Nr. 20 - 1. Dezember 1973 - 2.Jahrgang
Die Donau und ihre Landschaft in
unserem Bezirk
(verfasst von
Dr. Leopoldine Pelzl)
(Fortsetzung von Teil 1)
Ein uralter Anlande- und Handelsplatz ist dank seiner Lage am Stromübergang
und am Ausgangspunkt des Strudener Umgehungsweges Markt Ardagger. Es muss im
Frühmittelalter große Bedeutung besessen haben, war wahrscheinlich. von einer
Burg beschützt und mit Privilegien ausgestattet. Sein Jahrmarkt, das ist die
Organisation des Handels im Mittelalter, dauerte bis zu zwei Monaten und wurde
auch von süddeutschen Kaufleuten besucht. Kaiser Konrad III. weilte auf seiner
Fahrt ins Heilige Land einige Tag dort. Markt Ardagger war auf dem besten Wege,
eine von den ansehnlicheren Donaustädten zu werden. Auf einmal brach in der
ersten Hälfte des 13. Jh. seine Entwicklung ab, seine Jahrmärkte hörten auf.
Der Bischof von Freising, Ardaggers oberster Herr, dürfte das Marktrecht gegen
die Zehente von Neuhofen und Ulmerfeld an den Bischof von Passau abgetreten
haben. Der stattete damit Amstetten aus. Seine Verkehrsbedeutung verlor
Ardagger, als der Wasserweg durch den Struden entschärft wurde. Bis dahin
konnte es noch immer das "Goldene Marktl" genannt werden.
Kaiser Heinrich III. hat an dem Landweg von Markt Ardagger nach Ybbs das
Stift Ardagger für weltliche Kanoniker gegründet. Es war als kulturelles
Zentrum gedacht. Doch haben seine Leistungen nicht an die der Orden herangereicht.
Es sank schließlich zu einer Realpropstei herab (keine Kanoniker mehr im Stift)
und wurde von Josef II, aufgehoben. Reich an erlesener Kunst ist aber noch
immer die alte Stiftskirche.
Das hohe Ufergelände des Beckens trägt Bauernsiedlungen seit der
Jungsteinzeit. Abgesehen vom guten Boden und der bevorzugten Lage am Wasser,
ist im Beckengebiet auch das Klima besonders günstig, mit 240 Vegetationstagen
und warmen Sommern. In den noch wärmeren Jahrhunderten des Mittelalters war es
ein ausgedehntes Weinbaugebiet, wenngleich man diesen Wein heute nicht
schätzen würde. Im Tegernseer Urbar von 1225 werden in Strengberg zwei
"Weinzierl" (= Weinhauer) genannt. Dort trägt heute noch eine Flur
den Namen "Weingarten". Die Terrassierung der alten Weingärten sieht
man noch besonders schön am Fuß des Kollmitzberges bei Markt Ardagger. Das
mäßig ansteigende, sonnseitige Ufer von Oberösterreich ist allerdings
wesentlich dichter besiedelt. Der Abfall aus Schlier, es ist der Prallhang der
Donau, trägt zumeist Wald; nur mehr zum geringen Teil ist es der angestammte
Eichen-Hainbuchen-Wald. Vom Spätherbst bis zum Hochwinter deckt dichter
Donaunebel das Land.
Früher war es großenteils in geistlichem Besitz, Freising war um
Ardagger, Passau um Stephanshart und Kloster Tegernsee um Strengberg begütert.
Das barocke Schloss Achleiten war der Sommersitz des Klosters Tegernsee. Als es
nach 1800 in weltlichen Besitz kam, erhielt es mit einer klassizistischen
Renovierung seine heutige, edle Gestalt.
Um 1130 stiftete Otto von Machland in Erla das erste Nonnenkloster in
Niederösterreich und versah es reichlich mit seinen Gütern am Südufer der Donau.
Die Blüte des Klosters war um 1450. Umfangreiche, stilvolle Bauwerke sind aus
dieser Zeit erhalten. Doch hatte das Frauenkloster auch unter mannigfachen
Übergriffen zu leiden. In der Reformationszeit löste es sich auf; das Klostergut
kam erst unter Joseph II. in weltlichen Besitz. Die Nonnen erbauten die Kirche
von Rems im Donau-Ennswinkel, wahrhaft ein Kleinod spätromanisch-gotischer
Kunst!
