Direkt zum Hauptbereich

Russischer Zar Nikolaus I. unfreiwillig in Aschbach zu Gast

Nr. 90 - 1. Oktober 1979 - 8. Jahrgang

"RUSSISCHER ZAR NIKOLAUS I. UNFREIWILLIG IN ASCHBACH ZU GAST" (verfasst von Hauptschullehrer Hans Gugler)

Wenn heute ein Staatsoberhaupt ein fremdes Land bereist oder gar den Heiligen Vater in Rom besucht, so wissen Presse, Rundfunk und Fernsehen genauestens zu berichten. Selbstverständlich würde heute eine weite Reise im Düsen-Jet oder zumindest im Sonderzug durchgeführt, außerdem würde heute ein hoher Herrscher, bewacht von Polizei und Beamten und im Begleitschutz des einheimischen Militärs auf genau vorbestimmtem Weg geleitet- werden.

Nun, wie war es aber vor mehr als hundert Jahren?

Im Spätherbst des Jahres 1845 setzte es sich der russische Kaiser Nikolaus I. in den Kopf, den Papst in Rom zu besuchen. Auf welchem Weg er nach Italien kam, wie die Route nach Süden verlief, weiß man heute kaum mehr. Ja, man weiß nicht einmal, an welchem Tag der "Herrscher aller Reussen" nach Österreich kam und wie er durch Österreich gelangte. Bloß von seiner Rückreise steht in der Wiener Zeitung eine kurze Notiz, nämlich dass Zar Nikolaus I. am 31. Dezember 1845 über Gloggitz Wien erreichte.

Was in aller Welt aber veranlasste den hohen Herrn, in Aschbach zu verweilen?
Der russische Kaiser reiste für heutige Begriffe noch recht unbequem -mit der Kutsche. Die Reise durch das Alpenvorland ging nicht die alte Poststraße entlang, die der Bundesstraße 1 entspricht, sondern entlang der Alpenvorlandstraße 122, die schon damals der landschaftlichen Schönheit wegen von vieler Reisenden bevorzugt wurde. So auch von Zar Nikolaus I. und seinem Gefolge.

Ja - und in Aschbach wäre er wie in so vielen Ortschaften unbemerkt geblieben, hätte nicht ein Unglück" des Kaisers Fahrt gestoppt. An der Grenze zwischen den Katastralgemeinden Aschbach und Mitterhausleiten, zwischen dem Krucka- und dem Furtnerberg, führt heute die Bundesstraße auf einer modernen Brücke über den Kupfmühlbach. Damals aber war der Bach noch nicht überbrückt. Man fuhr also durch den Bach - durch die Furt. Das Haus nächst der Brücke, Mitterhausleiten Nr. 3, trägt heute noch den Hausnamen "Furth".

Der Kumpfmühlbach schwillt nach starkem Regen heute noch sehr schnell an, und das reißende Wasser wird damals das Bachbett da und dort ausgehöhlt haben. Als also die kaiserliche Kutsche durch den Bach führ, sackte eine Seite des Wagens in so eine Vertiefung, und sie kippte mitsamt der Kaiserlichen Hoheit. Das war eine schöne Bescherung! Kaiser und Begleitung mussten aus der Kutsche klettern und waren wahrscheinlich pudelnass. Der hohe Herr war äußerst ungehalten, aber gegen die Macht der Verhältnisse konnte auch sein Wille nicht aufkommen. Man bemühte sich, dass schwere Gefährt wieder flottzumachen. Mit Stangen und Winden versuchte man die Kutsche wieder auf die Räder zu bringen.

Während dieser Stunden wäre es aber für die "Verunglückten" unmöglich gewesen, in der kalten Witterung - es war ja Winter - frierend zu warten. Der Kaiser war genötigt, mit seinem Gefolge ein schützendes Obdach zu suchen. Man wählte das nächstgelegene Bauernhaus, "Furth", und bat um Unterkunft.

In der einfachen, aber warmen Bauern Stube fühlten sich die hohen Gäste bald wohl und ließen es hoch hergehen Der Zar ließ, um seinen Ärger und Verdruss zu bannen, aus seinem Reisegepäck Bohnenkaffee holen und einen starken Trunk brauen. Der junge Hausherr, Jakob Schlöglhofer, vulgo Furthner Jakob, durfte natürlich mittafeln und erhielt damals vom Tische des Kaisers seinen ersten Kaffee.

Als die Kutsche schließlich wieder auf vier Rädern stand, die Kleider trocken und der Kaiser samt Gefolgschaft gestärkt waren, "durfte" der Jakob den hohen Gast mit seinem Gespann bis zur nächsten Poststation Sankt Peter in der Au, weiterkutschieren. Als das Ziel in rascher Fahrt erreicht war, dankte der Zar und belohnte den braven Kutscher ganz fürstlich mit zehn blanken Gulden. Diese vornehme Fahrt und dieser kaiserliche Lohn waren wohl das größte Ereignis im Leben des Furthner Jakob.

