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Landwirtschaft - einst und heute (Teil 2)

Nr. 86 - 1. Juni 1979 - 8. Jahrgang

Landwirtschaft - einst und heute (Teil 2)
Fortsetzung von Teil 1
(verfasst von Oberstudienrat Dr. Rosine Schadauer)

Die Bauernfamilie von einst war patriarchalisch geordnet. Dem Vater fiel in Haus und Hof die führende Rolle zu. Zum Verband der Familie gehörten auch unverheiratete Geschwister von Bauer oder Bäuerin. Alte Knechte und Mägde, die von Jugend auf in einem Hof gedient hatten, verbrachten auch ihren Lebensabend dort und fühlten sich der Familie zugehörig. Weniger glücklich war das Los der "Quartierer", unterstandsloser alter Knechte und Mägde, die in den Bauernhöfen jeweils für einige Wochen Kost und Quartier bezogen.

Die Lebensweise in den Bauernhöfen des vorigen Jahrhunderts war einfach. Die Bewohner waren mit Nahrung und Kleidung hinreichend versorgt. Die anfallenden vorwiegend kirchlichen Feste und Festzeiten gaben dem Jahreslauf Ordnung, setzten Höhepunkte im schlichten Leben der bäuerlichen Menschen, schenkten Freude und Jubel, mahnten zu Einkehr und Besinnung. Das bäuerliche Brauchtum war ungemein reich und mannigfaltig, nicht selten heidnischen Ursprungs, voll Phantasie und Tiefsinn, aber auch von Aberglauben durchsetzt. Es wird in einigen Monaten ausführlich dargestellt.

Das Bauerntum von heute:

Nach mitunter schmerzhafter Loslösung von alten wirtschaftlichen Überlieferungen und Vorstellungen ist der Bauer ein der heutigen Zeit und ihren Forderungen aufgeschlossener Unternehmertyp geworden, wie er uns auch in anderen Zweigen der Wirtschaft in vielfältiger Ausprägung entgegentritt. Die wesentlichen Unterschiede gegenüber dem Bauern von früher sind:

Er eignet sich eine gediegene fachliche Ausbildung an und steht hinsichtlich der Allgemeinbildung den Vertretern anderer Berufe nicht mehr nach. Er erweist sich vielfach in der Öffentlichkeit als sachkundiger und wortgewandter Vertreter seiner beruflichen Interessen.

Die heutige Landtechnik bietet Möglichkeiten der Produktionssteigerung bei gleichzeitiger Verringerung des Bedarfs an Arbeitskräften. Diese sind in der Regel auf die engsten Familienmitglieder beschränkt. Viel stärker als früher machen Bauernkinder von der Möglichkeit Gebrauch, sich für einen geistigen oder manuellen Beruf auszubilden.

Der Bauer spezialisiert sich häufig auf bestimmte Arten der Produktion, wobei er sich die Erfahrung der internationalen Landwirtschaft; insbesondere der amerikanischen Farmer, zunutze macht. Dazu gehörten am Beginn dieser Entwicklung der Anbau der Zuckerrübe, später der in wenigen Jahren zur Hauptfrucht gewordene Mais und die Intensivhaltung von Schweinen oder Rindern. In der Geflügelwirtschaft wird die Massentierhaltung sowohl für die Eierproduktion wie auch für Mastgeflügel gerade in unserem Bezirk intensiv betrieben.

Die oft die wirtschaftliche Kraft eines einzelnen Betriebes weit übersteigenden Kosten für die Anschaffungen von Maschinen führten zur Errichtung von Maschinenringen bzw. Maschinengemeinschaften.
Nicht nur Großmaschinen werden gemeinsam gekauft, sondern auch kleinere Geräte und solche Maschinen, deren Einsatz nur kurzfristig ist und die daher einer Vielzahl von Benützern dienen können.

Eine starke Intensivierung der schon seit den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts eingeleiteten Zusammenlegung von Grundstücken (Kommassierung) hat die Bewirtschaftung großer Flächen mit modernen Maschinen wesentlich erleichtert und die Produktivität erhöht. Denn, "je größer die Feldeinheit, desto rationeller der Einsatz der Maschinen". Die Landschaft wird dadurch allerdings einförmiger. Durch den Bau von Güterwegen wurden die grundlegenden Voraussetzungen für die künftige Bewirtschaftung der Bauernhöfe des Voralpenlandes bis in die hohen Lagen des hinteren Ybbstales geschaffen. Darüber hinaus erschließen die Güterwege den Zugang zu den schönsten Gebirgslandschaften unserer Heimat. Auf diese Weise wird auch der Urlaub auf dem Bauernhof ermöglicht.

Die moderne Düngung verbunden mit dem modernen Pflanzenschutz ermöglicht gesicherte hohe Ernteerträge, belastet aber in einem ständig sich erhöhenden Maß die gesamte Umwelt.

Mit diesen letzten Feststellungen habe ich bereits auf negative Auswirkungen der jüngsten Entwicklung in der Landwirtschaft hingewiesen.

Blättern wir in alten Übergabsurkunden so wird uns die fast totale Änderung des bäuerlichen Inventars in Haus und Hof bewusst. Eine typische bäuerliche Ausstattung der Wohnräume gibt es nur noch selten. Sie wurde zugunsten größerer Behaglichkeit aufgegeben. Erfreulicherweise ist in den letzten Jahren ein Zurückgreifen auf alte echte Vorbilder bei Neuausstattung von Bauernstuben zu erkennen, wofür mancher Tischlerwerkstätte und Beratungsstellen bäuerlicher Organisationen nicht genug gedankt werden kann.

Die Vielfalt der Erzeugnisse an Fleisch, Milchprodukten, ja selbst der Anbau von Flachs und Hanf ermöglichte noch bis in die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg auf dem Bauernhof eine weitgehende Selbstversorgung von Mensch und Tier. Heute ist durch die Spezialisierung die Selbstversorgung am ehesten noch bei Fleisch und Gemüse gegeben. Alles Übrige, ja selbst das tägliche Brot, wird gekauft.
Die Bäuerin gehört fraglos zu den Menschen, mit der größten Arbeitsbelastung und der geringsten Freizeit. Damit und mit einem gerade in Österreich stark zu beobachtenden Trend hängt wohl auch die steigende Kinderarmut in bäuerlichen Familien zusammen.

Die Verbundenheit durch die Nachbarschaft ist geblieben, doch ist sie zunächst eine Arbeitsgemeinschaft und dann erst eine Gemeinschaft für die Freizeit. Die Bauernstube, früher ein Ort geselliger Zusammenkünfte, hat in modischen Vergnügungsstätten einen Konkurrenten erhalten, der besonders die Jugend anlockt.

Nach einer Reihe von Anpassungsvorgängen nimmt die moderne Landwirtschaft im Gefüge unseres Volkes einen wichtigen, durch harte Arbeit erworbenen Platz ein.

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