Nr. 204 - 1. Dezember 1988 - 17. Jahrgang
Hausmühlen im
Mostviertel
(Johann Hintermayr)
Das einst sehr weit verbreitete Volkslied "Es
klappert die Mühle am rauschenden Bach, klipp klapp …“ ruft uns nicht nur die
ehemalige Müllerromantik ins Bewusstsein, sondern erinnert uns an einen
wichtigen bäuerlichen Berufszweig, der eine besondere Rolle im Leben der Bauern
früherer Jahrhunderte spielte. Viele Dichter und Komponisten haben die
Tätigkeit des Müllers und den Betrieb der Mühlen beschrieben und besungen. Auch
die Maler haben mit Vorliebe die verschiedenen Mühlen als Motive herangezogen.
Selbst in mehreren Sagen und Märchen begegnet man aufschlussreichen
Aufzeichnungen über die Lebensgewohnheiten dieses Berufsstandes.
Analog dem Beginn der Getreidewirtschaft entstanden
sehr primitive Mühlengeräte für den Hausgebraucht. Das Stampfen und Reiben
wurde abgelöst von den Handmühlen. Die aus dem Mittelmehrraum übernommene
Errungenschaft, Wasser für den Antrieb eines Räderwerkes zu nützen, fand auch
bei den Mühlen zum Mahlen des Getreides praktische Anwendung.
Im Mittelalter verbreiteten sich in unserer Gegend allmählich mit Wasser betriebene Mühlen, doch wurden diese zuerst nur in klösterlichem bzw. herrschaftlichem Bereich verwendet. Sehr oft war die Nutzung der Wasserkraft ein Vorrecht des Landesherrn. Dieses Privilegium verlieh die Obrigkeit auch kleineren Grundherrn durch ein sogenanntes Mühlenpatent bzw. einer Mühlenordnung.
Im Laufe des Selbstständigwerdens des Bauernstandes entstanden landauf und landab viele Hausmühlen. So waren entlang des Kroißbaches, nach Mitteilung des Sägewerksbesitzers F. Wagner in Strengberg, insgesamt 17 Mühlen (Getreidemühlen und Sägemühlen) vorhanden.
Sowohl die Hausmühlen als auch die Sägemühlen waren hierzulande überwiegend mit einem oberschlächtigem Wasserrad ausgestattet. Der Vorteil bei diesem System gegenüber einem unterschlächtigem Wasserrad lag darin, dass bei entsprechendem Gefälle (Wasserzuführung durch Rinnen, Rohre oder freifließendes Wasser oberhalb des Wasserrades) auch geringere Wassermengen für den Betrieb genügten.
Bauern aus der Nachbarschaft, die ohne Mühle waren,
konnten gegen Entrichtung einer Maut – 10 Prozent des Mahlgutes für den
Mühlenbesitzer – in der danach benannten „Mautmühle“ ihr Getreide mahlen. Diese
Verrechnungsart hat sich lange erhalten.
Mit Zunahme der mechanischen Mühlen (Kunstmühlen)
dient die Haus- oder Hofmühle weiterhin dem Bauern. Nur mehr vereinzelt waren
einige Bauern mitsammen an einer Hausmühle mit gleichen Rechten und Pflichten
beteiligt.
Die früher zahlreich vorhandenen Hausmühlen waren
zu Beginn dieses Jahrhunderts weit und breit noch in Verwendung. Nach dem
Zweiten Weltkrieg hörte man nur mehr selten das Klappern der Mühlen. Die
Turbine und der E-Motor lösten das Wasserrad ab, es war wegen des lange
dauernden Mahlvorganges nicht rentabel.
Anlässlich einer Bestandsaufnahme früherer Hausmühlen konnte ich nur eine Mühle im westlichen Niederösterreich ausfindig machen, welche von einem Bauern immer noch bei günstigen Wasserbedingungen zum Mahlen seines Futtergetreides in Betrieb gesetzt wird.