Die Episode hielt Pater Petrus Ortmayer, Benediktiner zu Seitenstetten,, in seinem Büchlein "Von kleinen Leuten" fest. Herr Jakob Schlöglhofer, Sohn des Furthner Jakob (verstorben am 27.2.1946) hat sie ihm berichtet. Die Erzählung trägt den Titel "Der Furthner - Jakob zu Krenstetten trinkt mit dem Kaiser von Rußland seinen ersten Kaffee". Heute hat man in ganz Aschbach und Krenstetten, ja selbst im Hause Schlöglhofer, Mitterhausleiten Nr. 3, dies: "schrecklich - nette" Begebenheit beinahe vergessen. - Sie ist weder in einer Zeitung noch in einer Chronik verzeichnet.


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Übersicht aller Ausgaben - Heimatkundliche Beilage zum Amtsblatt der Bezirkshauptmannschaft Amstetten

Hier erhalten Sie eine Übersicht über die Ausgaben die "Heimatkundliche Beilage zum Amtsblatt der Bezirkshauptmannschaft Amstetten". Einzelne Beiträge (hellblau hinterlegt) können hier online angesehen werden. Alle Ausgaben können bei Bedarf in der Niederösterrichischen Landesbibliothek eingesehen werden. Weitere Literatur zum Mostviertel gibt es hier. Nr Datum Titel Autor 1 1972-05-01 Zum Geleit WHR. Dr. G. forsthuber 2 1972-06-01 Großes heimatkundliches Bildungsquiz 3 1972-07-01 Die reine Fichtenkultur ist eine schlechte Vorsorge für die kommenden Generationen Prof. Peter Schutting 4 1972-08-01 St. Agatha - Eisenreichdornach Dr. Leopoldine Pelzl 5 1972-09-01 Fritz Steiner Dir. Dr. Ernst Werner 6 1972-10-01 Die große St. Georgskapelle in St. Georgen am Reith VD Franz Rautter 7 1972-11-01 Der Kollmitzberger Kirtag - Ein Jahrmarkt mit 800 jähriger Tradition Mag. Dr. Heimo Cerny 8 1972-12-01 Aufführungen unbekannter Kompositionen im Promulgationssaal des Stif

Türkenbelagerung 1683 im Mostviertel - Spurensuche

Kurzer Überblick über die Situation im Jahr 1683 Am 7. Juli 1683 überschritten die Türken mit ca. 300.000 Mann die Grenze Niederösterreichs. Zwischen St. Pölten und Wilhelmsburg hatten sie ein 20.000 Mann starkes Lager aufgeschlagen, das als Stützpunkt für ihre Raubzüge diente, die sich bis in das Mostviertel und dort sogar hinunter bis zum Gebirge erstreckten. Während Großwesir Kara Mustapha vom 14.7. bis 6.9.1683 Wien mit ca. 200.000 Mann eingeschlossen hielt, drangen türkische Raubscharen ins Hinterland vor und verbreiteten auf ihrer Suche nach Reichtümern vielerorts Schrecken und Verwüstung. Sie waren dabei nicht nur auf der Suche nach wertvollen Kleinodien, sondern vor allem Menschen konnte man zu dieser Zeit gewinnbringend verkaufen. Auf ihren Plünderungszügen wurde geraubt, gemordet und niedergebrannt. Es fielen auch viele langsame, ältere Menschen und sogar Kinder den Gräueltaten zum Opfer. Manche wurden erst nach Tagen oder Wochen in Wäldern entdeckt und bestattet. Viele M

Taufe und Firmung - Das Brauchtum im Lebenslauf im Mostviertel einst und jetzt

Heimatkundliche Beilage zum Amtsblatt der Bezirkshauptmannschaft Amstetten Nr. 105 -   15. Jänner 1981 -   10. Jahrgang Das Brauchtum im Lebenslauf - einst und jetzt (Teil 1) (verfasst von Oberstudienrat Dr. Rosine Schadauer) 1. TAUFE und FIRMUNG An die drei wichtigsten Ereignisse im Menschenleben - Geburt, Vermählung, Tod - knüpfen sich zahlreiche, oft uralte Bräuche. Sie wurzeln im engen Bereich der Familie. Wurde ein Kind erwartet, dachten die Eltern "ehzeitig" ans "G'vatterbitten". So wählten sie unter ihren "Freunden" (Verwandten) ein Paar ehrsame, hausgesessene Leute aus. Eine Zurückweisung war nicht zu befürchten. Aus der Taufe zu heben galt nämlich als "das gute" oder "das christliche Werk". Durch die Patenschaft baute man sich "einen Staffel in den Himmel". Mindestens so viele Gödenkinder wollte man haben, dass sie den Paten einst zu Grabe tragen konnten. Der Vater bat im allerschönsten Ge