1147 erhielten die Augustiner Chorherren von Säbnich-Waldhausen die
Neustadtler Platte zu eigen. Sie haben zum Großteil diesen hochgelegenen
Ausläufer des Böhmischen Massivs kultiviert und den Markt Neustadtl planmäßig
gegründet. Die Neustadtler Platte hat lange Winter und nur an die 230
Vegetationstage. Sie ist noch immer reich an herrlichen Mischwäldern und gilt
als eine der gesündesten Gegenden unseres Bezirkes.
Zwei Jahrhunderte hindurch war der Raum von Wallsee sehr bedeutend. In
Sommerau hatte in der 2. Hälfte des 13. Jh. einer der mächtigsten Ministerialen
Österreichs, Konrad von Sommerau, seine Burg. Er besaß darüber hinaus fast alle
Burgen in unserm Donauabschnitt. Im Interregnum (der "kaiserlosen
Zeit") und wohl auch nachher war er Raubritter und sperrte und beraubte
von diesen Burgen aus den Donauverkehr. Albrecht, der erste Habsburger in
unserm Land, nahm sie ihm der Reihe nach ab. Konrad empörte sich, er wurde ein
Führer des Landherrenaufstandes zu Ende des 13. Jahrhundert, aber er unterlag
und musste außer Landes flüchten. Seinen Besitz erhielten Albrechts Getreue,
die schwäbischen Wallseer. Auf dem Platz der damals schon verfallenen
Sindelburg errichteten sie ihre Feste. Das Geschlecht nahm einen großartigen
Aufschwung. Sie wirkten in den höchsten und einflussreichsten Ämtern und
erwarben sich um den Staat große Verdienste. Ihr fürstlicher Besitz reichte vom
Böhmerwald bis zur Adria. Die nördliche Hälfte unseres Bezirkes stand unter den
verschiedensten Titeln durchaus in ihrer Herrschaft. Die Siedlung neben ihrer
Burg, vorher wahrscheinlich Sindelburg genannt, dürfte seit der Mitte des 14.
Jh. ihren Namen, Wallsee, tragen. Die Herren bauten sie nach den letzten
Erfahrungen der Marktgestaltung aus, mit einem Längsrechteckplatz als Zentrum,
wie sie ihn in ihrer schwäbischen Heimat kennengelernt hatten. Wallsee bekam
einen Landeplatz und ein ausgezeichnetes Marktrecht ("wie es die Bürger
der Städte ob der Enns besitzen"). Es blühte auf im Rahmen einer fast
modern anmutenden Wirtschaftslenkung, mit der die Herren von Wallsee ihren
länderweiten Besitz zu nützen verstanden. Freilich geschah dies unter rücksichtsloser
Mißachtung der Rechte von anderen Märkten in unserm Bezirk. Eigenmächtig war
auch der Weinzoll, den sie in Wallsee von den durchfahrenden Schiffen einhoben.
Schon im 15. Jh. verfiel das Geschlecht und verarmte rasch. Schließlich bemächtigten
sich die Kaiser Friedrich III. und Maximilian I. der wallseeischen Güter und
vergaben sie, ohne die letzte Erbin zu entschädigen. Die Herren von Wallsee
fielen beinahe der Vergessenheit anheim. Auch der Markt war später nur bekannt
wegen seiner Erzeugung von Mühlsteinen aus Wallseer Sandstein. Die
Schiffsanlandung wurde aufgelassen. Sie war die letzte in unserm Bezirk.
Seitdem legt kein Schiff mehr an unserm Ufer an; wir können den Verkehr auf der
Donau nur von ferne betrachten. Der Herrensitz wechselte vielfach den
Eigentümer. Nach 1750 erwarb ihn Graf Daun, Maria Theresias siegreicher
Feldmarschall. 1895 kam er an die kaiserliche Familie und sah wiederholt Kaiser
Franz Joseph zu Gast. Jahrhunderte haben an dem Schloss auf steilem Felsen
gebaut. Zuletzt erneuerten es Graf Daun und das Haus Habsburg-Salvator. Sein
stolzer Anblick beherrscht unsern Donaustrand.