Sofern die Hausmühle nur dem Eigenbedarf dient,
wurde kein Dienstbote eigens als Müller eingesetzt; diese Arbeit behielt sich
gewöhnlich der Bauer selbst vor, oder er beauftragte einen seiner Söhne. Es
handelte sich hier um eine echte Männerarbeit, die häufig viele Arbeitsstunden
hintereinander abverlangte. So kam es vor, dass bei günstiger Wasserzufuhr nach
einer längeren Trockenheit die Mühle bis spät in die Nacht hinein ihren
Mahlrhythmus nicht unterbrach. Daher sang man zu Recht: … „Bei Tag und bei
Nacht ist der Müller stets wach…“, denn bis weit in das Tal hinein konnte man
das Klappern des Mühlrades, das Rumpeln der Steine und die Geräusche des
Radgetriebes vernehmen.
Bedingt durch diesen Tag- und Nachbetrieb war im
Innern des Mühlengebäudes auch für eine Liegestätte des Müllers vorgesorgt.
Selbst die kleinsten Mühlen, sofern sie abseits vom Wirtschaftsgebäude des Besitzers lagen, hatten einen bescheidenen Nebenraum als Schlafkammer, meist ein Brettlager mit Strohsack und Decke.
Das Mostviertelmuseum Haag hat ein komplettes
kleines Mühlgebäude samt Mühleneinrichtung einer Mahlmühle erworben. Es handelt
sich um einen Holzblockbau aus der Zeit vor ca. 150 Jahren, der aufgrund des
guten Bauzustandes vom NÖ Gebietsbauamt St. Pölten für die Abtragung und
Wiederaufstellung als Freilichtobjekt in Haag empfohlen wurde.
Die Hausmühle (Troadmühle) wurde aus mehreren
gleichartigen Objekten zusammengestellt, um eine funktionsgerechte
Rekonstruktion eines Gebäudes dieser Art zu erreichen. Die Mühleneinrichtung
stammt aus dem Jahre 1848, früherer Besitzer war Köhlau/Weistrach, das
Wasserrad (oberschlächtig) mit der Wasserzuführung kommt von J. Schweighuber,
Gatlehen/Maria Neustift, das Gebäude von H. Kattenriener/Maria Neustift und die
angebaute Knochenstampfe („Beinstampfer“) von der Perlmühle in Haag, Knillhof.
Das Gebäude wurde 1975 im Gelände des NÖ
Freilichtmuseums Stadt Haag errichtet. Im Erdgeschoß, das durch ein
Zwischenpodest zum Obergeschoß unterteilt ist, befindet sich die mit 1848
datierte funktionsfähige Mühleneinrichtung. Die Verbindung zum Obergeschoß
erfolgt durch eine Holzstiege. Im oberen Geschoß („Müllerkammerl“) ist
lediglich ein kleiner Teil als „Körner mit Schlafstelle“ ausgebildet. Das
Mühlengebäude ist in Blockbauweise, vorwiegend aus Tanne auf einem
Natursteinsockel ruhend, errichtet. Das mit Stroh gedeckte Satteldach ist als
Pfeifendachkonstruktion ausgeführt. 1970 wurde das oberschlächtige Wasserrad
mit einem Witterungsschutz („Radstube“) versehen.
Der kleine Anbau, der die Knochenstampfe aufnimmt,
ist in einfacher, teilweise offener Holzbauweise gezimmert und mit einem
verbretterten Pulkdach versehen.
An den Getreidebehältern der dem Verfall
preisgegebenen Mühlen aus der Zeit vor 140 bzw. 150 Jahren kann man, wie an
anderen landwirtschaftlichen Gräten, Verzierungen in Kerbschnitztechnik sehen,
wie Wirbelrad, Sechsstern, Jahreszahlen und anderes.
Das Getreide wurde mittels Schaffels
(Metzenschaffel) oder Sackes in die „Goß“ geschüttet.
