einsatz von Mensch und Tier. Als
Arbeitsgeräte dienten dem Bauer: Pflug und Egge, Leiterwagen und Düngerwagen,
Sense und Sichel, Gabel und Rechen, Dengelgeiß und Hammer, Wetzkumpf und
Wetzstein. Der Drusch erfolgte zunächst mit Dreschflegeln, seit den achtziger
Jahren des vorigen Jahrhunderts in zunehmendem Maße mit Dreschmaschinen, die
von "Dampfkesseln" angetrieben wurden. Der Drusch erfolgte unter
Mithilfe der Nachbarschaft.
Die nachstehenden Getreidearten wurden angebaut:
Der Roggen (das Korn): Sein Hektarertrag lag unter dem des
Weizens. Das "Wolfsbacher Korn", ein geschätztes Saatgut, erbrachte
300 kg pro Hektar. Vorzugsweise verwendete man das Korn für den eigenen Bedarf.
Was übrigblieb, verkaufte man. So bildete das Korn im "täglichen
Brot" das Grundnahrungsmittel für Bauer und Nichtbauer.
Der Weizen: Sein Hektarertrag lag damals schon über dem des Roggens. Er diente
vorwiegend dem Verkauf und erbrachte so eine wesentliche Einnahme für den Bauer
in der Ebene.
Der Hafer wurde hauptsächlich den Pferden und fallweise auch
den Zuchtsauen verfüttert.
Roggen, Weizen und Hafer wurden in den mehr oder weniger ebenen Lagen
des Alpenvorlandes angebaut und konnten als Hauptgetreidesorten gelten.
Die Gerste, früher vielfach als Wintergerste angebaut, war sehr stark der Gefahr
des Auswinterns ausgesetzt, besonders dann, wenn der Schnee mehr als 90 Tage
liegenblieb oder wenn sie zu dicht gebaut worden war.
Ein Mischgetreide aus Gerste und Hafer wurde häufig
angebaut. Dieses Sommergetreide brachte höhere Erträge, und die stehende Frucht
kennzeichnete besondere Standfestigkeit. Es wurde vorwiegend im Bereich der
steileren Lagen des Alpenvorlandes gebaut und diente der Fütterung der Tiere.
Der Klee: Eine nachhaltige Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion wurde
durch Maria Theresia und Joseph II. herbeigeführt.
Ende des 18. Jahrhunderts wurde nämlich durch kaiserliche Verordnungen
der Anbau von Futterpflanze auf den bisher unbebauten Brachäckern nachdrücklich
gefordert, und zwar mit dem Anreiz, dass diese vom Zehent und von der bisher
üblichen herbstlichen Bejagung befreit würden. Diese Futterpflanzen kamen aus
den und Niederlanden und Oberitalien: Es war der Rotklee, welcher als Brabanter
oder auch Spanischer Klee bezeichnet wurde, dann der Weißklee und die
Esparsette. In den mehr oder weniger ebenen Gebieten des Mostviertels wurde
später der bekannte Luzernerklee als Futterpflanze verwendet.
Mit dem beginnenden Anbau dieser Kleesorten wurde das gesamte bäuerliche
Wirtschaftssystem von Grund auf verändert, und zwar dadurch, dass die bisher im
Gemeinbesitz befindlichen Hutweiden aufgeteilt wurden. Eine Hälfte wurde den
Grundherrschaften zugesprochen, mit Ausnahme der Almen im Gebirge. Diese
Teilung hatte allerdings eine bedeutende Ausdehnung des Besitzes der
Grundherrschaften auf Kosten des bäuerlichen Gemeinbesitzes zur Folge.
Eine weitere Verbesserung in der Fruchtfolge brachte das Miteinsäen von
Klee in den Hafer. Dadurch wurden die in das abgeerntete Haferstroh bereits
eingewachsenen Kleeanteile ein wertvolles Viehfutter, und darüber hinaus
konnten auf diesen Flächen noch zwei reichliche Schnitte Kleefutter geerntet
werden. Die Einführung der neuen Futterpflanze Klee hat zur Stallhaltung der
Tiere geführt, einerseits, weil das Abweiden der Hutweiden eingeschränkt wurde,
und andererseits, weil die hohen Erträge an Grünfutter eine ausreichende
Grundlage für die Stallfütterung der Tiere abgaben.
In der Dreifelderwirtschaft, die vielfach bis in die Mitte des vorigen
Jahrhunderts galt, war die Ackerflur in drei Teile geteilt worden, wobei
abwechselnd jährlich ein Drittel brach liegenblieb und die übrigen zwei Drittel
zur Hälfte mit Sommer- und zur Hälfte mit Wintergetreide bestellt wurden. Der
Anbau von Klee und Kartoffeln im sonst brachliegenden Drittel brachte eine
wesentliche Verbesserung der Dreifelderwirtschaft und kann als Beginn der heute
noch geltenden intensiven Fruchtwechselwirtschaft angesehen werden. In der
neuesten Zeit ist die Fruchtfolge durch die Einführung hochwertiger
Kunstdüngersorten von allen bisherigen Regelungen und Voraussetzungen befreit.
Der Anbau von Hackfrüchten wurde als Folge der Stallhaltung des Viehs
stark ausgeweitet und in den Zwanzigerjahren unseres Jahrhunderts durch den
Anbau der Zuckerrübe ergänzt.
Der Obstbau war im Mostviertel seit alter Zeit ein tragender
Wirtschaftszweig. Die Einnahmen aus dem Most haben wesentlich zur Hebung des
Lebensstandards der Bauern beigetragen und befähigten sie, die baulichen
Anlagen und alle verwendeten Geräte in einer gediegenen Weise auszuführen, die
oft alle Merkmale des Kunsthandwerks aufwies. Unsere Bauernmuseen in Gigerreith
bei Amstetten und in Haag bieten dafür überzeugende Nachweise. Eine typische
Redensart der Bauern beim Blick auf die blühenden Bäume: "Da gibt's
nächstes Jahr wieder Geld zum Bauen". Die Hoffnung auf ein gutes Mostjahr
ließ Aufträge auch Handwerker größere Aufträge erwarten.
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