Freienstein verlor als Pfandgut der stets geldbedürftigen Landesfürsten
seit Ausgang des Mittelalters immer mehr an Wert und Besitz. Als man um 1590
für die von den Türken bedrohte Bevölkerung Zufluchtstätten festlegte, hieß es
im Bericht: "Das Schloss Freyenstain ist seit 1556 in Abbau gekommen, zur
Zeit nicht nur nicht bewohnt, sondern derzeit bei seiner Beschaffenheit kein
Zuflucht zu machen; darum werden die Unterthanen nach Karlspach gewiesen".
Es war in. Wirklichkeit das Ende der Festung. Die Siedlung am Fuß des Burgfelsens
war einst wohlhabend. Der große Schiffsmeister Feldmüller, wegen seiner
Verdienste in den Kriegen um 1800 mit dem Titel "Admiral der Donau"
geehrt, hatte hier einen Alterssitz. 1916 verwüstete das Dorf ein Wildwasser.
Heute entstehen dort viele Wochenendhäuser.
In der Türkenzeit warnte vom hohen Kollmitzberg ein staatlich
angeordnetes Kreitfeuer die Bevölkerung weithin vor drohender Feindgefahr. In
der Gegenreformation kam der Kollmitzberg noch einmal als Wallfahrtsort zu
Bedeutung, durch seine Kirchenpatronen, die hl. Ottilie, die in
Augenkrankheiten angerufen wird. Auch in St. Pantaleon belebte sich die
Wallfahrt beträchtlich. Heute suchen viele die Kirche wegen ihrer Kunstschätze
auf: Sie besitzt eine der ältesten romanischen Unterkirchen; die gotische
Statue des hl. Pantaleon ist berühmt. Anstelle seiner absinkenden alten Kirche
hat Stephanshart auf einem höchsten Punkt eine neue gebaut. Ihr ragender Turm
ist zu einem Wahrzeichen unseres Ufers geworden.
Zu Ende des 17. Jh. pries Wolf Helmhard von Hohberg, Herr auf Schloss
Rohrbach bei Stadt Haag, in seinem Werk "Adeliges Landleben" die
Donau: "Es ist unter den Lustbarkeiten der Wasser nicht die geringste,
die schönen, anmuthigen und schattigen Auen, die allenthalben in unserm
Donaustrom, theils nebenbey, theils aber in dem Schoß ihrer Werder und Insulen
anzutreffen und zu sehen, darunter das Wildprete in der Sommerhitz seinen Stand
und Weide, die Fische am Gestad einen erwünschten Unterstand und die Vögel
obenauf ihre Nester, Zusammenkunften, Musiken halten, zu dem die Jäger und Waidleute
zwischen dicken Gesträuchern ihren Vortheil finden, zu rechter Zeit dem
Wildpret äls auch den Endten und Wassergeflügel aufzupassen und desto leichter
zu unterschleichen, die Fischer können mit ihren kleinen Kahnen und Zillen,
darinnen sie ihre Zug- und Wurfnetze führen, überall die beste Gelegenheit
ihnen erwählen, den Fischen, die in der Hitz gleichfalls den Schatten lieben
und suchen, desto bequemlicher beyzukommen; ich will geschweigen der guten und
edlen Kräuter, die in den feuchten Orten ihren Aufenthalt haben."
Seither hat sich die Donaulandschaft ganz wesentlich geändert. Zunächst
wurde die Strom- und Uferkontrolle, die vorher den anliegenden
Grundherrschaften oblag und oft schlecht genug besorgt wurde, von 1770 an mehr
und mehr Sache des Staates. 1830 ordnete die "Wasserbaunormale" die
öffentlichen und privaten Verpflichtungen, sie blieb bis in die neueste Zeit
herauf in Geltung. Seither kamen die steinernen Uferschutzbauten und die
Fixierung langer Uferstreifen auf, bei gleichzeitigem Abbau stromspaltender
Seitenarme. Damit verlandete viel nasser Auboden und wurde von den Eigentümern
in Kultur genommen.
