Nr. 64 - 1. August 1977 - 6. Jahrgang
DIE GEMEINDE FERSCHNITZ
Lage, Geschichte
von Gottfried Langeder
Am Ostrand unseres Bezirkes liegt in 285 m
Seehöhe die Marktgemeinde Ferschnitz mit ihren 1230 Einwohnern. Der
Ferschnitzbach und der Ybbsfluss bilden eine abwechslungsreiche mit Hügeln,
Wäldern und Auen durchzogene Landschaft.
Der Markt Ferschnitz mit der Pfarrkirche
liegt mitten im Gemeindegebiet. Hier teilen sich die Straßen. Die eine führt
nach Freidegg, wo einst auf der Anhöhe das herrschaftliche Schloss stand; die
andere über die neuerbaute Günzinger Ybbsbrücke aus dem Gemeindegebiet hinaus,
während es südlich zum Schlosse Senftenegg geht. Hier trifft man auf den
Ferschnitzbach, welcher schon im Jahre 1034 in einer Urkunde Pheznica genannt
wird. Er bildet die Ostgrenze des freisingischen Gebietes gegen die
regensburgischen Besitzungen in Steinakirchen am Forst. Der Name ist slawischen
Ursprungs und bedeutet die Rasende oder auch Birkenbach.
Der Ort Ferschnitz übernahm den Namen des
Baches und dürfte im 12. Jhdt. entstanden sein. Die erste urkundliche Erwähnung
fällt 1345 in einem Kaufvertrag, in dem Friedrich der Haeusler beurkundet, dass
er alles, was er von Niklas von Polan gekauft habe, die Lehenschaft an der
Kirche zu "Versnitz", den Hof bei der Kirche usw., an Pilgrim von
Tannberg weiterverkauft habe. Einige Jahre später kaufte dieses Kirchenlehen,
heute Gemeinde Schönbichl, Heinrich von Zelking, welcher schon seit 1334
Besitzer von Freidegg war und 1352 der Kirche die ersten Schenkungen machte.
Die Tochter eines Otto von Zelking, Beatrix, hat die Kirche umgebaut und 1441
einen Hochaltar gestiftet. In erster Ehe war sie mit Hans von Streun zu
Schwarzenau verheiratet. Wohl im Laufe des 15. Jhdt. wurden die Streun
Alleinbesitzer auf Freidegg.
1574 erhielt der berühmte Reichard Streun
von Schwarzenau Freidegg, ein Gelehrter, Politiker und Vorkämpfer des
Protestantismus. Er erwarb noch Schloss Ernegg, Schönegg, Edelbach u.v.m.
Freidegg wurde Reicharts von Streun Lieblingssitz. Er baute ihn fast vom Grunde
auf neu.
Wie Freidegg wohl ausgesehen haben mag,
zeigt uns etwas später Matthäus Vischer in seinem Kupferstich, auch rühmen
Dichter der damaligen Zeit diesen Prachtbau. Es soll eines der schönsten
Renaissanceschlösser gewesen sein, mit 5 Gebäuden, 6 Türmen und einem
herrlichen Garten. Sogar die Schallaburg soll es an Größe überragt haben.
Ausgebaut hat Streun auch die Pfarrkirche
zu Ferschnitz. Sie zeigt die letzte Stufe der ausklingenden Gotik zur
Renaissance, mit dem klassischen Stil des Eingangs, dem wunderbaren
Sakristeiportal und den Grabmälern der Familie Streun.
Großen Aufschwung erlebte Freidegg und
Ferschnitz durch die Geselligkeit auf dem Schlosse. Berühmte Persönlichkeiten
waren hier Gäste. Ein Unglück ereignete sich, als Streun prunkvoll mit seiner
zweiten Frau Hochzeit feierte und 100 adelige Gäste geladen hatte. Der Saal
stürzte mitsamt der Hochzeitsgesellschaft in die Tiefe. Es gab Verletzte und
einen Toten.
Der Marktbrief von 1589 zeigt, wie Streun
auch für seine Bürger und Untertanen gesorgt hat.
Streun war ein milder und gütiger Gutsherr.