Der Rührnagel in Verbindung mit dem Rüttelschuh
sorgte für einen gleichmäßigen Zufluss des Mahlgutes in das Mühlauge in der
Mitte des Läufersteines. Von hier nahm es den Weg in die Mahlbahnen zwischen
Läufer und Bodenstein. In einer Vertiefung an der Unterseite des Läufers war
eine Müllstange (Königswelle) durch das Obereisen fixiert. Der Bodenstein
(„Steher“) bewegte sich beim Mahlvorgang nicht. Die beiden Steine sind in den zueinander
liegenden Flächen mit Rillen, Furchen (gradlinigen Haupt- und Nebenfurchen oder
spiralverlaufenden Feldern) versehen.
Durch den Mahlspalt, der nach außen durch die hölzerne Zarge abgeschlossen ist, gelangt das Mahlgut über den Auslauf in den Beutelkasten und weiter durch den siebartigen Beutelschlauch. Das feingemahlene Mehl siebt sich mit Hilfe einer Rüttelgabel durch und fällt auf den Boden des Beutelkastens. Die gröberen Mahlprodukte und die Kleie werden bis zur vorderen Öffnung geführt, eventuell noch durch das Grießsieb gerüttelt und in den danebenstehenden Behälter (Mehlschaffl) geleitet.
Für feine Mehlsorten sind mehrere Mahlvorgänge notwendig. Die Qualität des Mehls hing natürlich auch von der Schärfe der Rillen (Furchen, Fugen) der Mühlsteine ab.
So mussten die Mühlsteine in gewissen Abständen immer wieder „scharf“ gemacht werden. Dazu gab es eigene Werkzeuge. Ein von dieser Arbeit abgeleiteter Spruch klingt noch im Ohr manch eines betagten Müllers nach: „Junge Mädchen, hübsch und fein, sind des Müllers Bodenstein, draufgesetzt und scharf gemacht, bis das Herz im Leibe lacht.“
Wie die Heimat- und Mundardichterin Resl Mayr mir
seinerzeit mitteilte, hat ihr Vater bis 1890 einen Mühlsteinbetrieb in Wallsee
geführt. Vor der Jahrhundertwende gab es in Wallsee drei Betriebe, die
Mühlsteine erzeugten. Jede Firma beschäftigte ungefähr 12 Steinbrecher. Neben
dem Verkauf von Mühlsteinen an Hausmühlen im Mostviertel wurden sie auch auf
sogenannten „Mutzen“ weit die Donau hinunter verfrachtet. Ein Soldat entdeckte
im Krieg in Rumänien einen Mühlstein aus Wallsee.
Sehr oft wurden unsere Hausmühlen mit den
„Beinstampfern“ (Knochenmühlen) kombiniert. Mit ein- und demselben Wasserrad
wurde auch die Knochenstampfe betrieben, die in der Regel in einem Zubau
aufgestellt war.
In der Waidhofner Gegend ist eine derartige
kombinierte Mühle noch in den siebziger Jahren mehr schlecht als recht in
Betrieb gestanden.
Doch sonst künden nur mehr Hausnamen von Mühlen. Allein im Bereich der Stadtgemeinde Haag kann man aufgrund der derzeit geläufigen Hausnamen rund 15 ehemalige Hausmühlen ermitteln.
Literaturangaben:
Gertrud Benker, Kleine Einführung zum Thema „Mühlen, Müller“ in Volkskunst, Zeitschrift für volkstümliche Sachkultur, Callwey Verlag München, München 1987
J. Hintermayr, Das Mostviertel und sein Museum in Haag, Haag 1978
G. Trumler, Das Buch der alten Mühlen, Verlag Christian Brandstätter, Wien, Wien 1984
Gertrud Benker, Kleine Einführung zum Thema „Mühlen, Müller“ in Volkskunst, Zeitschrift für volkstümliche Sachkultur, Callwey Verlag München, München 1987
J. Hintermayr, Das Mostviertel und sein Museum in Haag, Haag 1978
G. Trumler, Das Buch der alten Mühlen, Verlag Christian Brandstätter, Wien, Wien 1984
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