Das Strombett und die Altwasser begleiten Weiden-, Erlen- und
Eschenauen. In den Erlenauen legt man zunehmend Bestände von Kanadapappeln an,
die wegen ihres raschen Umtriebs ganz besonders wirtschaftlich sind. Sonst
finden sich Wiesen und Felder wie auf dem Hochufer. Nadelholz gedeiht hier
nicht. Der Boden muss vielfach Humus erst anreichern. In den Auen gibt es seit
alters "Rettungshügel", die dem Wild bei Hochwasser Schutz bieten.
Dieses aber unterscheidet sich nach Art und Zahl kaum mehr von den Wildbeständen
des Alpenvorlandes. Die Wasservögel verloren viele ihrer Brutplätze. In der
schwach besetzten Reiherkolonie nisten merkwürdigerweise jetzt auch Störche.
Zunimmt die Zahl der Möwen. Der Fischbestand krankt an der Verschmutzung des
Wassers.
Durchstiche zur Regulierung der Fahrtrinne erfolgten bei St. Pantaleon
und vor Ardagger. Man leitete die Strömung in einen Donauarm - sie verbreiterte
und vertiefte dann selbst das neue Bett.
1959 beendete die Donau-Kraftwerks-AG (zu mehr als 50% in der Hand des Bundes)
den Bau des großen Kraftwerks Ybbs-Persenbeug. Dieses staut das Wasser bis
Wallsee auf. Ein Pumpwerk in Markt Ardagger sorgt für die Regulierung der
Grundwasserverhältnisse. 400.000m3 Schotter setzte die Donau an der Stauwurzel
ab, er wird nun aufgearbeitet.
1968 folgte mit einem Kostenaufwand von 2,85 Milliarden Schilling das
Kraftwerk Wallsee-Mitterkirchen, das jährlich 1315 Millionen kWh ins
Verbundnetz liefert. Es liegt zur Gänze in Oberösterreich, nachdem der
Donaulauf um 700m verkürzt und damit die alte sandreiche, unübersichtliche
Schlinge bei Wallsee begradigt werden ist. Die Donau ist nun bis Mauthausen
aufgestaut.
Ein Kraftwerk auf der Donau ist ein Mehrzweckbau. Es schafft ideale
Schiffahrtsverhältnisse. Dem 1350 Tonnen "Europakahn" entsprechend,
wird das Strombett durchwegs auf etwa 300m Breite und 3-10 m Tiefe reguliert.
Schon können auf dieser Strecke die personalsparenden Schubschiffe verkehren.
Die Schleese hebt und senkt die Schiffe bis zu 12m. Sie ist für einen verzehnfachten
Verkehr gebaut - in Hinblick auf den Europakanal (Rhein-Main-Donau), der
1982/83 vollendet sein soll.
8m hohe Dämme sichern das Land vor Überflutung. 8km stromaufwärts sind
sie 2 km lang niedriger gehalten. Hier schießt bei Hochwasser die Flut in
"Retentionsräume", die es unterhalb des Kraftwerkes in den Strom
zurückführen. Dadurch ist aber auch das gesamte Becken weitgehend vor
Hochwasser geschützt. Im Zuge dieser Regulierung wurde die Mündung des
Erlabaches 5km stromabwärts verlegt.
Schließlich führt über das Kraftwerk eine Brücke, die auch von Anrainern
benützt werden kann. Bei Tiefenbach entstand zudem nach dem Kraftwerksbau die
langersehnte große Brücke; und so suchen nicht nur schwanke Zillen oder
schwerfällige Fähren die gegenüberliegenden Ufer zu verbinden, sondern es
braust das moderne Leben auf festen Straßen über den Strom und knüpft bereits
mannigfache wirtschaftliche Verbindungen.
Auf der ruhig dahinziehenden, beinahe seeartigen Donau und noch mehr auf
den Altwässern hat sich alsbald ein lebhafter Wassersport entwickelt,
entsprechend gefördert von den Gemeinden. Scharen strömen zu den Wochenenden
von nah und fern herbei, im Sommer wie im Winter. Wann hat je unsere Donau so
viele fröhliche Menschen an ihren Ufern gesehen?
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