Zahlreiche Briefe seiner Untertanen bezeugen dies, besonders in Sachen der
Gerichtsbarkeit. Dennoch gab es während des Bauernkrieges 1596/1597 in
Ferschnitz einen kleinen Bauernaufstand, nicht wegen Streun, sondern wegen
seines Predigers, der drei Sonntage von der Kanzel gegen die Bauern schimpfte:
Sie seien nicht wert, dass sie das Erdreich trage! Daraufhin kamen an die 1000
Bauern mit dem Schulmeister Steinhauer aus Neuhofen, plünderten den Pfarrhof
und zogen gegen Freidegg, wo sich der Pfarrer versteckt hattet Dort riefen die
Bauern: "Wir wollen den Pfarrer aufhängen, dass ihn auch nicht die Erde
tragen müsse"! 1600 starb Streun in Freidegg.
Sein Schwager, Erasmus von Tschernembl,
verwaltete die Güter von Freidegg für seine Schwester bis zu deren Tode im
Jahre 1617. Der Besitz wurde an die Zinzendorfer verkauft. Die Besitzer
wechselten dann dauernd, bis 1678 die Herrschaft an die Starhemberg kam, die
sie bis 1937 innehatten. Die Türken haben das Schloss arg zerstört, und heute
stehen nur mehr ein Torturm und das Wirtschaftsgebäude.
Bis etwa 1630 wurden in der Kirche zu
Ferschnitz protestantische Gottesdienste abgehalten. Streun dürfte beim Ausbau
der Kirche Geld von den protestantischen Ständen bekommen haben. So ist es
erklärlich, dass die Kirche in Ferschnitz noch lange Zufluchtsstätte für
Gottesdienste der Protestanten war.
In der Gegenreformation bekam sie eine
barocke Ausstattung und wurde umgebaut. Die Krönung dieser Neugestaltung dürfte
das mit der Jahreszahl 1770 datierte Altarbild des Kremser Schmidt sein. Eine
Sehenswürdigkeit ist auch die vor dem Pfarrhofe stehende Immakulatasäule aus
der Zeit um 1710.
In den Franzosenkriegen, zu den
Weihnachtsfeiertagen des Jahres 1800, quartierte sich der Feind mit etwa 6000
Mann in Ferschnitz ein. Ringsum brannten seine Lagerfeuer. 1848 gab es anfangs
Unruhen. 2 Jahre später erhielt Ferschnitz seinen ersten Bürgermeister, dessen
Angelobung mit sämtlichen Gemeinderäten in der Pfarrkirche stattfand. Im
vorigen Jahrhundert erhielt Ferschnitz die schönste Volksschule im ganzen
Umkreis. Diese löste die weit in die Reformationszeit zurückreichende Schule
bei der Kirche ab. Unter Maria Theresia war diese als Musterschule genannt.
Die Filialkirche, die Martinskirche in
Innerochsenbach, war früher im Pfarrgebiet von Steinakirchen am Forst und kam
1757, wie auch einige andere Orte auf der anderen Seite des Ferschnitzbaches,
zum Gemeindegebiet. Berühmt sind in dieser Kirche die beiden Chorfenster, mit
gotischen Glasmalereien, die durch das Puechhaimer und Zelkinger Wappen auf die
Stifterin Elisabeth von Zelking, verehelichte Puechhaim, +1394 (Grabplatte in
der Pfarrkirche Steinakirchen) und somit auf eine Datierung in das 1. Viertel
des 15. Jahrhunderts hinweisen. Die gotischen Schreinaltäre und weiters noch
die frühbarocke Einrichtung machen dieses Kirchlein zu einem Juwel.
Berühmt ist die Bibliothek im Schloss von
Senftenegg, mit der sich Karl Friedrich von Frank in der Fachwelt als
Ahnenforscher große Verdienste erworben hat.
Die Gemeinde hat auf ihrer etwa 15
Quadratkilometer großen Fläche ländliche Struktur, aber auch einige kleine leistungsfähige
Betriebe. Die nahegelegene Stadt Amstetten nimmt zahlreiche Pendler auf.
Der Fremdenverkehr dürfte in diesem Gebiet
noch große Zukunft haben.
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